Im Gastblog betrachtet der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann den Begriff der Geosphäre und die Wurzeln der 2023 gegründeten Geosphere Austria.

1864 verwendete der irische Philologe und Arzt Hugh Doherty in seinem Werk "Organic Philosophy" (Band I: Epicosmology) erstmals das Wort "geosphere" (Geosphäre) für die Erdkruste. Er stützte sich bei der Beschreibung seines Weltbilds auf verschiedene Bereiche ("realms"). Herausgegriffen seien die Atmosphäre ("atmospheric realm") und die Hydrosphäre ("oceanic realm"). Zwischen den einzelnen Bereichen definierte er Übergänge und Wechselwirkungen. So sah er zwischen der Hydro- und Atmosphäre einen eigenen, von Niederschlägen dominierten Bereich: "The pluvial [realm] is one of these, being intermediate between the oceanic and the atmospheric realms" (Doherty, 1864: 290). Die Bereiche Dohertys umhüllen als konzentrische Schalen die Erdkugel, was den Namen Sphäre ("sphere") rechtfertigt.

Rund zehn Jahre später griff der 1831 in London geborene und in Wien lebende Geologe Professor Eduard Suess ebenfalls das Bild der Sphären auf. "So wie man gelernt hat, die Sonne in eine Anzahl concentrischer Hüllen zu zerlegen, kann man wohl auch die Erde in Hüllen theilen, deren jede allerdings in vielfacher Verbindung mit der nächstfolgenden steht." (Suess, 1875). Weiter mit Suess: "Die erste ist die Atmosphäre, die zweite die Hydrosphäre, die dritte die Lithosphäre." Das Werk Dohertys dürfte er nicht gekannt haben, zumindest zitierte er ihn nicht.

Wien um 1850: Neue Institutionen per kaiserlichem Handschreiben

Neben der bereits 1365 gegründeten Universität Wien wurden hier ab der Mitte des 19. Jahrhunderts namhafte Institutionen gegründet. Noch vor dem Revolutionsjahr – man schrieb den 14. Mai 1847 – genehmigte, nach einem Antrag Metternichs von 1846, Kaiser Ferdinand I. die Gründung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften mit Schwerpunkten im Bereich der Geistes- und Naturwissenschaften. Am 15. November 1849 erfolgte per Handschreiben ("Ich genehmige die Einrichtung einer geologischen Reichsanstalt ...") des erst 19-jährigen Kaisers Franz Joseph die Gründung der späteren Geologischen Bundesanstalt (GBA). Wilhelm Haidinger (1795 bis 1871) war deren erster Direktor.

Etwas mehr als eineinhalb Jahre später, am 23. Juli 1851, griff der Monarch in Schönbrunn abermals zur Feder: "Ich bewillige die Errichtung einer Centralanstalt für meteorologische und magnetische Beobachtungen ...". Nachmalig als ZAMG, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, bekannt.

Wilhelm Haidinger und Karl Kreil waren die ersten Direktoren der Geologen beziehungsweise der Meteorologen.
Foto: Gemeinfrei

War der Gründungsakt der Geologischen Bundesanstalt nicht länger als ein Absatz, der Angaben über das Budget – 10.000 Gulden für die Errichtung und 25.000 für den jährlichen Betrieb – enthielt, war das zweiseitige Schreiben für die Meteorologen wesentlich ausführlicher. Nicht nur der Name des ersten Direktors, Karl Kreil (1798 bis 1862), sondern auch dessen Gehalt – 2.000 Gulden – samt Adjunkt namens Karl Fritsch – 800 Gulden Jahresgehalt – wurden vom Kaiser handschriftlich festgehalten, ebenso wie ein weiterer Bonus: Der Direktor der Anstalt hatte den "Rang und Charakter eines ordentlichen Professors der Physik" an der Universität Wien. Kreil und Haidinger, die Männer der ersten Stunde, gehörten auch zu den 40 Gründungsmitgliedern der Akademie der Wissenschaften. Damit gab es in Wien für Atmo- und Lithosphäre fixe Adressen, klare Kompetenzen und Zuständigkeiten.

