EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness ist das Provisionsmodell in der Finanzbranche ein Dorn im Auge.

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Eine "Herzensangelegenheit" oder doch ein "leidiges Thema": Die Reaktionen von Franz Rudorfer, dem Geschäftsführer der Bundessparte Banken in der Wirtschaftskammer (WKO), und Konsumentenschützer Christian Prantner von der Arbeiterkammer (AK) könnten kaum unterschiedlicher sein. Es geht um das im Finanzsektor weitverbreitete Provisionsmodell für Anlageberatungen, bei dem immer wieder die Wogen hochgehen. Dabei werden die Kosten der Dienstleistung sozusagen ins Produkt hineinverpackt. Dem will nun EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness offenbar ein Ende setzen.

Für Kleine nicht geeignet

Das legt zumindest ein Brief der Irin an den deutschen CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber nahe, in dem sie Bedenken gegen ein Provisionsverbot zurückweist. Ein provisionsbasiertes Modell sei ungeeignet für Kleinanleger, denen Produkte verkauft würden, die einer Studie zufolge im Schnitt 35 Prozent teurer seien als andere Angebote. Die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II habe nicht wie erhofft zu einem Anstieg von unabhängigen, honorarbasierten Beratungen geführt.

Allein: Der Vorstoß der Finanzkommissarin findet weder bei Rudorfer von der WKO noch beim AK-Experten Prantner Anklang. Beide sprechen sich gegen ein Provisionsverbot aus – allerdings gehen die Ansichten im Detail auseinander. Während Rudorfer keinen Grund sieht, am Status quo zu rütteln, spricht sich Prantner für mehr Kundenfreundlichkeit aus: Die Beratungs- und Abschlusskosten sollten auf die Produktlaufzeit aufgeteilt werden. "Auf diese Weise können neuabschlussgetriebene Einmalprovisionen vermieden werden", sagt der Konsumentenschützer.

Die Alternative zum Provisionsmodell sind honorarbasierte Beratungen. Rudorfer und Prantner weise beide darauf hin, dass die meisten Menschen nicht bereit seien, hohe Honorare zu zahlen. Diese würden durchaus hoch ausfallen, sagt der selbstständige Finanzberater Guido Küsters, der auch Vorstand des Verbands Financial Planners ist. Eine zwei- bis dreistündige Beratung sei ihm zufolge unter 1.000 Euro kaum haben – aus seiner Sicht zu viel für Wenigverdienende mit kleinen Anlagesummen, die aber am ehesten Beratung benötigen würden.

EU soll Bürger befragen

Küsters spricht sich für die Wahl zwischen einer provisions- und honorarbasierten Anlageberatung aus. "Nur bei Honorarberatung werden viele Finanzdienstleister ihr Angebot nicht aufrechterhalten können." WKO-Mann Rudorfer verweist auf das teure Filialnetz der Banken und richtet Finanzkommissarin McGuinness aus: "Die EU soll die Bürger befragen, ob sie eine Abschaffung der Provisionen überhaupt wollen." (Alexander Hahn, 12.1.2023)