Apple-Chef Tim Cook bezeichnete Privatsphäre bereits als fundamentales Menschenrecht. Dennoch setzt Apple auf personalisierte Werbung.

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Eigentlich ist Apple für vor allem drei Dinge bekannt: iPhones, Macbooks und iPads. Kundinnen und Kunden, die bereits den Sprung in das Ökosystem des Tech-Konzerns gewagt haben, dürften außerdem einen Teil seines Software-Angebots nutzen. Sei es der Internetbrowser Safari, der App Store, Apple Maps, iMessage oder der Streamingdienst Apple TV+.

Was deutlich weniger Menschen wissen: Bei den genannten Services und Geräten handelt es sich nicht um die einzige Einnahmequelle. Unter dem Deckmantel eines verbesserten Privatsphäre-Schutzes dringt Apple immer weiter in das von Google, Meta und Amazon dominierte Werbegeschäft vor. Ein Schritt, der im Widerspruch zur öffentlich kommunizierten Kritik am Tracking für personalisierte Werbung steht. Immerhin propagiert CEO Tim Cook, Privatsphäre sei ein fundamentales Menschenrecht.

Genau deshalb führte Apple 2021 die sogenannte App Tracking Transparency (ATT) ein. iPhone- und iPad-User können seither selbst entscheiden, ob Apps von Drittanbietern sie nachverfolgen dürfen oder nicht. Wenig überraschend, macht sich ein großer Teil der Kundschaft das Feature zunutze. Allein 2022 verlor Meta dadurch 14,5 Milliarden US-Dollar, berichtete die "Washington Post". Eine Entwicklung, die Apple in die Hände spielt. App-Anbieter haben mehr Anreize, von der Werbefinanzierung auf ein Abo-Modell und In-App-Käufe umzusteigen. Hier kassiert Apple kräftig mit.

Profitables Feature

Viel auffälliger ist jedoch, dass das Unternehmen im Zuge der ATT-Einführung mit dem Ausbau des eigenen Werbegeschäfts begonnen hat. Anzeigen findet man nicht nur in der hauseigenen News- und Aktien-App, sondern auch im App-Store. Entwickler können ihre Apps hier auf der Startseite oder prominent in der Suche platzieren lassen.

Für ein präzises Targeting wird auf Daten innerhalb des eigenen Ökosystems zugegriffen. Wie "Bloomberg"-Reporter Mark Gurman berichtet, werden also Informationen des Apple-Accounts mit den Daten aus anderen unternehmenseigenen Diensten zusammengetragen. Die Besonderheit ist hier, dass Apple nicht auf sogenannte Third-Party-Cookies zugreift, das Tracking also auf eigene Apps begrenzt. Bedenkt man die Einschränkungen der ATT, ist das Vorgehen dennoch fragwürdig. Vor allem aber ist es lukrativ. Vier Milliarden Dollar setzt Apple bisher mit dem Werbegeschäft um.

Laut der Investmentbank Evercore ISI könne aber schon 2026 die 30-Milliarden-Dollar-Marke geknackt werden. Im Vergleich zu Google und Meta, die 2021 210 Milliarden bzw. 115 Milliarden Dollar mit Werbung umgesetzt haben, sind diese Summen zwar noch überschaubar. Apples Strategie scheint aber dennoch aufzugehen. Im September berichtete die Plattform "Techcrunch" unter Berufung auf Daten der Werbefirma InMobi, dass sich Apple dank ATT einen Platz am Tisch mit Google und Meta erkämpft habe.

Zahlreiche Pläne

Dabei scheint das Projekt noch am Anfang zu stehen. So sei laut Bloomberg die Einführung von Werbung in Apple Maps geplant. Wenn Userinnen dort nach etwas suchen, sollen zahlende Unternehmen prominenter platziert werden. Möglich seien außerdem Anzeigen in Apple Books und Podcasts. Wie schon Netflix könne Apple TV+ außerdem ein günstigeres, mit Werbung querfinanziertes Abonnement erhalten. Schon im August gab es außerdem Berichte, dass Apple eine sogenannte "demand-side platform" (DSP) baue. Diese würde den Kauf von Werbefläche vereinfachen.

Wie stark Apples Werbesparte wirklich wachsen könnte, ist schwierig vorherzusehen. Es scheint unwahrscheinlich, dass das Unternehmen in direkte Konkurrenz mit Google, Meta und Amazon treten wird – auch weil der iPhone-Hersteller mit dem Vorstoß eine Gratwanderung begeht. Kundinnen bezahlen teils mehrere Tausend Euro für die Smartphones und Tablets der Firma, zu viel Werbung könnte eine abschreckende Wirkung haben.

Kartellrechtliche Bedenken

Vor allem aber widerspricht Werbetracking dem öffentlich kommunizierten Fokus auf Privatsphäre. Natürlich kann das Timing Zufall sein. Dass die ATT kurz vor dem Ausbau des eigenen Geschäfts eingeführt wurde, hinterlässt jedoch einen bitteren Beigeschmack. In Frankreich und Deutschland löste dies kartellrechtliche Untersuchungen aus, und die französische Datenschutzbehörde verpflichtete Apple im Jänner zur Zahlung von acht Millionen Euro Strafe. Der Grund: Nutzer seien nicht aktiv über das Tracking informiert worden. Apple betont auf Anfrage hingegen, dass "Datenschutz schon immer im Mittelpunkt unserer Produkte und Features" stand. Man müsse selbst darüber entscheiden können, ob und mit wem man Daten teile. Dank ATT hätten User die Wahl, ob sie getrackt werden wollen. Eine Regel, die auch für Apple gelten würde.

Bei aller Kritik an Apples Vorgehen ist dennoch wichtig, nicht die App Tracking Transparency als solche zu verteufeln. Das Feature hat iPhone-Usern zumindest teils die Kontrolle darüber zurückgegeben, wer mit ihren persönlichen Informationen Geld verdienen darf. Doch eine Sache sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden: Auch Apple zielt in erster Linie auf die Maximierung des eigenen Gewinns ab. (Mickey Manakas, 12.1.2023)