Der Lebenszyklus von Quallen fasziniert die Forschung seit langem: Manche Spezies kann sogar zu ihrem Polypenstadium zurückkehren und ihr Leben von vorn beginnen.
Foto: Reuters / David W Cerny

Wen es beim Älterwerden da und dort zwickt, der wünscht sich vielleicht, manche Eigenschaften von Bäumen zu haben. Sie sind nämlich umso unverwundbarer, je älter sie werden. Wenn sie in ihren ersten Jahren gut durch Hitze und Frost kommen, genug Platz für ihre Wurzeln haben, dann droht vielleicht Gefahr durch äußere Einflüsse – etwa durch Schädlinge oder Klimawandel. Ansonsten aber sind sie sehr langlebig. Bäume können ein wirklich beeindruckendes Alter erreichen – Fichten, Tannen, Föhren und Lärchen werden mehrere Hundert Jahre alt.

Ideal der ewigen Jugend

Ein Zustand, den viele Menschen erträumen: Ein wirklich langes Leben, in dem man stabil und relativ ungefährdet seinem Alltag frönt. Realistisch ist diese Vorstellung natürlich nicht. Wer alt wird, hat keinen jungen Körper mehr. Die Muskelkraft ist im dritten Lebensjahrzehnt am stärksten ausgebildet, danach baut der Mensch ab. Die Haut verliert an Elastizität, Seh- und Hörsinn lassen ebenfalls nach.

Trotzdem streben wir nach ewiger Jugend, weil sie durch die Gesellschaft als Idealbild in unseren Köpfen festgesetzt wurde. Und wir sind recht fasziniert von Beispielen in der Natur, wo das scheinbar gelingt. Der erst 25-jährige Molekularbiologe Nicklas Brendborg, Postdoc an der Uni Kopenhagen, liefert in seinem Buch Quallen altern rückwärts. Was wir von der Natur über ein langes Leben lernen können ein besonderes Beispiel dafür: Die sehr kleine Quallenspezies Turritopis ist quasi unsterblich.

Quallenspezies mit Rückwärtsgang

Unter Stress verwandelt sie sich in ihr Polypenstadium und beginnt ihr Leben von vorn. Man stelle sich vor, dass Menschen der westlichen Stressgesellschaft ähnliche Talente entwickeln könnten wie diese Qualle. Vermutlich würde man endlich alles daransetzen, ungesunde Stressfaktoren im Berufsleben auszuschalten. Brendborgs Buch gibt abseits von Turritopis weitere spannende Einblicke in die regenerativen Fähigkeiten von Tieren und Pflanzen. Darüber hinaus steht es auf der Shortlist zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2023 des Wissenschaftsministeriums.

Vielleicht muss man ja auch nicht ganz von vorn beginnen, eine umfassende Regeneration wäre auch schon erstrebenswert. Am Internationalen Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher schon länger mit dem Axolotl. Diese in Mexiko heimischen Schwanzlurche, die in ihrer Entwicklung nie über das Larvenstadium hinauskommen, haben eine bemerkenswerte Fähigkeit. Abgetrennte Gliedmaßen wachsen vollständig nach, und sogar das Rückenmark regeneriert sich nach Verletzungen. Bei Fischen und Fröschen, schreibt das IMP, ist noch eine eingeschränkte Regenerationsfähigkeit vorhanden.

Der Axolotl kann abgetrennte Gliedmaßen nachwachsen lassen und so gut wie jedes Organ in seinem Körper problemlos regenerieren.
Foto: Imago Images / Addictive Stock / G. Trujillo

Langsames Wachstum

Im Lauf der Evolution scheint diese Fähigkeit jedoch verlorengegangen zu sein, Säugetiere weisen sie nur noch in Spuren auf. Es gibt aber immerhin Tiere, die ein wahres Methusalemalter erreichen. Der Grönlandhai kann nach vorsichtigen Schätzungen von Forschenden über 500 Jahre alt werden. Auch nicht schlecht, wobei dabei die Alterung ähnlich lästige Folgen zeitigt wie beim Menschen. In den Augen des vier bis fünf Meter langen Riesen nisten sich selbstreflektierende Parasiten ein, wodurch der Hai an Sehkraft einbüßt, schreibt Brendborg. Doch weshalb können die Haie trotz aller Einschränkungen ein dermaßen hohes Alter erreichen? Ein mehrere Hundert Jahre altes Individuum konzentriert sich im Lauf seines Daseins vornehmlich auf das Schwimmen, Fortpflanzen und Fressen in den kälteren Meeresregionen. Hinzu kommt, dass die Tiere immens langsam wachsen. In diesem Umstand sehen Forschende auch die Ursache für die Langlebigkeit dieser Tiere.

Untersuchungen zufolge wächst der Grönlandhai etwa einen Zentimeter pro Jahr und erreicht seine Geschlechtsreife mit etwa 150 Jahren. Auch das dürfte für Menschen keine erstrebenswerte Vorstellung sein. Alterungsprozesse zu verstehen ist die Basis für künftige Forschungen, vielleicht für medizinische Errungenschaften, die das Älterwerden verstärkt in gesunde Bahnen lenken können. In seinem Buch macht Brendborg auch deutlich, dass es nicht die eine Lösung für Anti-Aging gibt.

Grönlandhaie können ein Alter von mehr als 500 Jahren erreichen. Das scheint ihnen zu gelingen, weil sie immens langsam wachsen.
Foto: Julius Nielsen

Kein Patentrezept

Die Alterung ist ein hochkomplexer Prozess, seine Erforschung führt sogar auf die Osterinsel: Dort entwickelte sich ein Bakterium, das einen lebensverlängernden Effekt auf Zellen hat – bei der Einnahme eines daraus entwickelten Medikaments ist aber aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen Vorsicht geboten. Andere Forschungen haben Fastenzeiten als ideales, lebensverlängerndes Werkzeug ausgemacht. Wieder andere schwören auf eine Low-Carb-Diät – auch darauf reagieren nicht alle Menschen gleich.

Es gibt also kein allgemein gültiges Rezept für ein gesundes Älterwerden. Und das ist vermutlich gut so: Heißt es doch nichts anderes, als dass wir Individuen sind und jeder und jeder für sich selbst den besten Weg suchen sollte, wie er oder sie dieses eine Leben, das einem zur Verfügung steht, bestmöglich verbringen will. Am besten nicht als Qualle, jedenfalls aber stresslos. (Peter Illetschko, 14.1.2023)