Die Illustration zeigt den Exoplaneten LHS 475 b und den Stern, den er innerhalb von nur zwei Tagen umkreist – ein Sprinter im Vergleich zu den Planeten unseres Sonnensystems.
Bild: NASA, ESA, CSA, L. Hustak (STScI)

Als das James-Webb-Weltraumteleskop geplant und gebaut wurde, wurde die Zeit der Exoplanetenforschung gerade erst eingeläutet: 1995 entdeckte man den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, im Folgejahr begann die Planung des heute bahnbrechenden Teleskops. Die Entdeckung und Bestätigung von Exoplaneten – auf denen potenziell fernes Leben existieren könnte – stand für das Webb-Team damals nicht allzu sehr im Vordergrund. Doch mit den Geräten für den nahen Infrarotbereich ist das Webb-Teleskop bestens für diese Analysen geeignet. Es ist aktuell das einzige Teleskop in Betrieb, das die Atmosphäre von Exoplaneten in ungefährer Erdgröße charakterisieren kann.

Jetzt konnte mithilfe des neuen "Weltraumauges" erstmals ein Exoplanet bestätigt werden, wie die beteiligten Weltraumbehörden Europas und der USA, Esa und Nasa, berichten. LHS 475 b heißt der ferne Planet, der im Durchmesser nur um ein Prozent kleiner ist als die Erde. Zuvor wurde das Ziel vom Nasa-Satelliten Tess erspäht, der kürzlich auch einen ganz neuen Exoplaneten in der habitablen Zone entdeckte (DER STANDARD berichtete).

Die Messungen des NIRSpec-Instruments am Webb-Teleskop im August 2022 zeigen, dass ein Planet einen Teil des Sternenlichts blockierte – ein Nachweis dafür, dass LHS 475 b um diesen Stern kreist.
Bild: NASA, ESA, CSA, L. Hustak (STScI), K. Stevenson, J. Lustig-Yaeger, E. May (Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory), G. Fu (Johns Hopkins University), and S. Moran (University of Arizona)

Das Forschungsteam um Kevin Stevenson und Jacob Lustig-Yaeger von der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität im Bundesstaat Maryland hatte sich erfolgreich um eine Analyse dieses möglichen Exoplaneten durch das Webb-Teleskop beworben. Nur zwei Passagen des Planets vor dem Stern, den er umkreist, brachten detaillierte und aufschlussreiche Daten. "Es steht außer Frage, dass der Planet da ist. Die makellosen Daten von Webb bestätigen dies", sagt Lustig-Yaeger.

Felsig, heiß und relativ nah

Demnach handle es sich um einen kleinen, felsigen Planeten. LHS 475 b befindet sich in 41 Lichtjahren Entfernung zur Erde, in Richtung des Sternbilds Oktant. In nur zwei Tagen umkreist er seinen Stern, einen Roten Zwerg mit entsprechend relativ schwacher Leuchtkraft, der nur halb so heiß ist wie unsere Sonne. Daher könnte der Exoplanet eine Atmosphäre besitzen, obwohl er dem Stern viel näher ist, als es die Planeten unseres Sonnensystems im Verhältnis zu unserem zentralen Stern sind.

Der Exoplanet (auch hier in einer Illustration, basierend auf den neuen Webb-Beobachtungen) befindet sich nur 41 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Bild: NASA, ESA, CSA, L. Hustak (STScI)

Wie das Forschungsteam mithilfe des Webb-Teleskops ebenfalls feststellte, ist der Planet um einige Hundert Grad wärmer als die Erde. Wenn künftig Wolken entdeckt werden, könnte er also der Venus ähneln: Der zweite Planet unseres Sonnensystems – von der Sonne aus gesehen – ist von dicken Wolken umhüllt und hat eine CO2-lastige Atmosphäre.

Mysteriöse Atmosphäre

Doch gerade die Atmosphäre des Exoplaneten gibt noch einige Rätsel auf – trotz der bestechenden Daten des Webb-Teleskops. So bleibt unklar, ob er überhaupt eine Art Atmosphäre besitzt. "Das Teleskop ist so empfindlich, dass es problemlos eine Reihe von Molekülen nachweisen kann, aber wir können noch keine endgültigen Schlüsse über die Atmosphäre des Planeten ziehen", sagt Erin May von der Johns-Hopkins-Universität. Einige Bestandteile können jedoch zumindest ausgeschlossen werden, entnimmt Lustig-Yaeger den Daten: "Er kann keine dichte, von Methan dominierte Atmosphäre haben wie die des Saturnmondes Titan."

Die weißen Datenpunkte in der Grafik deuten darauf hin, dass kein bestimmtes Atmosphärenelement oder -molekül um den Exoplaneten nachgewiesen wurde. Am besten passt der gerade verlaufende gelbe Graph eines Planeten ohne Atmosphäre, die grüne und die pinke Linie zeigen jeweils den Verlauf bei Atmosphären an, die lediglich aus Methan beziehungsweise CO2 bestehen.
Bild: NASA, ESA, CSA, L. Hustak (STScI), K. Stevenson, J. Lustig-Yaeger, E. May (Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory), G. Fu (Johns Hopkins University), and S. Moran (University of Arizona)

Die Analyse zeigt, dass der Planet womöglich gar keine Atmosphäre, wie sie von felsigen Planeten bekannt ist, aufweist. Eine lediglich aus Kohlenstoffdioxid – CO2 – bestehende Atmosphäre kann etwa nicht ausgeschlossen werden, sagt der Astrophysiker: "Es wirkt wie ein Widerspruch, aber eine zu 100 Prozent aus Kohlendioxid bestehende Atmosphäre ist so viel kompakter, dass es sehr schwierig ist, sie nachzuweisen."

Um eine reine Kohlendioxidatmosphäre von einer Atmosphäre ohne Kohlendioxid zu unterscheiden, sind noch genauere Messungen erforderlich. Man habe "gerade erst begonnen, an der Oberfläche zu kratzen", wie die Atmosphären von kleinen, felsigen Exoplaneten aussehen könnten, betont Lustig-Yaeger. Exoplaneten seien "die neue Grenze" in der Astrophysik.

Großes Entdeckungspotenzial

Auf Webbs Potenzial in der Exoplanetenforschung wies auch Esa-Wissenschaftsdirektor Günther Hasinger hin: "Wir erwarten, dass das Entdeckungspotenzial mit Webb bei dieser Anwendung ungefähr 10.000-mal größer sein wird als mit Hubble." Schon bei der Veröffentlichung der ersten Bilder und Daten des Weltraumteleskops im Juli wurden Daten zum Gasriesen Wasp-96 b publik, der 2014 entdeckt wurde und – wie nun deutlich wurde – wasserhaltige Wolken besitzt. Auch österreichische Forschende waren an einer weiteren Entdeckung und ihrer Erklärung beteiligt, die Webb ermöglichte: Im November wurde bekannt, dass bei einem anderen Gasriesen, Wasp-39 b, Schwefeldioxid nachgewiesen wurde.

Die detaillierten Informationen zum erdähnlich großen und felsigen LHS 475 b in nur kurzer Zeit und die rasche Bestätigung des Exoplaneten demonstrieren aber bereits die Präzision, mit der das Webb-Teleskop am Werk ist. Im Sommer sollen weitere Messungen und zusätzliche Spektren erstellt werden, um die offenen Fragen vielleicht beantworten zu können. (sic, 12.1.2023)