Blick auf Soledar.

Foto: REUTERS/STATE BORDER GUARD SERVICE OF UK

Wien – Nach tagelangen schweren Kämpfen um die ostukrainische Stadt Soledar haben Angehörige der berüchtigten russischen Söldnertruppe Wagner die Eroberung des Ortes verkündet. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin teilte am Dienstagabend nach Angaben der russischen Staatsagentur Tass mit, dass Soledar erobert sei. Im Zentrum des Ortes sei noch eine Gruppe ukrainischer Soldaten eingekesselt.

"Die Zahl der Kriegsgefangenen wird morgen mitgeteilt", wurde Prigoschin zitiert. Auf einem Telegram-Kanal der Wagner-Gruppe hieß es zudem, den eingekesselten ukrainischen Soldaten sei ein Ultimatum zur Kapitulation bis Mitternacht gestellt worden. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keinen Kommentar.

Ziel Bachmut

Zuvor teilte das britische Verteidigungsministerium mit, dass die russische Armee und Söldner der Wagner-Truppe nach den Vorstößen der vergangenen vier Tage nun wahrscheinlich den größten Teil der kleinen Salzabbaustadt unter Kontrolle hätten. Soledar in der Industrieregion Donbas liegt nur wenige Kilometer von der strategisch wichtigen Stadt Bachmut entfernt. Russlands Angriff auf Soledar sei höchstwahrscheinlich ein Versuch, Bachmut von Norden her einzuschließen und ukrainische Verbindungswege zu unterbrechen, so das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Geheimdienst-Briefing. In Bachmut liefern sich russische und ukrainische Truppen heftige Kämpfe mit offenbar großen Verlusten auf beiden Seiten. Die Stadt bleibe das vorrangige Ziel der russischen Offensive, hieß es weiter.

Baerbock verspricht Ukraine weitere Hilfen

Nur wenige Stunden nach dem Überraschungsbesuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im ostukrainischen Charkiw ist indes die Stadt am Dienstagabend nach Angaben des Regionalgouverneurs bombardiert worden. Im Onlinedienst Telegram forderte Gouverneur Oleg Synegubow die Bewohner dazu auf, in den Schutzräumen zu bleiben. "Die Besatzer bombardieren uns erneut!", schrieb er weiter.

Als erste ausländische Spitzenpolitikerin hat Baerbock Charkiw im Nordosten des Landes unweit der russischen Grenze besucht. "Charkiw – belagert, zerschossen, befreit", erklärte Baerbock bei ihrer Ankunft am Dienstag. "Diese Stadt ist Sinnbild für den absoluten Irrsinn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine." Ihr Kiewer Kollege Dmytro Kuleba drängte auf die Lieferung von Leopard-Panzern.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock traf ihren ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba am Dienstag in Charkiw.
Foto: IMAGO/photothek/Xander Heinl

Baerbock sagte der Ukraine zusätzliche Unterstützung in Höhe von insgesamt 40 Millionen Euro zur Minenräumung und für eine bessere Internetversorgung zu. Sie wolle sich auf Einladung des ukrainischen Außenministers Kuleba ein Bild von der Lage vor Ort machen, sagte Baerbock. Kuleba nannte Baerbocks Besuch "symbolisch" und äußerte seine Überzeugung, dass die Ukraine auch deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard erhalten werde.

Weitere Unterstützung

"Mir ist wichtig, dass wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren", sagte Barbock. Dazu habe sie ein weiteres Winterpaket Deutschlands im Gepäck, das beispielsweise aus Generatoren zur Unterstützung der kritischen Infrastruktur bestehe. Charkiw spiegle die Schrecken des Krieges wider, "aber auch den ganzen Mut, die Widerstandsfähigkeit und damit die Hoffnung auf ein Leben in Frieden".

Es sei wichtig, dass die ukrainischen Streitkräfte weitere Gebiete befreiten, betonte die Ministerin. Daher müssten auch weitere Waffen geliefert werden. Kuleba sagte, er habe keinen Zweifel daran, dass die Ukraine auch deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard erhalten werde. Die Panzer würden gebraucht, um weitere Gebiete von russischer Besatzung zu befreien. "Die Bundesregierung weiß im tiefsten Inneren, dass diese Notwendigkeit besteht." Je länger sich diese Entscheidung aber hinziehe, desto mehr Opfer werde es auch in der Zivilbevölkerung geben, warnte Kuleba. Insgesamt wolle er aber der deutschen Bundesregierung für die bereits geleistete Unterstützung danken.

Von westlichen Waffenlieferungen abhängig

Charkiw ist nach Kiew die zweitgrößte ukrainische Stadt und liegt nur rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar ist die Stadt mit ursprünglich rund 1,5 Millionen Einwohnern von den Angreifern wiederholt unter Beschuss genommen worden. Vielfach sind die Menschen dort ohne Strom, Wasser und Heizung, etwa 500.000 befinden sich noch in der Stadt. Sie wolle "vor allem den Bewohnerinnen und Bewohnern zuhören, die der Krieg in diesem bitterkalten Winter, in dem die Temperaturen in der Nacht gerade auf bis zu minus 15 Grad sinken, so hart trifft, dass wir uns das gar nicht vorstellen können", sagte Baerbock.

Russland hält über zehn Monate nach Beginn der Invasion einschließlich der 2014 annektierten Krim gut 18 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt. Die Ukraine ist nahezu komplett von westlichen Waffenlieferungen abhängig. Berlin hat neben leichten Waffen und Munition bereits schwere Panzerhaubitzen und Flugabwehrsysteme geliefert. Dazu wurde die Lieferung von 40 Schützenpanzern des Typs Marders in Aussicht gestellt.

Ihr sei wichtig, "dass wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren", ergänzte Baerbock. Die Ukrainer sähen ihre Zukunft in der EU. Die deutsche Bundesregierung wolle konkrete Angebote machen, damit das Land bei der Stärkung des Rechtsstaats, unabhängiger Institutionen, der Korruptionsbekämpfung, sowie bei der Angleichung an die EU-Standards vorankomme. (APA, Reuters, red, 10.1.2023)