Staudämme sind nicht nur ein wichtiger Bestandteil von Wasserkraftwerken, die erneuerbare Energie liefern, sie lösen auch ein Problem, das durch den Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung immer größere Relevanz bekommt. Stauseen erlauben es, große Mengen Energie zu speichern und bei Bedarf in Elektrizität umzuwandeln. Österreich besitzt durch seine Lage in den Alpen besonders viele Speicherkraftwerke.

Doch es gibt einen wenig bekannten Effekt, der die von Staudämmen zurückgehaltene Wassermenge negativ beeinflusst. Durch die Ansammlung von Sedimenten werden sie einer Studie der Uno zufolge bis 2050 rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität verlieren. Der geschätzte Verlust gegenüber der ursprünglichen Kapazität summiere sich bei den rund 50.000 berücksichtigten Anlagen auf 1,65 Billionen Kubikmeter, was in etwa dem jährlichen Wasserverbrauch von Indien, China, Indonesien, Frankreich und Kanada entspreche.

Chinas umstrittener Drei-Schluchten-Staudamm besteht aus einer über 2.300 Meter langen und 180 Meter hohen Mauer, die einen 600 Kilometer langen Stausee erzeugt.
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Das Ausmaß der Verluste sei beunruhigend, zumal die Welt bereits mit einer Reihe weiterer Wasserversorgungsprobleme konfrontiert sei. Staudämme schränken den natürlichen Sedimenttransport der Flüsse ein. Durch die abgelagerten Sedimente verlanden viele Stauseen nach und nach, zudem drohen flussaufwärts verstärkt Überschwemmungen sowie flussabwärts verstärkt Erosion. Der Eintrag in die Speicherbecken sei zu einer der bedeutendsten Herausforderungen für die weltweite Wasserspeicher-Infrastruktur geworden, berichtet das Team um Duminda Perera vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University im kanadischen Hamilton.

Schleichendes Problem

"Der Rückgang der verfügbaren Speicherkapazität bis 2050 in allen Ländern und Regionen wird viele Aspekte der Volkswirtschaften infrage stellen, darunter die Bewässerung, die Stromerzeugung und die Wasserversorgung", sagt Perera. "Die neuen Dämme, die derzeit gebaut werden oder geplant sind, werden die durch Sedimentation verursachten Speicherverluste nicht ausgleichen." Ein schleichendes globales Wasserproblem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen drohe.

In Asien zum Beispiel, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, ist die Wasserspeicherung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Wasser- und Ernährungssicherheit, wie es in der UN-Analyse heißt. Die Lage werde schwieriger, wenn dort rund 23 Prozent der Wasserspeicher in großen Staudämmen aufgrund von Sedimentation verloren gingen.

Der im Fachjournal "Sustainability" vorgestellten Studie zufolge liegt Deutschland auf Platz sechs der 42 betrachteten europäischen Länder. Stauseen in Deutschland haben demnach bereits rund 24 Prozent ihres ursprünglichen Fassungsvermögens verloren. Bis 2050 könne der Verlust auf fast 35 Prozent steigen. In Irland liegt der Schwund durch eingelagertes Sediment der Analyse zufolge schon jetzt bei fast 30 Prozent, im Jahr 2050 könnten es fast 40 Prozent sein. In Dänemark hingegen betrage der Speicherverlust gegenwärtig rund zehn Prozent, bis 2050 rund 20 Prozent.

Österreich besitzt dank seiner begünstigten Lage in den Alpen über 50 Stauseen, etwa den Speichersee Zillergründl in Tirol.
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Großbritannien, Panama, Irland, Japan und die Seychellen verzeichnen den Forschern um Perera zufolge bis 2050 weltweit die höchsten Verluste bei der Wasserspeicherung: zwischen 35 und 50 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Staubecken in Ländern wie Bhutan, Kambodscha, Mongolei, Äthiopien, Guinea und dem Niger hingegen seien vorerst kaum betroffen, weil die Dämme dort meist noch relativ jung seien. Japans Dämme zum Beispiel seien im Mittel mehr als 100 Jahre alt, die der Mongolei durchschnittlich zwölf Jahre.

Fast 50.000 Staubecken

Die Forschenden um Perera hatten aus Schätzungen der Verlandungsraten den wahrscheinlichen Verlust an Speicherkapazität für mehr als 47.400 große Staubecken in 150 Ländern für die Jahre 2022, 2030 und 2050 errechnet. Gut 28.000 der Bauwerke liegen im asiatisch-pazifischen Raum, rund 2.300 in Afrika, etwa 6.700 in Europa und 10.400 in Amerika. Als "groß" wurden Staudämme definiert, die mehr 15 Meter hoch sind oder die bei fünf bis 15 Metern Höhe ein Fassungsvermögen von mehr als drei Millionen Kubikmetern besitzen.

Viele Staudämme haben große Bedeutung für das Wassermanagement, etwa der Assuan-Staudamm in Ägypten.
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Die ursprüngliche globale Speicherkapazität von rund 6.300 Milliarden Kubikmeter der berücksichtigten Bauwerke wird demnach bis 2050 auf geschätzt etwa 4.670 Milliarden Kubikmeter sinken. Zu den möglichen Maßnahmen dagegen zählen die UN-Forscher sogenannte Bypässe. Das sind separate Kanäle, über die vor allem bei Hochwasserereignissen – bei denen es oft zu besonders hohem Sedimenteintrag kommt – Wasser direkt flussabwärts geleitet wird. Bei optimalem Betrieb könnten Bypass-Tunnel die Sedimentation um bis zu 90 Prozent reduzieren, wie frühere Studien gezeigt hätten.

Alternativ könnte die Höhe der Staumauer erhöht werden. Allerdings würde das auch die Fläche von Stauseen vergrößern, mit weitreichenden Folgen für die angrenzenden Lebensräume. Auch kostspielige Ausbaggerungen oder Sedimentspülungen sind möglich, ebenfalls mit starken Auswirkungen auf die flussabwärts gelegenen Gebiete. (red, APA, 11.1.2023)