Moderatorin Vera Russwurm begleitet Niederösterreichs Landeshauptfrau und ÖVP-Chefin Johanna Mikl-Leitner nach einem ausführlichen Gespräch noch ein Stück beim Wahlkampfauftakt.

ORF TVthek Screenshot

Wien – Heinz Lederer, von der SPÖ entsandter ORF-Stiftungsrat, spricht sich im STANDARD-Gespräch für ein Verbot externer Moderationen für alle ORF-Stars und andere Mitarbeiter aus, die Sendungen moderieren oder präsentieren. Ledererhatte sich auch schon kritisch gegenüber deren Nebentätigkeiten geäußert, bevor Vera Russwurm Montagabend den Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich moderierte.

Ein Fall für die geplante Ethikkommission

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat nach der Chat-Affäre und dem Rücktritt von TV-Chefredakteur Matthias Schrom im November 2022 angekündigt, er werde "eine Ethikkommission bestehend aus unabhängigen Expertinnen und Experten einrichten und damit beauftragen, in Zusammenarbeit mit dem ORF-Ethikrat einen Code of Conduct zu erarbeiten, der die bestehenden Verhaltensregeln des ORF zusammenfasst und gegebenenfalls Ergänzungen und Nachschärfungen vorsieht. Der Schwerpunkt soll dabei auf dem Umgang mit politischen Entscheidungsträgern und -trägerinnen im journalistischen Kontext liegen."

Aus für Moderationen

Lederer erwartet von dieser Ethikkommission im Gespräch mit dem STANDARD klare Regelungen auch für Moderationen und andere Auftritte von ORF-Mitarbeitern sowie Bildschirmpersönlichkeiten.

Der von der SPÖ entsandte Stiftungsrat plädiert für ein generelles Verbot solcher Moderationen "für Stars wie für andere". *

Lederer erwartet Auskünfte über diese angekündigte Ethikkommission bei einem Sonderfinanzausschuss des Stiftungsrats am 20. Februar. Diese Kommission soll nach seinen Vorstellungen auch detailliertere, strengere Social-Media-Regelungen für ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter erarbeiten. In die Compliance-Regeln des ORF reklamiert Lederer auch Informationen an den ORF über die Mitgliedschaft und insbesondere Funktionen in Vereinen hinein.

"Nicht genehmigungspflichtig"

Vera Russwurm moderiert im ORF am Freitag die Talksendung "Vera", die die familieneigene Produktionsgesellschaft Hofpower dem ORF zuliefert.

Auf STANDARD-Anfrage zum Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich erklärte am Dienstag ein ORF-Sprecher: "Dem ORF wurde die betreffende Moderation nicht im Vorfeld gemeldet. Diese ist jedoch im Hinblick auf Vera Russwurms geringes Beschäftigungsverhältnis als nicht programmgestaltende Freie Mitarbeiterin im Unterhaltungsbereich auch nicht genehmigungspflichtig."

Produktion: Abgestimmt mit dem ORF

Hofpower-Geschäftsführer Heinz Georg Russwurm erklärte Dienstag auf STANDARD-Anfrage, Vera Russwurms Moderation des Wahlkampfauftakts der ÖVP Niederösterreich sei mit dem ORF abgestimmt. Der Auftritt sei "deutlich im Vorfeld" dem ORF zur Kenntnis gebracht worden. Geschäftsführer Russwurm betonte, Russwurm sei nicht Dienstnehmerin des ORF.

Tätigkeiten und Moderationen Russwurms für die Politik sorgen regelmäßig für Diskussionen und Kritik. 2019 war sie "Gesundheitskoordinatorin" im Ressort von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).

Im Oktober 2018 sorgte sie für Verwunderung, als sie bei einer ÖVP-Veranstaltung als Moderatorin und Unterstützerin von Sebastian Kurz fungierte und den Kanzler als "gutaussehenden jungen Politiker" bezeichnete. Im Dezember 2018 stellte sie sich für einen türkisen Adventkalender zur Verfügung: Zu gewinnen gab es ein Würstlessen mit ihr.

Wahlkampfauftakt in der ORF-TVthek

Auf der ORF-Streamingplattform TVthek findet sich der Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich über 1:42 Stunden komplett. Alle Wahlkampf-Auftaktveranstaltungen seien in der TVthek, hieß es auf STANDARD-Anfrage dazu im ORF. (fid, 10.1.2023)