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Ältere Fachkräfte sollen die Personalnot lindern: In einer Arbeitsgruppe begibt sich die Regierung auf die Suche nach Anreizen, länger zu arbeiten. Doch bereits die erste Maßnahme, die fix ist, regt auf.

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Es ist der Aufreger der Regierungsklausur: Empört reagierte der Gewerkschaftsbund (ÖGB) auf den Plan, die geblockte Altersteilzeit abzuschaffen. Was die Koalition als Maßnahme gegen den Arbeitskräftemangel verkauft, sei ein "Anschlag" auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Worum es geht: Die geförderte Altersteilzeit soll Beschäftigten die Möglichkeit eines gleitenden Übergangs in die Pension bieten. Wer nur noch fünf Jahre vor dem Regelpensionsalter steht (Männer 65, Frauen derzeit noch 60 Jahre), kann die Arbeitszeit um 40 bis 60 Prozent verringern. Der Lohnverlust wird zur Hälfte ausgeglichen. Sofern der oder die Betroffene kontinuierlich, nur eben zu reduzierter Stundenanzahl weiterarbeitet, übernimmt der Staat 90 Prozent dieser Kosten.

Ein Dorn im Auge ist Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) aber die geblockte Variante: Da kann ein Werktätiger zum Beispiel eineinhalb Jahre Vollzeit arbeiten, um dann ebenso lang am Stück freizuhaben. Wieder beträgt der Lohnausgleich 50 Prozent, doch der Staat schießt nur die Hälfte davon zu.

Fit oder angeschlagen?

Nicht mehr zeitgemäß sei dieses Angebot, argumentiert Kocher: Da würden Menschen zum Ausstieg aus dem Berufsleben motiviert, die noch weiterarbeiten könnten.

Ingrid Reischl hingegen erzählt von einer ganz anderen Realität. Gerade für psychisch und physisch angeschlagene Beschäftigte sei die geblockte Teilzeit eine wichtige Stütze, um noch ein, zwei Jahre durchzuhalten, sagt die leitende Sekretärin des sozialdemokratisch dominierten ÖGB. Die Abschaffung werde Betroffene in die Invaliditätspension treiben – oder, weil diese immer seltener genehmigt werde, in die Arbeitslosigkeit. "Menschen werden so aus dem Arbeitsmarkt gedrängt", prophezeit Reischl: "Das ist das Gegenteil von dem, was die Regierung zu wollen vorgibt."

Aber bleibt mit der kontinuierlichen Altersteilzeit, bei der Beschäftigte die fünf Jahre bis zur Pension zum Beispiel 20 statt 38,5 Stunden pro Woche weiterarbeiten können, nicht ohnehin eine taugliche Alternative bestehen? Für Schichtarbeiter sei es oft organisatorisch unmöglich, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren, wendet Reischl ein. Außerdem sei es gerade die Perspektive auf ein absehbares Ende, die gesundheitlich angeknackste Menschen noch einmal Kraft für die letzten Jahre schöpfen lasse.

Umstrittene Logik

Helmut Hofer erschließt sich diese Logik nicht. Wenn jemand nicht mehr ganz fit ist, dann sei es umso weniger plausibel, dass diese Person erst recht wieder Vollzeit weiterarbeitet, sagt der Experte vom Institut für Höhere Studien (IHS). Es sei sinnvoll, dass die klassische Altersteilzeit Älteren die Möglichkeit biete, ihre Belastung hinunterzuschrauben. Doch die Blockvariante verfehle den Sinn und sei nichts anderes als eine Form der Frühpension, die den Staat im Vorjahr 96 Millionen Euro kostete.

Viele hätten diesen Weg nicht deshalb gewählt, weil sich nicht mehr könnten, sondern weil sie nicht mehr wollten, glaubt Hofer. Ohne die Blockvariante könnten den Unternehmen folglich tatsächlich einige Kräfte mehr erhalten bleiben: "Aber einen besonders großen Effekt erwarte ich nicht."

Doch was, wenn die ehemaligen Blocker allesamt in die gewöhnliche Altersteilzeit wechseln? Dann würde sich die Arbeitszeit ja nur anders verteilen, aber nicht erhöhen. Selbst in dem Fall würden Unternehmen profitieren, weil die älteren Mitarbeiter über mehr Jahre ihr Know-how weitergeben und Nachfolger einschulen könnten, glaubt Markus Koza. Der grüne Sozialsprecher erhofft sich davon auch Druck auf die Arbeitgeber, endlich mehr altersgerechte Arbeitsplätze zu reduzierter Stundenzahl anzubieten.

Ein kleines Rädchen

Für viel wichtiger zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels hält Koza aber den Ausbau des Bildungsbonus (siehe unten), die Reform der Altersteilzeit – ein ÖVP-Wunsch – qualifiziert er hingegen als "kleines Rädchen". Die Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigen: Im Vorjahr nahmen von durchschnittlich rund 36.000 Menschen in Altersteilzeit gerade einmal knapp 8500 die Blockvariante in Anspruch. Nach einem Anstieg bis 2019 weist der Trend seither wieder nach unten.

Abrupt verschwinden wird das Angebot nicht. Ab 2024 soll die Schwelle zum Antritt pro Jahr um sechs Monate steigen. Und niemand solle so tun, als ob die Regierung dabei jemandem ein unumstößliches Recht wegnehme, fügt Koza an, denn: Die geförderte Altersteilzeit kommt nur zustande, wenn auch der Arbeitgeber zustimmt.

Das ändere nichts daran, dass es zu Recht großen Ärger gebe, hält ÖBG-Vertreterin Reischl entgegen. Viele hätten mit ihren Arbeitgebern bereits Vereinbarungen getroffen und sähen nun ihre Lebensplanung zerbröckeln: "Wir werden mit Bitten um Unterstützung zugemailt."
(Gerald John, 13.1.2023)