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Berlin – Nach Berichten über eine staatsanwaltschaftliche Vorprüfung im Zusammenhang mit einem Immobilienkredit hat sich die FDP-Spitze vor den deutschen Finanzminister Christian Lindner gestellt. Partei-Vize Wolfgang Kubicki bezeichnete die Vermutung einer Vorteilsnahme am Montag als "völlig absurd" und warf der Berliner Justiz "eine politische Charakterlosigkeit und eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung" vor.

Lindner selbst hatte Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Kredit für seinen privaten Hauskauf inhaltlich zurückgewiesen. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" berichtet, der Finanzminister und FDP-Chef habe eine Video-Rede für die Bank gehalten, die seinen Hauskauf finanziere. Nun prüfe die Staatsanwaltschaft, ob sie die Aufhebung seiner Immunität als Abgeordneter beantragen solle. Ihm drohe ein Strafverfahren wegen Vorteilsannahme.

Die Berliner Staatsanwaltschaft erklärte am Montag, nach einem Bericht des "Spiegel" über den Hauskredit sei man "in eine bei Abgeordneten in Hinblick auf deren Immunität übliche Vorprüfung eingetreten". Das sei üblich und bedeute nicht, dass es einen Anfangsverdacht gebe. Die Aufhebung der Immunität ist Voraussetzung für ein Ermittlungsverfahren. Beschlossen wird sie vom Bundestag, der zu Beginn der Legislatur allerdings beschlossen hat, solche Anliegen grundsätzlich zu genehmigen.

Den Berichten von "Spiegel" und "Tagesspiegel" zufolge hielt Lindner im Mai 2022 das Grußwort für eine Karlsruher Privatkundenbank. Danach habe er sich bei derselben Bank einen weiteren Kredit geben lassen. Im Tagesspiegel heißt es dazu: Lindners Handeln könnte strafbar sein, wenn die zweite Kreditvergabe mit dem dienstlichen Grußwort in Zusammenhang stehe. Das sei eine Frage der näheren Umstände. Für Lindner gilt die Unschuldsvermutung.

Lindners Anwalt: "Marktübliche Konditionen"

Lindners Anwalt Christian Schertz teilte mit: "Seine private Immobilienfinanzierung hat Herr Lindner lange vor der Übernahme seines Ministeramtes begonnen. Alle Konditionen waren stets marktüblich. Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehört zur regulären Amtsführung eines Ministers." Zwischen dem Grußwort und der privaten Immobilienfinanzierung bestehe kein Zusammenhang. Lindner sehe "die heutige Berichterstattung mit Gelassenheit".

Auch eine Sprecherin des Finanzministeriums betonte, solche Grußworte seien "durchaus nicht unüblich". Die Frage, ob Lindner nach der Anfrage der Bank intern auf seinen Kredit hingewiesen habe, ließ sie unbeantwortet. Kubicki betonte, es gebe besondere Compliance-Regeln für die Geschäftsbeziehung zwischen einem Kreditinstitut und einer politisch exponierten Persönlichkeit wie einem Bundesminister, die Vorteilsgewährung ausschließen sollten.

Die Koalitionspartner SPD und Grüne haben Lindner ebenfalls den Rücken gestärkt. Er wolle sich zu dem konkreten Fall nicht äußern, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montag auf Nachfrage. "Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit Herr Lindner zusammen", fügte er aber hinzu. Grünen-Chefin Ricarda Lang wich der Frage nach den konkreten Vorwürfen aus, betonte auf die Frage nach Lindner jedoch, dass es keine Gründe für eine Kabinettsumbildung gebe.

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency Deutschland begrüßte die Vorprüfung der Berliner Justiz. "Der Rechtsstaat muss auch und gerade bei einem Minister kritisch hinschauen", sagte Transparency-Jurist Wolfgang Jäckle der Funke Mediengruppe. Der Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende, Daniel Mittler, forderte Lindner auf, seine Kreditkonditionen offenzulegen, "um auch nur jeden kleinsten Verdacht der Vorteilsnahme auszuräumen". (APA, Reuters, red, 9.1.2023)