Der Klubchef des Grazer (Korruptions-)Freien Gemeinderatsklubs, Alexis Pascuttini, hier noch als FPÖ-Mitglied mit Kornblume am Revers, streitet mit seiner Ex-Partei, der er das Zudecken des Finanzskandals vorwirft.

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Wie zerrüttet das Verhältnis der steirischen Landes-FPÖ zu ihrer ehemaligen Stadtpartei in Graz ist, zeigte sich am Dienstagabend einmal mehr. Während die Staatsanwaltschaft Kärnten seit Monaten im Finanzskandal der Grazer FPÖ wegen Untreue und Betrugs gegen die ehemalige Parteispitze, Vereine und Burschenschaften ermittelt – und bei zwei Verdächtigen auch nach dem NS-Verbotsgesetz –, hat sich am Dienstag auch ein anderes Gericht mit der Causa beschäftigt: das Landesparteigericht der FPÖ.

Berufungen

Denn jene Grazer Ex-FPÖ-Politiker, die von der von Mario Kunasek geführten Landespartei ausgeschlossen wurden, haben gegen diese Ausschlüsse berufen. Unter ihnen Klubchef Alexis Pascuttini, der gemeinsam mit Stadträtin Claudia Schönbacher den Klub nach dem Rücktritt der Spitze um Mario Eustacchio und Armin Sippel übernommen hatte. Nach ihren Ausschlüssen gründeten sie einen neuen Klub. Sie warfen – wie berichtet – Kunasek vor, der Aufklärung der Finanzaffäre, in der mutmaßlich Steuergelder in Millionenhöhe veruntreut wurden, im Wege zu stehen.

Doch die Sitzung des parteiinternen Schiedsgerichts dauerte nur wenige Minuten und wurde im Streit abgebrochen. Zuvor warf man sich noch gegenseitiges Misstrauen vor.

Die gegen ihren Ausschluss berufenden Mandatare Pascuttini, Michael Winter, Oliver Leitner und die Mandatarin Astrid Schleicher wurden aufgefordert, ihre Mobiltelefone während der Sitzung abzugeben. Das führte zu einem hitzigen Disput zwischen Pascuttini und dem Vorsitzenden des Parteigerichts, Günther Millner.

Pascuttini wollte wissen, auf welcher Rechtsgrundlage das verlangt werde, worauf Millner laut Sitzungsteilnehmern replizierte, Pascuttini solle das später nachlesen, sein Handy abgeben oder den Raum verlassen. Auch Leitner weigerte sich, sein Telefon abzugeben. Der Vorsitzende schloss die Sitzung nach wenigen Minuten.

Befangenheitsvorwurf

Die von der FPÖ ausgeschlossenen Mandatare und die Mandatarin hatten bereits in ihrer schriftlichen Berufung im Dezember dem Vorsitzenden Millner und einem weiteren Richter des Schiedsgerichts Befangenheit vorgeworfen. Denn Millner sei auch wiederholt als Parteianwalt der FPÖ Steiermark tätig. Ein anderer Richter ist mit dem in der Finanzaffäre verdächtigen Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio verwandt. Auf diese Vorwürfe der Befangenheit ging Millner nicht ein. Auch die von den Beschwerdeführern beantragten Zeugen waren nicht anwesend.

DER STANDARD kontaktierte den Vorsitzenden und Anwalt Günther Millner, um seine Sicht auf die Sitzung am Dienstagabend zu erfahren, doch er wies darauf hin, dass es sich um ein "parteiinternes Schiedsgericht" handle und er "keinen Kommentar" zu der Causa abgeben werde.

Fernzünder

Pascuttini zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD empört über die Vorgangsweise des Vorsitzenden: "Handys einzusammeln ist vielleicht in Terrorprozessen üblich, aber man wird ja wohl nicht befürchten, dass wir einen Fernzünder oder Ähnliches betätigen! Für diese Vorgehensweise fehlt jede rechtliche Grundlage, und mir ist unerklärlich, warum sich der Vorsitzende so vor den Handys der Berufungswerber fürchtet."

Stadträtin Claudia Schönbacher müsste gegen ihren Austritt gesondert vor dem Bundesparteigericht berufen, da sie Mitglied der Bundesparteileitung war und von Herbert Kickl persönlich per Notverordnung ausgeschlossen wurde. Sie habe aber keine Berufung eingebracht.

Will nicht mehr in die FPÖ zurück, sondern "den ehrlichen Weg gehen": die Grazer Stadträtin Claudia Schönbacher.
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"Ich will den ehrlichen, fleißigen Weg gehen, das ist aber nicht gewünscht. Man darf gewisse Dinge nicht sagen, nicht hinschauen. So bin ich nicht", sagt Schönbacher in einem Telefonat mit dem STANDARD am Mittwoch. Sie habe daher kein Interesse mehr, der FPÖ anzugehören. Pascuttini und Schönbacher hatten Kunasek vorgeworfen, von der Veruntreuung von Klubgeldern und dubiosen Vereinskonstruktionen gewusst zu haben. Ihr neuer Klub heißt nun (Korruptions-)Freier Gemeinderatsklub.

Lange Ermittlungen

Vom Sprecher der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, Markus Kitz, heißt es auf STANDARD-Nachfrage am Mittwoch, dass ein Ende der Ermittlungen gegen sechs Verdächtige wegen Untreue und Betrugs und zwei wegen NS-Wiederbetätigung noch nicht absehbar sei. "Wir haben es hier mit Daten im Terabyte-Bereich zu tun. Das kann noch viele Monate dauern", so Kitz. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Hausdurchsuchungen im Oktober, bei denen auch Material mit NS-Bezug bei zwei Verdächtigen gefunden wurde, sind mittlerweile auch Inhalt zweier parlamentarischer Anfragen an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), die die Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz (SPÖ) eingebracht hat. Antworten dürfte es erst in einigen Wochen geben. (Colette M. Schmidt, 11.1.2023)