Aufstehen, Frühstück machen, Jause vorbereiten, Kind eins anziehen, die Schultasche von Kind zwei packen. Dann Kind eins im Kindergarten absetzen, Kind zwei zur Schule begleiten. Danach in die Arbeit fahren. Am Nachmittag aus dem Büro, Kind eins von der Großmutter abholen, weil der Kindergarten bereits zu Mittag geschlossen hat. Dann Kind zwei aus dem Hort holen und noch eine Runde in den Park. Abendessen kochen, spielen, Kinder ins Bett bringen.

So oder so ähnlich sehen die Tage vieler Eltern – insbesondere Mütter – aus. Noch immer sind es vorwiegend Frauen, die sich um die Kinder kümmern und dafür auch im Job Stunden reduzieren. Die Teilzeitarbeitsquote von Frauen ist hierzulande mit rund 50 Prozent eine der höchsten in Europa.

Noch schwieriger wird das alltägliche Jonglieren der Eltern in den Ferien. 69 Schultage haben Schülerinnen und Schüler heuer frei. Für die meisten berufstätigen Eltern mit im Schnitt fünf Wochen Urlaub ist das eine Herausforderung. Selbst wenn sie sich die Ferien aufteilen würden, hätten sie nicht genug freie Tage, um auf das Kind aufzupassen.

Abgedroschen wie hochaktuell

Das Thema Kinderbetreuung ist so abgedroschen wie hochaktuell. Seit Jahren reden sich Expertinnen und Experten den Mund fusselig, wie wichtig ausreichende Kindergarten- und Hortplätze für die Bildungschancen der Kinder und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sind; sowie ein wirksames Instrument für die Gleichstellung von Mann und Frau und gegen den Arbeitskräftemangel.

Erst am Dienstagmorgen betonte Christoph Badelt, Chef des Fiskalrats, in der Ö1-Sendung Morgenjournal im Hinblick auf die Regierungsklausur, wie wichtig die Verbesserung der Kinderbetreuung für den Arbeitsmarkt sei. Und die Politik geht damit auf Stimmenfang: Bei den Tiroler Landtagswahlen im Herbst war der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung eines der dominierenden Themen. Im niederösterreichischen Wahlkampf machte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) den Ausbau der Betreuung zu einem ihrer Schwerpunktthemen.

Ausreichende und flexible Angebote für die Kinderbetreuung sind gefragt – gerade im ländlichen Raum machen es fehlende Einrichtung insbesondere den Müttern schwer, Kind und Job zu vereinbaren.
Foto: Heribert Corn

Trotz der vielen Bekundungen tut sich nur langsam etwas, die Angebote sind je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Das liegt auch daran, dass die Zuständigkeiten für die Kinderbetreuung bei den Bundesländern liegen. Bis 2026/27 wollten Regierung und Länder die sogenannten VIF-konformen Plätze, die mit Vollzeitjobs der Eltern vereinbar sind, ausbauen. Kriterium des Vereinbarkeitsindikators für Familie und Beruf (VIF) ist ein Angebot in 47 Wochen pro Jahr von Montag bis Freitag mit Öffnungszeiten von mindestens 45 Wochenstunden und an vier Tagen mindestens 9,5 Stunden. Während die Betreuungsquoten in den vergangenen Jahren zwar gestiegen sind, ist der Anteil an Kindern in solchen VIF-konformen Einrichtungen zuletzt leicht gesunken.

Wenig neue Forderungen

Geht es nach den Sozialpartnern und der Industriellenvereinigung, soll sich das nun ändern. Sie wollen einen "Turbo zünden" und haben am Dienstag zum Kinderbetreuungsgipfel in die Hofburg geladen. Die – wenig neuen – Forderungen: eine Milliarde Euro jährlich für die Elementarpädagogik, ein flächendeckender Ausbau der Plätze, ein Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr. Auch eine bundesweite Ausbildungsoffensive für mehr Pädagoginnen und Pädagogen sowie einheitliche Qualitätskriterien etwa für Betreuungsschlüssel und Gruppengröße stehen auf der Wunschliste.

Flexible unterschiedliche Modelle seien notwendig, sagte die Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer, Irene Neumann-Hartberger. Etwa Tageseltern, die sich in Randzeiten kümmern, Unternehmen, die sich für einen gemeinsamen Betriebskindergarten zusammenschließen, oder Bäuerinnen, die auf dem Bauernhof auf eigene und fremde Kinder aufpassen.

Ländliche Regionen

Handlungsbedarf besteht vor allem in ländlichen Regionen. Mancherorts sei es Müttern gar nicht möglich, in den Job zurückzukehren, weil Einrichtungen fehlten, berichtet Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer (AK) Wien. Und wenn es eine gibt, hat diese oft am Nachmittag geschlossen – eine Herausforderung, die vollzeitarbeitende Eltern oft nur mit der Hilfe von Großeltern lösen können. So hat etwa Vorarlberg ein Gesetz beschlossen, dass ab 2023 Kinder ab drei Jahren einen Ganztagsbetreuungsplatz erhalten. Faktisch ist das kaum umsetzbar: Den Gemeinden fehlen schlicht zu viele Plätze und Elementarpädagogen.

Viele Eltern stecken ihre Kinder deshalb in private Einrichtungen – und greifen dafür tief in die Tasche. Daten, wie viel Eltern je nach Wohnort für Kinderbetreuung zahlen, gibt es nicht. Laut Statistik Austria geben sie bundesweit monatlich rund 80 Euro aus. Selbst zwischen Wien und dem wenige Kilometer entfernten Korneuburg kann die Kostendifferenz rund 500 Euro betragen. Mit den aktuellen Teuerungen dürften auch die Preise steigen. Korinna Schuhmann, ÖGB-Vizepräsidentin berichtet, dass Eltern in den vergangenen Monaten ihre Kinder aus der Nachmittagsbetreuung genommen haben, weil diese zu teuer wurde.

Wie schnell der Turbo wirklich gezündet werden kann, wird sich zeigen. Martha Schultz, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer, ist zuversichtlich, denn nun finden die Finanzausgleichsverhandlungen statt: "Das ist die größte Chance, die wir in den letzten Jahren hatten." (set, 10.1.2023)