Kreil und Haidinger: Ihrer Zeit weit voraus

Die 1847 gegründete Akademie der Wissenschaften hatte ihren ersten Sitz im Polytechnikum, der heutigen TU Wien, am Karlsplatz.
Foto: Geosphere Austria

Die Adressen der Geologischen Bundesanstalt befanden sich stets in Wien-Landstraße. Zunächst war man am Heumarkt 1 (heute: Münze Österreich), wo Haidinger das montanistische Museum geleitet hatte, ab 1851 bezogen die Geologen das noble Palais Rasumofsky, ehe 2005 die Übersiedlung in die Neulinggasse 38 erfolgte. Anders die Meteorologen, die am 5. Juni 1852 in der Favoritenstraße gegenüber dem Theresianum in Wien-Wieden ihre Tätigkeit begannen, ehe sie 1872 in das von Heinrich Ferstl errichtete Gebäude in Wien-Döbling (Hohe Warte 38) übersiedelten.

Das Palais Rasumofsky in Wien Landstraße war die Adresse der Geologen von 1851 bis 2005.
Foto: Geosphere Austria
Im Jahr 1872 bezogen die Meteorologen den von Heinrich Ferstl errichteten Bau auf der Hohen Warte 38 in Wien Döbling.
Foto: Geosphere Austria

Kreil wie auch Haidinger waren mit ihren Arbeiten noch vor den Gründungen ihrer Institutionen ihrer Zeit voraus. Am 30. Mai 1848 betonte Kreil vor den Mitgliedern der Akademie, dass meteorologische Observatorien in den österreichischen Staaten zu errichten seien. 1849 ging es Schlag auf Schlag: Am 18. Jänner wurde eine Kommission zur Leitung des meteorologischen Beobachtungssystems im österreichischen Kaiserstaat eingesetzt.

Am 15. März 1849 entschied man sich für Wien, Olmütz, Brünn, Graz, Laibach, Triest und Gloggnitz als Beobachtungsorte. Wien fasste man für die Errichtung einer "Centralstation" ins Auge. Für Letztere gab es bald eine To-do-Liste mit 22 Punkten. Sie umfassten "Messungen des Luftdrucks, der Temperatur, der Regenmenge, Erdbeben, "Luftelectricität" bis hin zur Dokumentation der Beobachtungen. Am 7. August 1849 war es in der "Wiener Zeitung" unter dem Titel "Meteorologisches Beobachtungssystem der öster. Monarchie" nachzulesen.

Die damalige Herausforderung war die Bereitstellung von Messinstrumenten. Personell war die Sache einfacher, denn die "Leistungen der Beobachter sind durchaus freiwillige, es findet kein Zwang und auch keine Remuneration statt". Anders gesagt: Citizen-Science der ersten Stunde. 1850 hatte Kreil einen umfassenden Entwurf eines "meteorologischen Beobachtungssystems für die österreichische Monarchie" vorgelegt. Als am 23. Juli 1851 die formale Gründung erfolgte, waren die wissenschaftlichen Wege schon vorgezeichnet.

Von der systematischen Erforschung zu den Observatorien

Kein Wunder, dass Kreil als Vater der systematischen Erforschung im Bereich der Meteorologie und Magnetik gilt. Haidinger war es auf dem Gebiet der Geologie. Er hatte, basierend auf bestehenden Karten- und Archivunterlagen, bereits 1845 eine "Geognostische Uibersichtskarte [sic!] der Oesterreichischen Monarchie" im Maßstab 1:864.000 in neun Blättern herausgegeben. Er selbst sah im "Programm" der geologischen Reichsanstalt vom 12. Jänner 1850 deren Zweck "durch Anwendung der Wissenschaft die Praxis erleichtern, mit der Kraft der Praxis die Wissenschaft fördern". Große Bedeutung maß er dem Jahrbuch der Anstalt bei, wobei er hier thematisch über den Tellerrand hinausblickte. Inhaltlich sah er hier Platz für "Naturwissenschaftliche Mittheilungen aus jenen Zweigen, die sich auf die Geologie, vorzüglich die des Kaiserreiches, beziehen, Geographie, Meteorologie, Physik, Chemie, Mineralogie, Paläontologie".

