Nach der Tötung eines Apothekers in der Donaustadt und einer zweifachen Mutter in Floridsdorf wird über weitere Delikte des Verdächtigen spekuliert.

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Die erste versuchte Einvernahme am Montagnachmittag wurde schnell wieder abgebrochen. Denn der befragte Mann wurde so aggressiv, dass die Ermittler sogar die Spezialeinheit Wega anfordern mussten, um ihn zu bändigen. Auch der zweite Versuch am Dienstag war nicht erfolgreich, wie die Wiener Landespolizeidirektion (LPD) dem STANDARD bestätigt.

In welchem Zustand sich der 50-jährige obdachlose polnische Staatsbürger befindet, der zweier Morde verdächtigt wird, soll ein psychiatrisches Gutachten klären. Fest steht: Der Mann steht im Verdacht, in der Nacht auf 1. Jänner einen 74-jährigen Apotheker in Wien-Donaustadt und am 8. Jänner eine 31-jährige zweifache Mutter in Wien-Floridsdorf getötet zu haben.

Verdacht auf Brandstiftung

In beiden Fällen soll der Mann gewaltsam in die Wohnhäuser eingedrungen sein und sich dort betrunken haben. Gestohlen hat er nur wenig, laut Polizei dürfte er also ohne jedes Motiv gehandelt haben. Aktuell befindet sich der Mann in U-Haft, die Abgleichung seiner DNA mit der internationalen Datenbank läuft. Denn in Deutschland soll er zwischen 2001 und 2018 23 Delikte begangen haben. Laut LPD reicht das Spektrum "von Diebstahl und Tierquälerei bis zu Brandstiftung".

Wegen Brandstiftung ist der Pole auch in Österreich verdächtig: Am 29. Dezember wurde in der Nähe der späteren Mordschauplätze ein leerstehendes Haus angezündet. Überhaupt erhoffen sich die Ermittler von der Auswertung der DNA-Datenbank Hinweise auf mögliche weitere Taten des Mannes. In Wien sind aktuell etwa noch zwei Morde ungeklärt: an einem Schulwart in Simmering im März des Vorjahres und an einer 79-Jährigen, die im Mai im Zuge einer Home-Invasion in Neubau erschlagen wurde.

Nicht im Asylverfahren

In Zusammenhang mit dem Amoklauf in Linz, bei dem ein 41-jähriger Iraker drei Menschen – seine Ehefrau und zwei Polizisten – schwer verletzte, werden unterdessen die Hintergründe zum Aufenthaltsstatus des Mannes klarer. Der mutmaßliche Täter befindet sich nicht, wie medial kolportiert, aktuell in einem laufenden Asylverfahren. Vielmehr erhielt der Mann bereits im Sommer 2011 die Zuerkennung subsidiären Schutzes.

Im Herbst 2017 wurde ihm dieser allerdings nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt. 2018 stellte der Mann dann, gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, auf der Basis der Hochzeit mit einer rumänischen Staatsangehörigen – dem jetzigen Opfer – einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel. Zwischenzeitlich folgte im Jahr 2019 dann, nach dem Ausschöpfen mehrerer Instanzenzüge, die Bestätigung der Aberkennung des subsidiären Schutzes durch den Bundesverwaltungsgerichtshof – gefolgt von der Erteilung des Aufenthaltstitels aufgrund seiner Ehe im Jahr 2020 durch den Magistrat Linz.

Behörde muss prüfen

Bleibt die Frage, was sich nach dem Amoklauf – die Staatsanwaltschaft Linz geht von einem dreifachen Mordversuch aus – nun ändern wird. "Der Mann ist derzeit in Österreich aufenthaltsberechtigt aufgrund seiner Eigenschaft als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin", sagt Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich im STANDARD-Gespräch.

"Fällt dieses Faktum nach einer Scheidung weg, muss die Behörde eine Rückkehrentscheidung prüfen", sagt der Jurist. "Dabei wird geprüft, wie gut jemand integriert ist. Unbescholtenheit spielt da eine große Rolle. Und in dem Fall ist anzunehmen, dass ein Rückkehrverfahren eingeleitet wird." Im Fall einer Verurteilung sei die Diskussion über die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Irak von "nachrangiger Bedeutung". Grundsätzlich gilt: "Vor Verbüßung der Hälfte einer allfälligen Haftzeit ist eine Ausreise ins Herkunftsland ausgeschlossen."

Tochter könnte Mutter gerettet haben

Der mutmaßliche Täter soll Montagfrüh auf seine rumänische Ehefrau eingestochen haben. Am Dienstag wurde bekannt, dass die elfjährige Tochter ihre Mutter gerettet haben dürfte. Das ergab sich laut Polizei aus der Einvernahme des Opfers. Wie die attackierte Frau den Beamten im Spital schilderte, habe sie Montagfrüh mit ihrer Tochter das Haus verlassen wollen. Plötzlich sei ihr Ehemann, gegen den ein gerichtliches Betretungs- und Annäherungsverbot besteht, in der Tür gestanden und habe die beiden in die Wohnung zurückgedrängt. Er habe die Frau gewürgt, woraufhin die Tochter ihren Stiefvater angesprungen sei und versucht habe, ihn zu stoppen. Danach habe er noch dreimal mit einem Messer auf seine Frau eingestochen. Ihr gelang es aber, ihr Handy zu fassen und die Polizei zu rufen. Als der Mann das merkte, flüchtete er. Laut Polizei könnte die Tochter die Mutter durch ihr Eingreifen gerettet haben.

Die Exekutive berichtete zudem, dass sich der Fahrer eines Kastenwagens, der vom mutmaßlichen Täter auf seiner blutigen Flucht bedroht worden war und dann davonfuhr, gemeldet hat. Er soll am Mittwoch einvernommen werden.

Die Einvernahme des mutmaßlichen Täters brachte indes nichts Neues. Er leugnete zunächst alles, dann schwieg er zu dem Fall. Schon öfters war er jedenfalls wegen Gewalt an Frauen aufgefallen. Dafür hatte der seit 2011 in Österreich lebende Iraker auch schon eine teilbedingte Haftstrafe ausgefasst. Wie ORF Radio Oberösterreich am Dienstag berichtete, habe die Rumänin bereits früher mehrmals die Polizei geholt, mehrmals sei der Iraker aus der Wohnung weggewiesen und ein Betretungsverbot ausgesprochen worden. Im Spätsommer des Vorjahres habe der Mann auch sechs Stunden verpflichtende Gewaltpräventionsberatung absolviert. Er sei dabei "gesprächsbereit gewesen", so Josef Landerl von Neustart Oberösterreich in ORF Radio OÖ. "Zum damaligen Zeitpunkt hatten wir keine Indikationen und konkreten Anlassfälle, um auf einen Hochrisikofall schließen zu können," so Landerl. (Markus Rohrhofer, Martin Tschiderer, APA, 10.1.2023)