Tratschen statt hetzen, so geht Einkaufen auch – zumindest in den Niederlanden.

Foto: Jumbo

Es gehört schon fast zum österreichischen Kulturgut: das Rufen nach der zweiten Kassa. Jede und jeder hat es anscheinend andauernd eilig, schon das Anstehen in einer Schlange mit zwei Personen verursacht in vielen Österreicherinnen und Österreichern puren Stress und Ungeduld. Aber was treibt die Leute in diesen archaischen Drang, keine fünf Minuten warten zu können? Sie plärren "Zweite Kassa!" mit solcher Inbrunst. Wird diese besetzt, beginnt er erst, der Kassenkampf quer durch die Generationen. Wer kann sich am schnellsten an den anderen vorbeiwuseln, mit seinen Bananen und Semmeln in der Hand, um als Erster vorne stehen zu können, als Sieger, um dann hastig die Einkäufe einzusammeln, die von den Angestellten in absurd hoher Geschwindigkeit über den Scanner gezogen werden?

Antiösterreichischer Ansatz

Bei der niederländischen Supermarktkette Jumbo verfolgt man einen antiösterreichischen Ansatz: In mehr als 200 Filialen wurde die sogenannte Kletskassa, was so viel wie Plauderkassa bedeutet, bereits eingeführt. An dieser Kassa geht alles langsamer und gemütlicher vonstatten. Das Konzept soll den Menschen die Möglichkeit geben, sich mit den Kassiererinnen und Kassierern oder aber auch anderen Kundinnen und Kunden in der Schlange auszutauschen und ein wenig zu tratschen. Und das ganz ohne Stress und "Zweite Kassa!"-Rufe.

Bereits 2019 hat man mit einer Testphase begonnen. Sukzessive wurde das Entschleunigungsangebot erfolgreich auf viele weitere Filialen der Kette ausgedehnt. Gestartet hat man die langsamen Kassen im Rahmen der Regierungskampagne "One against Loneliness". Besonders ältere Personen leiden häufig unter Einsamkeit. Die Kletskassen seien ein Mittel, um dem entgegenzuwirken.

"Viele Menschen, speziell Ältere, fühlen sich manchmal einsam. Als Supermarktkette sind wir in der Mitte der Gesellschaft und wollen dazu beitragen, Einsamkeit zu erkennen und zu reduzieren", sagt Colette Cloosterman-van Eerd, Marketingchefin von Jumbo.

Lokale Initiativen

Besonders in Gegenden, in denen die Einsamkeit unter älteren Personen stärker ausgeprägt ist, werden in den Supermärkten solche Slow-Lane-Kassen eingeführt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dahingehend geschult, Anzeichen von Einsamkeit zu erkennen. Freiwillige unter der Belegschaft gibt es laut der Supermarktkette genug. Zusätzliche Initiativen vor Ort sollen dazu beitragen, die Menschen aus ihrer Kontaktlosigkeit zu holen.

Die Tratschkassen sind aber nur ein Zusatzangebot, Selbstbedienungskassen und ganz klassische gibt es weiterhin. Ob man in den Niederlanden auch "Zweite Kassa!" schreit, ist nicht bekannt. (rec, 12.1.2023)