Salzburger Sonnblick

Als 1879 beim zweiten Weltkongress der Meteorologen in Rom der Forschungsfokus auf die höheren Luftschichten gelegt wurde, galt es hoch gelegene Messstationen zu suchen und zu errichten. Auch Julius Hann (1839 bis 1921), damaliger Direktor der Meteorologen auf der Hohen Warte in Wien, wurde aktiv. Doch ohne den Leiter des Bergbaus am Sonnblick, Ignaz Rojacher (1844 bis 1891), der die nötige Infrastruktur wie Seilbahn etc. geschaffen und die Meteorologen von Beginn an unterstützt hatte, wäre das nichts geworden. Dank seiner Hilfe entstand 1886 auf dem Gipfel des Hohen Sonnblicks (3.106 Meter) das ganzjährig besetzte Sonnblick Observatorium.

Seit 1886 werden auf dem Gipfel des Hohen Sonnblicks (3.106 Meter) im ganzjährig besetzten Sonnblick-Observatorium Messungen durchgeführt.
Foto: AKON / onb.ac.at

Heute ist das international renommierte Sonnblick-Oberservatorium, wo auch Forschungen über die Entstehung von Wolken gemacht werden, einer der acht personell besetzten Standorte der Geosphere Austria.

Trafelberg in Niederösterreich

Ein weiterer Standort neben den Kundenservicestellen in Salzburg, Graz, Innsbruck und Klagenfurt ist das COBS, ein Akronym für das 2002 eröffnete Conrad-Observatorium in den Gutensteiner Alpen in Niederöstereich. Benannt ist es nach dem Geophysiker Victor Conrad (1876 bis 1962). Als Jude wurde er diskriminiert und verfolgt und 1936 in den Ruhestand versetzt, ehe er 1939 in die USA fliehen konnte. Seine Frau Ida verstarb 1969 und hinterließ ein wohldotiertes Legat, verbunden mit dem Wunsch, ein Bauwerk für geophysikalische und meteorologische Forschungen zu errichten, das den Namen Victor Conrad trägt. Gesagt, getan. Am 23. Mai 2002, 40 Jahre nach Conrads Tod, wurde der erste Teil der Forschungsstätte, das seismisch-gravimetrische Observatorium (SGO) eröffnet, am 21. Mai 2014 folgte das magnetische Observatorium (GMO).

Eingang zum seismisch-gravimetrischen Teil des Conrad-Observatoriums.
Foto: Geosphere Austria/Leonhardt

Das COBS besteht aus zwei Tunneln, einem 145 Meter langen für das SGO und einem ein Kilometer langen für das GMO. 1,2 Millionen der Bausumme von 2,3 Millionen Euro kamen von der Conrad-Stiftung. Die Kombination von Seismik, Magnetik und Gravimetrie an einem Ort ist einzigartig und spielt alle Stücke. So konnten die hochempfindlichen Geräte auch einen Kernwaffentest im fernen Korea am 3. September 2017 nachweisen. Freilich dauerte es knapp zwölf Minuten, ehe die seismische Welle in Niederösterreich ankam.

Die Etablierung der Geosphere Austria ist Teil des Regierungsprogramms 2020 bis 2024. Hier heißt es auf Seite 216: "Schaffung eines neuen nationalen Zentrums für Klimaforschung und Daseinsvorsorge (als Anstalt öffentlichen Rechts) durch die Zusammenführung der Geologischen Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)". (Thomas Hofmann, 16.1.2023).