Dirigent Pablo Heras-Casado springt für den zurückgetretenen Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada ein.

Foto: Milagro Elstak

Wien – Regelmäßig gute Konzerte zu absolvieren ist eine Sache, die langfristige Entwicklung eines Orchesters – über Jahre und Jahrzehnte – etwas ganz anderes. Dieser komplizierte Prozess hängt von der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Dirigenten ab, von der planvollen Schwerpunktsetzung im Repertoire und von etlichen anderen Faktoren. Eine Person, die als Primus oder Prima inter Pares die künstlerische Leitung schultert und im Dialog mit den Musikerinnen gemeinsames Weiterwachsen ermöglicht, ist dabei jedenfalls kaum zu ersetzen. Als die Auftritte der Wiener Symphoniker für den Beginn dieses Jahres geplant wurden, war die Situation noch eine völlig andere.

Andrés Orozco-Estrada war noch als Chefdirigent im Amt und wollte mit seinem damaligen Orchester alle vier Symphonien von Johannes Brahms exemplarisch erarbeiten. Die zwei Konzertprogramme wurden nun aufgeteilt: Wird im Februar Jaap van Zweden für die dritte und vierte anreisen, absolvierte Pablo Heras-Casado die erste und zweite – und auch diese beiden Werke schon auf recht unterschiedliche Weise. Ganz ließ sich der Eindruck nicht verleugnen, dass vielleicht die zweite als etwas seltener gespieltes Werk (allein im Wiener Konzerthaus etwa um ein Drittel weniger häufig) genauer vorbereitet wurde. Oder war es vielleicht so, dass bei der ersten das Tragische und Düstere mit der Einförmigkeit verwechselt worden wäre?

Jedenfalls: Dynamische Unterschiede klangen hier oft doch recht verwaschen, die Tempi schwerfällig. Ganz anders war der Eindruck bei der (zugegebenermaßen heitereren) zweiten: Hier fanden Dirigent und Orchester zu einem prächtigen, samtenen Farbenspiel voller Schwung und Leichtigkeit. Und ein bisschen wirkte es so, jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, um eine intensivierte Zusammenarbeit erst eigentlich zu beginnen. (Daniel Ender, 10.1.2023)