Die Polizei konnte die Blockade auf der Ostautobahn vereiteln.

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Wien – Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation haben am Donnerstag kurz vor 8 Uhr die Schüttelstraße in Wien-Leopoldstadt an zwei Stellen blockiert. Geplant war laut deren Sprecher Florian Wagner, dadurch auch den Verkehr auf der Ostautobahn (A4) lahmzulegen und sich danach dort auf die Fahrbahn zu kleben. Dieser Versuch wurde jedoch von der Polizei vereitelt. Um 9.05 Uhr war die Aktion beendet, die Polizei nahm neun Personen fest.

VIDEO: In der Aktionswoche der Letzten Generation werden täglich Straßen blockiert. Rund 40 Wissenschafterinnen zeigten sich am Dienstag solidarisch und forderten von der Politik effektive Maßnahmen gegen die Klimakrise.
DER STANDARD

Journalistin wurde angehalten

Um 7.50 Uhr startete die Letzte Generation die Blockade. Die Polizei war einmal mehr mit einem Großaufgebot im Einsatz, auch der Hubschrauber kreiste über der Leopoldstadt. "Menschen, die gar nicht in Aktion gegangen sind, wurden festgenommen", kritisierten die Klimademonstranten auf Twitter. Beamte in Zivil hatten die Aktivisten, die sich auf die Autobahnabfahrt kleben wollten, bereits erwartet. Als diese sich auf dem Treppelweg umzogen, wurden sie bereits von den Polizisten erkannt und festgenommen. Verstärkung in Uniform war binnen kurzer Zeit an Ort und Stelle. "Diese Repression wird uns nicht stoppen", verkündeten die Aktivisten. "Die Polizei hat uns am Aktionsort erwartet, trotzdem sind zwei von drei Blockaden gelungen", betonte die Letzte Generation.

An zwei weitere Stellen gelang es ihnen, sich auch auf der Straße festzukleben. Durch die Aktion kam es zu Staus im Frühverkehr, laut ÖAMTC gab es auch auf Ausweichstrecken Verzögerungen. Kurz vor 9 Uhr hatte die Polizei die meisten Klimademonstranten bereits von der Straße gelöst und festgenommen.

Auf Twitter sorgte die vermeintliche Festnahme einer Journalistin für Aufregung. Diese war für das Instagram-Medium "Die Chefredaktion" bei der Blockade im Einsatz. Die Polizei betonte, dass sie formell nicht festgenommen, sondern angehalten wurde. Presseausweis hatte sie keinen mit. Als sich bei der Anhaltung herausstellte, dass sie Journalistin ist, wurde die junge Frau unverzüglich entlassen, hieß es von der Pressestelle der Polizei.

Teil einer Aktionswoche

Die Aktivisten blockierten bereits den vierten Tag in Folge wichtige Straßen in Wien und machten damit "ihrer Verzweiflung über das völlige Versagen der Bundesregierung beim Klima- und Zukunftsschutz Luft", betonten sie in einer Aussendung. Sie fordern unter anderem Tempo 100 auf Autobahnen. Am Dienstag gab es eine Blockadeaktion beim Praterstern. Rund 50 renommierte Wissenschafter solidarisierten sich mit den Aktivisten und stellten sich hinter die Anliegen der Letzten Generation. Am Mittwoch wurde der Verkehr auf dem Gürtel beim Westbahnhof gestoppt. Ein aggressiver Verkehrsteilnehmer griff dabei die auf dem Boden sitzenden Aktivisten an und zog sie von der Straße. Die Polizei erstattete Anzeige gegen unbekannt.

Indes betonte Tirols Landehauptmann Anton Mattle (ÖVP) in einem APA-Interview, härtere Strafen für Klimakleber seien "zu diskutieren". Wenn Einsatzorganisationen wegen der Blockaden nicht mehr die Chance hätten, zu Notfällen zu kommen, sei er "durchaus für einen scharfen Weg". Damit folgt er dem Vorstoß der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die härtere Strafen nach deutschem Vorbild gefordert hat.

Grüne Jugend attackiert Plakolm

Die erst am vergangenen Wochenende neu gekürte Spitze der Grünen Jugend hat indes am Donnerstag Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) attackiert. Zum Anlass nahmen die Bundessprecherinnen Leah Birnbaumer und Rosa Novy Plakolms explizite Kritik an Klimaaktivisten. "Klimachaos" verursache vielmehr die ÖVP, "die seit Jahrzehnten jeden effektiven Klimaschutz blockiert und uns mit Vollgas in den Klimakollaps führt", monierten die beiden.

Plakolm hatte in einem APA-Interview und in der "ZiB 2" scharfe Kritik an den Störaktionen der Letzten Generation geübt. Dieses Verhalten gefährde die öffentliche Sicherheit. Viele Menschen, denen bewusst sei, wie wichtig Maßnahmen für den Klimaschutz sind, würden sich durch solche Aktionen von der Klimabewegung abwenden.

Das stößt der Grünen Jugend sauer auf: "Statt die Proteste von vielen jungen Menschen, die völlig berechtigterweise besorgt um ihre Zukunft sind, zu kriminalisieren, sollte sich die Jugendstaatssekretärin lieber einmal für ein Ende der ständigen Blockadehaltung der eigenen Partei einsetzen", sagte Birnbaumer. Die Folgen der Klimakrise seien für alle "immer deutlicher" zu spüren. Auf dem Bundeskongress am Wochenende hatte sich die Grüne Jugend unter dem Motto "Höchste Zeit! Für radikalen Klimaschutz" intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.

Gewessler versteht beide Seiten

Differenzierter sieht Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) den Streit. Auf die Frage, auf welcher Seite sie stehe, meinte sie am Rande einer Pressekonferenz am Donnerstag: "Ich stehe auf der Seite des Klimaschutzes." Sie teile das Anliegen, dass Klimaschutz überlebensnotwendig ist. Beim Vorgehen der Aktivistinnen und Aktivisten sei die Frage "komplizierter als dafür oder dagegen".

Sie verstehe, dass die Dringlichkeit der Klimakrise und eine mögliche Klimakatastrophe zu Angst und Verzweiflung führen könnten und dass man für seine Anliegen eintrete, so Gewessler. "Ich verstehe aber auch Menschen, die ihren Alltag bewältigen, ihre Kinder in die Schule bringen müssen und sich ärgern, dass sie nicht weiterkommen." Sie selbst habe vor ihrer Zeit in der Regierung "andere Formen des Protests gefunden" und mit Politik, Konzernen und Interessenvertretungen gesprochen.

Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen für das Vorgehen bei Klimaklebeaktionen hält Gewessler für ausreichend. Solange der Protest friedlich sei und niemand zu Schaden komme, sei dies ziviler Ungehorsam. Wo Menschen zu Schaden kämen, müsse es Konsequenzen geben – aber dafür habe man schon entsprechende Gesetze. (APA, red, 12.1.2023)