Der vieldiskutierte Verkauf eines Teils des Wiener Semmelweis-Areals im Jahr 2012 hängt einer Spitzenbeamtin bis heute nach.

Foto: Robert Newald

Wien – Die Juristin Marion Winkler ist eine erfahrene Beamtin, die in der Wiener Stadtverwaltung bereits eine ganze Reihe von Führungsposten bekleidete. Nun hat sie einen neuen Spitzenjob ergattert: Seit dieser Woche leitet Winkler die neu geschaffene externe Meldestelle für EU-Rechtsverstöße. Und dieser Karrieresprung kann durchaus kritisch gesehen werden.

An Winklers Meldestelle können sich Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber – auch Whistleblowerinnen und Whistleblower genannt – wenden, um vermutete Verletzungen des Unionsrechts etwa in den Bereichen Verkehrssicherheit, Umweltschutz oder öffentliche Gesundheit kundzutun. Wien setzt damit europäisches Recht um: Eine derartige Einrichtung ist laut EU-Whistleblowing-Richtlinie vorgeschrieben. Diese zielt unter anderem darauf ab, eine Schädigung öffentlicher Interessen oder Betrug und Korruption bei öffentlichen Auftragsvergaben aufzudecken und zu unterbinden.

Die Leitung der Meldestelle war öffentlich ausgeschrieben, Winkler setzte sich gegen elf weitere Bewerbungen durch. Angesichts ihrer Vergangenheit stellt sich allerdings die Frage, wie geeignet sie tatsächlich ist. Diese Frage kommt nicht zum ersten Mal auf: Bereits als Winkler 2021 Bereichsleiterin für Informationsfreiheit und Antikorruption wurde, gab es Kritik.

Kein Bieterverfahren, lediglich Gutachten

Das liegt an einem hoch umstrittenen Immobiliengeschäft in Winklers Zeit als Leiterin der MA 69, ihres Zeichens zuständig für Immobilienmanagement. Winkler hatte diesen Posten von 2009 bis 2021 inne und verantwortete damit die Privatisierung einer Teilfläche der mittlerweile stillgelegten Semmelweis-Klinik im teuren Bezirk Währing.

Konkret veräußerte die Stadt 2012 nicht mehr genutzte Spitalsgrundstücke um 4,66 Millionen Euro an die At Home Immobilien GmbH. Hinter dem Unternehmen stand damals die Genossenschaft Gewog / Neue Heimat, die wiederum zu 82 Prozent der SPÖ-nahen Gewerkschaft "Bau Holz" gehörte. At Home bebaute die Fläche mit Luxuswohnungen. Ein Bieterverfahren gab es nicht, der Verkaufspreis wurde von einem Sachverständigen ermittelt. Pikantes Detail am Rande: Dieser von der Stadt beauftragte Gutachter hatte zuvor selbst über seine Firma Scotia ein Zinshaus auf dem Semmelweis-Areal erstanden – um 500.000 Euro.

Rüge von Stadtrechnungshof

Diese Konstellation rief die Rathausopposition auf den Plan. Sie sprach von "Freunderlwirtschaft" und warf der Stadt vor, die Liegenschaft viel zu billig veräußert zu haben. ÖVP und FPÖ schalteten den Stadtrechnungshof ein. Die Neos, damals noch nicht auf der Regierungsbank, brachten gar eine Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein – der STANDARD berichtete.

Die WKStA ermittelte daraufhin wegen des Verdachts der Untreue gegen unbekannte Täter. 2019 wurde das Verfahren aber eingestellt. Die Prüferinnen und Prüfer des Stadtrechnungshofs kamen wiederum zu dem Schluss, dass ein Bieterverfahren der Schätzung durch einen Sachverständigen vorzuziehen gewesen wäre. Die Stadt habe zwar rechtlich zulässig gehandelt, eine Ausschreibung garantiere aber "objektivere und belastbarere Ergebnisse" als die gewählte Vorgangsweise, hieß es im Bericht.

Magistratsdirektion: "Es ist alles gesagt"

Auf die Optik von Winklers Besetzung angesprochen, verweist die Magistratsdirektion auf STANDARD-Anfrage auf die Feststellungen des Stadtrechnungshofs. Damit sei "alles gesagt. Auch wenn das Thema politisch immer wieder hochgezogen wird."

An die neue Meldestelle für EU-Rechtsverstöße kann sich übrigens jede Person mit derartigen Wahrnehmungen "in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit" wenden. Das ist möglich in einem persönlichen Gespräch nach Terminvereinbarung, telefonisch oder schriftlich. Vorab werden bei Bedarf Beratungen angeboten. Aufgabe der Meldestelle ist es dann, eingegangene Hinweise zu dokumentieren und zu prüfen, an die zuständigen Stellen weiterzuleiten und dabei die Identität der Whistleblowerinnen und Whistleblower zu schützen. (rach, 10.1.2023)