In ihrem Bemühen, wieder an die derzeit nicht wie gewohnt fließenden EU-Fördergelder zu kommen, versucht die ungarische Regierung ihre massiven Rechtsstaat-Defizite mit ein paar Scheinmaßnahmen zu kaschieren. Die skurrilste dabei ist die Gründung einer "Anti-Korruptions-Behörde". Das wirkt in Viktor Orbáns Ungarn wie die Gründung einer "Anti-Glücksspiel-Behörde" in Las Vegas.

Viktor Orbáns neuester Plan um die Rechtsstaat-Defizite des ungarischen Staates zu kaschieren, ist die Gründung einer "Anti-Korruptions-Behörde".
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Wenig überraschend ist jetzt schon zu erkennen, dass es sich um eine reine Schmähparade handelt. Die Mitglieder der Behörde dürfen Verdachtsfälle untersuchen, aber nicht dagegen einschreiten. Kein Wunder, sind doch Veruntreuung und Plünderung von EU-Fördergeldern die Domänen des Orbán-Clans und seiner mit ihm befreundeten Oligarchen, die rund 90 Prozent ihrer Einnahmen aus EU-finanzierten öffentlichen Beschaffungsprojekten beziehen. Das gelingt ihnen mithilfe wettbewerbswidriger Ausschreibungen und bis zu zehnfach überteuerter Angebote – dem Begriff "Beschaffungskriminalität" wird hier eine neue Bedeutung gegeben.

Österreichischer Tourismus

Als tüchtigster Beschaffer hat sich dabei in jüngster Zeit Lőrinc Mészáros erwiesen. Der gelernte Gasinstallateur und Orbán-Strohmann gewann die Hälfte aller öffentlichen Ausschreibungen. Allein seine Baufirmen haben dadurch in den vergangenen zwölf Jahren sieben Milliarden Euro abgestaubt, wovon 74 Prozent per EU-Förderung auch von uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern kamen. Ob wir dieses Geld jemals wiedersehen, ist äußerst fraglich, aber immerhin können wir Teile davon besuchen. Oder sogar Urlaub bei ihnen machen! Konkret im "Landhotel Post an der Talstation" und im "Sporthotel Heiligenblut". Diese Geheimtipps des österreichischen Tourismus befinden sich im Besitz der Hotelkette Hunguest, die vom hinter diversen Firmenkonstruktionen bemüht, aber unzureichend versteckten Lőrinc Mészáros kontrolliert wird. "Die Erfahrung der Freiheit" lautet das Motto von Hunguest. Angesichts der Aktivitäten von Mészáros scheint es durchaus nachvollziehbar, dass er diese persönliche "Erfahrung" als ein ganz besonderes, nur von einem dysfunktionalen Rechtsstaat gewährtes Privileg wertzuschätzen weiß.

Wie es mit der Wertschätzung der Gäste seiner Heiligenbluter Hotels ausschaut, ist hingegen unklar. Das "Landhotel Post" ist seit längerem wegen "technischer Probleme" auf unbestimmte Zeit geschlossen, während das "Sporthotel" auf seiner Webpage mit einem ungewöhnlichen Angebot verblüfft: "Im Garten des Hotels stehen Schaukel, Rutsche und Klettergerüst zur Verfügung, damit die restlichen Energien nach einer Wanderung oder Skien (sic!) irgendwo abgeleitet werden können." Noch rätselhafter dann die Beschreibung einer wohl einzigartigen Attraktion: "Im Sommer in der Nachbarschaft sorgt das Kinderwaschdorf für unvergessliche Momente."

Hat man sich hier von einem Ulrich-Seidl-Film inspirieren lassen? Oder ist es den Strukturen des Orbán-Clans geschuldet, dass erbeutete Gelder in dieser ehrenwerten Familie als "Kinder" bezeichnet werden? In diesem Fall hätte die Errichtung eines "Waschdorfes" für die auf dem Gebiet der Zahlungsmittel-Hygiene bekannt umtriebige Bande immerhin einen erkennbaren Zweck. (Florian Scheuba, 12.1.2023)