Um die Ziele zu erreichen, ist ein Ausbau von Erneuerbaren notwendig. Einige Gesetze dafür sind bereits auf Schiene.

Foto: APA/dpa/David Young

In Österreich steckt die Klimagesetzgebung fest, auf europäischer Ebene hat sich zuletzt aber viel getan: Die EU-Kommission präsentierte im Juli 2021 das Fit-for-55-Paket, ein Bündel an rund zwölf Gesetzesvorschlägen und Initiativen, zu denen sich auch Österreich verpflichtet. Einige davon sind bereits beschlossen, andere noch in Verhandlung.

Neuer Emissionshandel

Politische Einigung von Parlament und EU-Rat. Formaler Beschluss offen.

Das System gibt es bereits seit über 15 Jahren: Industrie- und Energieunternehmen in der EU brauchen Zertifikate für das CO2, das sie ausstoßen. Allerdings griff das System bisher vor allem für Energieunternehmen – Industriesektoren erhalten bislang gratis Zertifikate, die sie vor dem Preisdruck aus Drittstaaten schützen sollen. Jetzt passt die EU das System an die höheren Klimaziele an – die freien Zertifikate sollen auslaufen. Um Unternehmen im internationalen Wettbewerb dennoch zu stützen, einigte sich die EU auf eine Art CO2-Zoll für Importe, der im Herbst 2023 in einer Testphase startet.

Außerdem beschloss die EU, einen zweiten Emissionshandel aufzusetzen, um die weiterhin hohen Emissionen des Verkehrs und der Gebäude zu drosseln. Ab 2027 müssen Unternehmen, die Kraftstoffe in Umlauf bringen, eine Abgabe für jede Tonne zahlen, die durch deren Verbrennung entsteht. Die Kosten werden aller Voraussicht nach an die Kundinnen und Kunden weitergegeben – damit soll der Verbrauch gesenkt werden. Damit die sozialen Kosten abgefedert werden, die dabei entstehen, wird ein neuer Fonds eingerichtet, mit dem einkommensschwache Haushalte unterstützt werden. Zudem gibt die EU vor, dass sämtliche Einnahmen aus dem Emissionshandel in die Energie- und Verkehrswende fließen.

Lastenteilung für Staaten

Politische Einigung von Parlament und EU-Rat. Formaler Beschluss offen.

Die Lastenteilung funktioniert ähnlich wie der Emissionshandel – richtet sich anstatt an Unternehmen jedoch an Staaten. Die Verordnung regelt all jene Bereiche, die bislang nicht im Emissionshandel erfasst sind und verteilt je nach BIP pro Kopf, wie viele Emissionen die einzelnen Mitgliedstaaten ausstoßen dürfen.

Verursacht er mehr Emissionen, muss er zusätzliche Zertifikate kaufen. Stößt ein Land hingegen weniger Emissionen aus als es dürfte, kann es Zertifikate an andere verkaufen. Jetzt einigten sich die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament auf eine Reform, mit der das Ziel angehoben wird: Bislang verpflichtete sich die EU Emissionen der Sektoren der Lastenteilung – unter anderem Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfall und kleinere Industrieanlagen – bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 29 Prozent zu senken, jetzt wird die Reduktion auf 40 Prozent erhöht.

Für alle Staaten, die ihre Ziele nicht erreichen, könnte das System sehr teuer werden – auch Österreich ist derzeit nicht auf Kurs. Es muss seine Emissionen laut der neuen Einigung bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent reduzieren. Dafür fallen die Emissionen derzeit viel zu langsam und 2024 sollen sie sogar wieder steigen, wie das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) prognostiziert. Geht es so weiter, wird Österreich teure Zertifikate zukaufen müssen.

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Landnutzung und Wald

Politische Einigung von Parlament und EU-Rat. Formaler Beschluss offen.

Böden, Bäume und Pflanzen leisten einen zentralen Beitrag zum Klimaschutz. Mit dem Fit-for-55-Paket soll die sogenannte LULUCF-Verordnung für den Sektor Landnutzung und Forstwirtschaft verschärft werden und künftig ein Reduktionsziel von 310 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 festlegen. Landschaften emittieren nicht nur CO2, das eingespart werden kann, sondern absorbieren es auch aus der Atmosphäre. Die Wirkung von Wäldern und Böden als Kohlenstoffsenken soll deshalb ausgebaut werden. Möglich ist das etwa über Aufforstung und eine nachhaltigere Waldnutzung. Mitte November erzielten der EU-Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung.

Neue Antriebe

Politische Einigung von Parlament und EU-Rat. Formaler Beschluss offen.

Der CO2-Ausstoß des Transports in der EU ist seit 1990 um über 30 Prozent gestiegen, während er in vielen anderen Bereichen um fast denselben Anteil gesunken ist. Dem Problemkind Verkehr widmet die EU daher neben der Erweiterung des Emissionshandels drei weitere Gesetze. Das prominenteste unter ihnen sind die neuen Flotten-Standards für Autos und LKWs – ein defacto Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035, wobei der Beschluss 2026 erneut überprüft werden soll.

