Das Sojus-Raumschiff MS-22 hat ein Kühlmittelleck, deshalb soll im Februar Ersatz zur ISS geschickt werden.

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Am 14. Dezember kam es an der russischen Sojus-Kapsel MS-22, die an der Internationalen Raumstation (ISS) geparkt ist, zu einem plötzlichen Kühlmittelaustritt. Was die Ursache für den Schaden war, konnte bislang nicht endgültig geklärt werden, Fachleute vermuten jedoch den Einschlag eines Mikrometeoriten. Bereits kurz nach dem Auftreten des Lecks hatte die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos verkündet, man käme wohl nicht darum herum, ein Ersatzraumschiff zur ISS zu schicken, um die Kosmonauten sicher zur Erde zurückzubringen. Am Mittwoch gab Roskosmos nun den Startermin bekannt: Am 20. Februar soll das Sojus-Raumschiff MS-23 ohne Besatzung zur Raumstation fliegen. MS-22 soll dann ebenso ohne Besatzung zur Erde zurückkehren.

Überhitzungsgefahr

Wie Vertreterinnen und Vertreter von Nasa und Roskosmos gegenüber Medien erklärten, sei eine russische Kommission zu dem Schluss gekommen, dass der Kühler des Raumfahrzeugs wegen des verlorenen Kühlmittels nicht mehr in der Lage sei, das Raumfahrzeug allein zu kühlen. Bei der Rückkehr zur Erde könnten die Temperaturen im Inneren des Raumschiffs bei hoher Luftfeuchtigkeit auf über 40 Grad Celsius ansteigen, sagte Sergei Krikalev, Exekutivdirektor für bemannte Raumfahrtprogramme bei Roskosmos. "Das Hauptproblem bei der Landung der aktuellen Sojus mit einer Besatzung wäre die thermische Situation, da wir die Fähigkeit zur Wärmeabfuhr verloren haben", sagte Krikalev. "Die Besatzung könnte bei hoher Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit überhitzen."

Nach dem überarbeiteten Plan wird Sojus MS-23 am 20. Februar ohne Besatzung, aber mit etwas Fracht starten. Nach dem Andocken an die Station wird die Besatzung ein bis zwei Wochen damit verbringen, Ausrüstungsgegenstände, wie beispielsweise maßgeschneiderte Sitzbezüge, von Sojus MS-22 auf MS-23 umzuräumen, während sie in Sojus MS-22 andere Fracht unterbringt, die bei der Rückkehr zur Erde nicht überhitzungsgefährdet ist.

Die Aufnahme vom 15. Dezember 2022 zeigt eine Kühlmittelwolke, die nach dem Auftreten des Lecks aus Sojus MS-22 in den Weltraum austritt.
Foto: APA/AFP/NASA

ISS-Besatzungspläne in Unordnung

Sojus MS-23 sollte ursprünglich im März starten, um die Roskosmos-Kosmonauten Oleg Kononenko und Nikolai Chub sowie die Nasa-Astronautin Loral O'Hara zur Station zu bringen. Nach dem neuen Plan werden jedoch die Kosmonauten Sergej Prokopjew, Dmitri Petelin und Francisco Rubio von der Nasa bis Ende des Jahres auf der ISS bleiben. Es sei noch zu früh, um abzuschätzen, wie lange ihr Aufenthalt auf der ISS über "einige" Monate hinaus verlängert werden wird, sagte Krikalev. "Wann genau wir Ersatz für sie schicken werden, ist noch nicht entschieden", sagte er.

Joel Montalbano, Programmmanager der Nasa für die ISS, erklärte, dass die US-Raumfahrtbehörde ihren Zeitplan für kommende Missionen, einschließlich der Crew-6-Crew-Dragon-Mission, die im Februar starten soll, im Lichte der Änderung der russischen Pläne überprüfen werde. Es werde wohl "einige Wochen" dauern, bis die Agentur entscheiden würde, wie sich der Zeitplan ändern könnte. Darüber hinaus prüfen Nasa und Roskosmos Optionen für den Fall, dass ein Notfall eine Evakuierung der ISS vor der Ankunft von Sojus MS-23 erforderlich machen würde. Dazu könnte gehören, dass ein oder mehrere Sojus-Besatzungsmitglieder anstelle der Fracht mit dem an die ISS angedockten Raumschiff Crew Dragon fliegen. Der Rest könnte mit Sojus MS-22 zurückkehren, wobei das Risiko einer Überhitzung aufgrund der reduzierten Besatzungsstärke geringer wäre.

Dragon-Frachter heimgekehrt

"Space X hat auf diese Anfrage sehr entgegenkommend reagiert", sagte Montalbano über die Studien zur Unterbringung von zusätzlichem Personal auf dem Crew Dragon. "All dies ist nur für den Notfall gedacht, für eine Situation, in der wir die ISS evakuieren müssen. Das ist nicht der nominale Plan."

Am Mittwoch war nach rund sechs Wochen an der ISS ein Dragon-Frachter beladen mit rund zwei Tonnen Materialien für wissenschaftliche Experimente zur Erde zurückgekommen. Der unbemannte Frachter sei im Meer vor der Küste des US-Bundesstaats Florida gelandet, wie die Nasa und das private Raumfahrtunternehmen Space X mitteilten. Dragon hatte am Montag von der ISS abgedockt.

Mikrometeorit statt Weltraummüll

Unterdessen hat eine Untersuchung des Vorfalls im Dezember ergeben, dass das Loch im Kühler höchstwahrscheinlich durch einen winzigen Mikrometeoriten verursacht wurde, der mit etwa sieben Kilometern pro Sekunde auf Sojus MS-22 traf. Bodentests bestätigten diese Hypothese, erklärte Krikalev.

Weltraummüll sei demnach eher nicht verantwortlich dafür gewesen. Die hohe relative Geschwindigkeit des Objektes weise darauf hin, dass es sich nicht in einer stabilen Umlaufbahn befunden hatte. Ein Konstruktionsfehler sei jedenfalls nicht die Ursache für das Loch, so Krikalev. Techniker hätten den Kühler von Sojus MS-23 dennoch vorsichtshalber "doppelt und dreifach überprüft".

Keine Reparatur im Orbit

Den Versuch, Sojus MS-22 in der Umlaufbahn zu reparieren, schloss man aus. Die Sojus befinde sich nicht an einem Ort, den Kosmonauten bei einem Weltraumspaziergang leicht erreichen könnten, so Krikalev. Kühlflüssigkeit nachzufüllen und das Loch zu schließen wäre für Weltraumspaziergänger schwierig und riskant. "Es ist viel risikoärmer, einfach das Fahrzeug auszutauschen."

Krikalev und Montalbano erklärten, sie stünden in regelmäßigem Kontakt mit der ISS-Besatzung, um sie über den Stand und die Ergebnisse der Untersuchung zu informieren. Prokopjew, Petelin und Rubio seien bei guter Gesundheit und könnten einen längeren Aufenthalt verkraften. "Vielleicht muss ich zur Belohnung noch etwas Eiscreme einfliegen", sagte Montalbano. (red, 12.1.2023)