Im Gastblog schreibt Florian Martek* über die Geburt seiner Tochter, die gesundheitlichen Folgen für seine Frau und den Beginn seiner Väterkarenz.

Ich bin in einer Kleinstadt in einer Familie mit recht klassischer Rollenverteilung aufgewachsen und dann zum Studium der Biomedizin beziehungsweise Biotechnologie nach Wien gezogen, wo ich seit mittlerweile mehreren Jahren in der Krebsforschung beschäftigt bin. Durch meine emanzipierte Frau habe ich mich stark verändert. Wir teilen uns das Kochen, den Haushalt und alles Organisatorische. Außerdem setze ich mich für die Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere bei der Kinderbetreuung, ein.

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es ist, einen ganzen Tag weg zu sein, geschweige denn eine Woche.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/cipella

"Der Vater in Karenz – geht das?" Auch wenn man, wie ich, schon einiges erlebt hat – diese Frage von einer Dame aus der Generation der Babyboomer machte mich dann doch stutzig. Wie aus der Pistole geschossen kam mein "Ja, klar" – dann erst wurde ich mir über die Tragweite der Frage bewusst. Bezog sie sich auf die rechtliche Ebene? 1989 wurde die gesetzliche Grundlage für Väterkarenz in Österreich geschaffen. Seit 1. September 2019 gibt es zusätzlich den Rechtsanspruch auf den Papamonat. Oder auf die Akzeptanz des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin? Ich habe das Glück, in einem familienfreundlichen Unternehmen angestellt zu sein. Oder auf die alltägliche Ebene, also frei nach dem Motto "Nur die Mutter weiß, was ein Baby braucht und kann sich daher kümmern – Väter können das doch nicht!". Gerade die letzte Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten, doch ich möchte in diesem Blog zeigen, dass die Antwort "Ja! Väter können das genauso gut!" sein sollte.

Vorstellungen und Realität der Geburt

Meine Frau und ich wollten uns die Kindererziehung immer möglichst 50:50 teilen. Wir haben das Glück, äquivalente Studienabschlüsse zu haben und auch annähernd gleich viel zu verdienen. Mein Arbeitgeber wirbt damit, ein familienfreundliches Unternehmen zu sein, und bereits einige meiner männlichen Kollegen haben eine Karenz oder einen Papamonat hinter sich. Die generelle Akzeptanz dafür schien hoch zu sein, und so wusste ich schon seit mehreren Jahren, dass ich die Hälfte der Karenz absolvieren und danach auch Elternteilzeit in Anspruch nehmen wollte. Meine Frau begrüßte das sehr – auch ihr war der Job sehr wichtig, und wir hatten uns auch bisher schon so ziemlich alles im Haushalt und andere, klassische Frauendomänen, geteilt. Das war also der Plan oder zumindest die Idee.

Mit 28 fühlten wir uns bereit und stürzten uns in medias res. Nach einigen Monaten klappte es und wir waren überglücklich, da wir in der zweiten Sommerhälfte die Geburt eines gesunden Mädchens erwarten konnten. Nach einer langen, nicht immer ganz einfachen Schwangerschaft, war es dann fast auf den Tag pünktlich so weit: Die Fruchtblase platzte. Wir waren froh, dass das Warten jetzt ein Ende hatte – die Geburt war jedoch keine leichte, es wurde eine akute Sectio, ein Kaiserschnitt also. Mit dem ganzen Drumherum war das Erlebnis vor allem für meine Frau sehr traumatisierend, ich selbst schwebte durch Glückshormone beflügelt durch die ersten Tage und Wochen. Meiner Frau jedoch wurde peripartale Depression diagnostiziert.

Wir hatten zwar im Bekanntenkreis gehört, dass es nach der Geburt sehr hart sein kann, aber die Wucht, mit der es eine frischgebackene Mutter treffen konnte, drohte uns den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Danach ging alles Schlag auf Schlag. Da der Schlafmangel nicht gerade den Gemütszustand hebt, beendeten wir das Experiment "Stillen" und stellten auf gekaufte Pre-Milch und Fläschchen um. Ich fütterte meine Tochter in der Nacht und begann, mit meinem Arbeitgeber über die Verlängerung meines Papamonates durch Resturlaub zu verhandeln. Meine Frau schlief im Nebenzimmer und bekam auch bald von einer Spezialistin Antidepressiva verschrieben. Es dauerte aber noch drei bis vier Wochen, bis sich ihr Zustand langsam zu bessern begann – maßgeblich war der Moment, als alles mit meinem Arbeitgeber geklärt war – ich konnte die Zeit bis zum Ende des Wochenbettes fast vollständig überbrücken und würde danach in Karenz gehen. Das nahm meiner Frau viel vom Druck, sich bald alleine um unsere Tochter kümmern zu müssen. Denn eine Elternteilzeit während der Karenz des Partners ist beim ersten Kind gesetzlich nicht vorgesehen.