Der Ausbau der Elektromobilität wird begleitet von verpflichtenden Vorgaben zum Ausbau von E-Ladesäulen – derzeit stehen knapp 70 Prozent aller Ladesäulen, die es in der EU gibt, in den Niederlanden. Die EU-Kommission will den Ausbau in anderen Ländern jetzt anschieben: Bis 2026 sollen alle 60 Kilometer Ladesäulen für E-Autos entlang Europas Hauptverkehrsstraßen stehen, sowie alle 150 Kilometer Tankstellen für Wasserstoff. Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Parlament laufen noch.

Nicht nur die Straße, auch die Luft- und die Schifffahrt müssen klimaverträglicher werden. Diese können allerdings nur bedingt elektrifiziert werden. Die neuen Initiativen "REfuelEU Aviation" und "FuelEU Maritime" sollen klimaverträglichen Kraftstoffen zur Marktreife helfen – unter anderem mit verpflichtenenden Beimischquoten.

Effizienz und Gebäude

Einigung im EU-Rat. Offene Verhandlungen mit dem Parlament.

Will die Europäische Union ihre Klimaziele erreichen, wird ein Umstieg auf erneuerbare Energien allein nicht reichen – sie muss auch sparen. Bereits im Jahr 2018 einigten sich die EU-Institutionen darauf, den jährlichen Energieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent zu senken. Dieses Ziel will die Kommission mit dem Fit-for-55-Paket nun auf 36 Prozent erhöhen. Am Weg dorthin soll es jährliche Sparpflichten für die Mitgliedstaaten geben. Eine wichtige Rolle spielen dabei Gebäude, auf die 40 Prozent des Energieverbrauchs fallen. Bis 2030 sollen deshalb alle neu errichteten Gebäude klimaneutral sein. Bestehende Gebäude sollen bis 2050 in solche umgebaut werden.

Ausbau der Erneuerbaren

Einigung im EU-Rat. Offene Verhandlungen mit dem Parlament.

Sollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent sinken, wird in den nächsten Jahren ein massiver Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarkraftwerken notwendig sein. Laut dem "Fit for 55"-Vorschlag der Europäischen Kommission muss der Anteil von Energie aus alternativen Quellen bis 2030 auf mindestens 40 Prozent steigen. Dazu müssten unter anderem die Bewilligungen für neue Kraftwerke schneller vergeben werden. Genauso braucht es Regeln, was als erneuerbar gilt – im Bezug auf Biomasse etwa. Es gibt bereits eine Einigung, wegen des Ukraine-Krieges hat die Kommission ihr Ziel in der Zwischenzeit allerdings erhöht: Sie will den Erneuerbaren-Anteil bis 2030 auf 45 Prozent anheben.

Reduktion von Methan

Einigung im EU-Rat. Offene Verhandlungen mit dem Parlament.

Das Treibhausgas Methan erhitzt das Klima über eine Zeitspanne von 20 Jahren über 80-mal stärker als CO2. Insgesamt sorgt vom Menschen verursachtes Methan für rund ein Viertel der Erderhitzung. Der größte Teil stammt aus der Landwirtschaft, knapp gefolgt vom Energiesektor. Ein neues Gesetz soll letztere Emissionen bis 2030 um 30 Prozent senken. Die Kommission kritisiert allerdings, dass die EU-Staaten den Vorschlag verwässern.

Unter anderem weichten die Staaten die Anforderungen an die Messung von Emissionen auf – statt Anlagen und Bohrlöcher alle drei Monate zu inspizieren, wollen die Mitgliedstaaten eine sechsmonatige Frist. Außerdem will das Gesetz das geplante Abfackeln und Ablassen von Erdgas verbieten – auch hier wollen die Mitgliedstaaten Energiekonzerne weniger oft prüfen, als die Kommission es vorgesehen hatte. Das EU-Parlament muss seine Position erst festlegen, dann beginnen die voraussichtlich schwierigen Verhandlungen mit den Staaten.

Neue Energiesteuern

Noch keine gemeinsame Position der Staaten im EU-Rat.

Neben dem bereits beschlossenen Zertifikatehandel für CO2-Emissionen soll auch die direkte Besteuerung von Kraftstoffen und elektrischem Strom reformiert werden. Ziel ist es, neue, gestaffelte Steuersätze einzuführen und Steuerbefreiungen in den EU-Mitgliedstaaten zu verringern. Besonders umweltschädliche Energiequellen wie Gas, Öl oder Benzin sollen mit dem höchsten Steuersatz belegt werden; elektrischer Strom dagegen mit dem niedrigsten. Besteuert würden nach dem Vorschlag zum ersten Mal auch Flugkraftstoffe. Mit den Einnahmen soll die Energiewende mitfinanziert werden. Das Vorhaben steht allerdings noch am Beginn. (Alicia Prager, Jakob Pflügl, 11.1.2023)