Zwischen Kindesbetreuung und Formularbearbeitung

Der Start in die Karenz verlief für mich sehr gut. Meine Tochter schlief zu diesem Zeitpunkt nur mehr drei- bis viermal unter Tags, und meist jeweils nur 30 bis 45 Minuten. Da bleibt einem nicht mehr viel Zeit zum Aufräumen, Kochen, Putzen, Einkaufen und für sonstige bürokratische Erledigungen, etwa Versicherung, Kinderbetreuungsgeld, Organisation von Arztterminen und Impfungen. Im Zuge dessen muss man massenhaft Formulare ausfüllen und weiterschicken, den Arbeitgeber um Bestätigungen ansuchen, herumtelefonieren, die Website der Arbeiterkammer oder ÖGK konsultieren und vieles mehr. Das wäre schon in normalen Zeiten selbst für höher gebildete Menschen eine Herausforderung, aber mit einem Kind, das betreut werden muss, ist das fast unmöglich. An dieser Stelle sehe ich starken Bedarf an Vereinfachung vonseiten des Staates und der Versicherungen, aber auch der Arbeitgeber. Man fühlt sich, als ob man für alle Seiten jeweils beinahe inhaltsgleiche Formulare ausfüllen muss. Auch direkt nach der Geburt bekommt man vom Magistrat Unterlagen zugeschickt, die man dann gleich wieder für die Erstellung eines Reisepasses dorthin mitnehmen muss. Es hat sich zwar diesbezüglich sicher schon etwas in die richtige Richtung bewegt in den letzten Jahren, aber vieles ist noch redundant.

Eine enge Bindung kostet Zeit

Zeit für sich hat man also in der Regel gar keine mehr. Das habe ich zuvor schon von vielen Bekannten gehört, wollte es aber wohl nie so recht wahrhaben. Man fühlt sich als junger Mensch mit viel Energie so unbesiegbar. Man denkt sich: "bei mir wird das anders sein". Ist es aber nicht. Zumindest nicht wesentlich. An guten Tagen schaut mir meine Tochter beim Workout größtenteils zufrieden zu, ich kann ein paar Seiten Zeitung lesen, während ich das Mobile immer wieder in Bewegung versetze, vielleicht schaut sie mir sogar eine Zeit lang beim Kochen oder Essen zu. Doch die wirklich guten Tage sind rar. Und so bin ich meistens irrsinnig froh, wenn meine Frau heimkommt und mir die Kleine abnehmen kann. Noch mehr schätze ich die Tage, an denen wir beide daheim sind. Da können wir abwechselnd je nach Bedarf mehr oder weniger Zeit mit der Kleinen, mit Haushaltsarbeit oder Einkaufen verbringen. Anrufe erledigen. Müll rausbringen, kurz mit den Nachbarn tratschen. Herrlich.

Meine zwei fixen wöchentlichen Sporttermine genieße ich jetzt noch mehr als vorher, auch wenn ich gerade am Abend nach einem harten Tag oft nicht mehr so viel Gas geben kann. Trotzdem vermisse ich die Kleine nach nur drei Stunden unglaublich stark. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es ist, einen ganzen Tag weg zu sein, geschweige denn eine Woche, wie es zum Beispiel bei geschäftlichen Reisen der Fall wäre. Das war für mich ein interessanter Aspekt: Nach zehn Jahren in einer festen Beziehung ist man es gewöhnt, sich hin und wieder auch mehrere Tage nicht zu sehen. Ich war richtig erstaunt, wie viel stärker dann die Bindung zum eigenen Baby beziehungsweise Kleinkind sein kann, dass man es so viel stärker vermissen kann als die langjährige Partnerin. Das mag für manche vielleicht komisch klingen, aber ich denke, die meisten Eltern unter den Lesenden werden mich verstehen. (Florian Martek, 16.1.2023)