Satiriker Peter Klien dreht im ORF wieder seine Runden auf Parteitagen und anderen Veranstaltungen.

Foto: ORF/Hans Leitner

Wien – Am Freitag, 13. Jänner, heißt es um 23.10 Uhr in ORF 1 wieder: "Sie werden lachen, es wird ernst." Peter Klien taucht wieder in die Niederungen der Politik ab, um sie seinem Publikum als satirische Höhepunkte zu präsentieren. Ein Jahr nach dem Neustart von "Gute Nacht Österreich" ist die Sendung gut angekommen, bilanziert Klien. Wichtig ist ihm Äquidistanz zu allen Parteien. Nach dem Motto: "Wir behandeln alle gleich, nämlich gleich schlecht."

STANDARD: Sie waren jetzt bei der Regierungsklausur vor Ort, was am Freitag zu sehen ist. Ist das der Anspruch an die Sendung, so aktuell wie möglich zu sein?

Klien: An sich schon, weil sich die Sendung als Rückblick auf die Woche versteht. Wir wollen da nicht nur über Samstag und Sonntag sprechen, sondern auch etwas über Mittwoch und Donnerstag erfahren, wenn am Freitag gesendet wird.

STANDARD: Am Montag war ja der Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich. Waren Sie dort?

Klien: Nein, mit den Reportagen gehe ich nur einmal in der Woche raus. Das ist eh genug, das muss vorbereitet sein, gefilmt und geschnitten werden. Da sind schnell einmal drei Tage weg. Aber natürlich habe ich den Livestream der Veranstaltung mitverfolgt.

STANDARD: War es interessant?

Klien: Es war sehr interessant. Wie hat sie immer gesagt? In ihrer Rede hat die Hanni (Johanna Mikl-Leitner, Anm.) berührend und aufrüttelnd gesprochen und immer das Gleiche gesagt: Es steht viel auf dem Spiel. Sehr lustig. Das Hochamt der ÖVP, das sie da runtergelesen hat. Über das gilt es dann in der Sendung zu reden.

STANDARD: Wäre das was für Sie? Parteiveranstaltungen moderieren?

Klien: Veranstaltungen gerne, Parteiveranstaltungen sicher nicht. Ich gehe nur zum eigenen Vergnügen hin und für die eigene Sendung. Nur nicht privat oder in einem anderen professionellen Kontext anstreifen, das ist mein Motto.

STANDARD: Äquidistanz zu allen Parteien als Devise?

Klien: Unbedingt. In Österreich ist es schon einmal schwierig, die Menschen nicht zu kennen. Trotzdem gilt es, möglichst wenig privaten Kontakt zu haben, weil das vereinnahmt und eine gewisse Beißhemmung ergibt. Die möchte ich vermeiden.

STANDARD: Sind Sie mit keiner Politikerin und keinem Politiker per Du?

Klien: Das kann ich nicht ganz ausschließen, aber fast mit keinem. Da ist es mir wichtig, nicht per Du zu sein. Grundsätzlich kann man aber auch Distanz wahren, wenn man sich duzt. Das Du-Wort ist in Österreich halt allgegenwärtig, und man kann sich nicht immer und bei jeder Gelegenheit entziehen – etwa im Kabarettbereich oder im Journalismus sitzt es sehr locker. Im Kabarett kannst du nicht auf die Bühne gehen und mit den Technikern vor Ort per Sie sein, die werden dich absichtlich in ein schlechtes Licht rücken.

STANDARD: Ist das auch die Anforderung des ORF an Sie, dass alle Parteien ihr Fett abbekommen und dass es nicht zu einseitig wird?

Klien: Das ist nicht die Vorgabe des ORF, aber der ORF ist sehr froh darüber, dass es mein Ziel ist, wirklich alle mit Äquidistanz zu behandeln. Ich sage immer: Wir behandeln alle gleich, nämlich gleich schlecht. Mein Job ist es, die Schwächen aufzudecken. Dort den Finger hinzulegen, wo etwas fehlt. Es sind eh alle anderen in der Politik ständig darum bemüht, zu erzählen, wie toll alles ist.

STANDARD: Gibt es häufig Kritik, wenn Sie Politikerinnen und Politiker durch den Kakao ziehen?

Klien: Tatsächlich nicht, das traut sich dann wieder keiner. Ich bin sicher, dass nicht immer alles Wohlwollen erregt. Vielleicht ärgern sie sich, wenn die eigene Partei kritisch beäugt wird, freuen sich aber dann wieder, wenn die anderen Parteien durch den Kakao gezogen werden. So ergibt das eine gute Balance, die von allen respektiert wird. Nein, es dringt nichts zu mir vor. Entweder wird es in der ORF-Chefetage rausgefiltert, aber ich denke, dass es tatsächlich nicht so viele Reaktionen gibt.

STANDARD: Als es vor rund zwei Jahren Spekulationen gab, dass Ihre Sendung eingestellt wird, gab es breite Unterstützung von Politikerinnen und Politikern unterschiedlicher Parteien, die sich für Sie ins Zeug geworfen habe. Ist das eine Ehre, oder hat es Ihnen eher zu denken gegeben?

Klien: Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich schon darüber gefreut habe. Ohne mich jetzt von Parteien vereinnahmen lassen zu wollen, war ich dankbar für Unterstützung auf politischer Ebene, weil ich der Meinung bin, dass es über alle Parteien hinweg einen Konsens geben sollte, dass politische Satire beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut untergebracht und wichtig ist.

STANDARD: Gibt es in der Zwischenzeit Politikerinnen und Politiker, die Ihnen nicht nur aus dem Weg gehen, was aufgrund Ihrer Penetranz schwer genug ist, sondern sich gar nicht mehr von Ihnen interviewen lassen?

Klien: Na ja, es gibt immer noch die Möglichkeit, mich abdrängen zu lassen. Das war früher Mode in der ÖVP, derzeit ist es Mode in der FPÖ. Der Herr Kickl geht mir aus dem Weg und will mich vielleicht aus dem Weg schaffen, wie ich es am FPÖ-Parteitag erlebt habe, wo ich nur vor der Tür gestanden bin. Das war bis jetzt der einzige Parteitag, für den ich keine Akkreditierung bekommen habe, sonst war ich bei der ÖVP, den Grünen, der SPÖ und bei den Neos. Nur die Blauen lassen mich nicht hinein. Dann bin ich vor der Tür gestanden, selbst da hat der Herr Kickl darauf geschaut, dass mich ein paar Bodyguards zur Seite schieben, damit ich ihm nicht zu nahe kommen kann.

Peter Klien

STANDARD: Mit welcher Begründung wurde Ihnen damals die Akkreditierung verweigert?

Klien: Das habe ich eh im Beitrag thematisiert und in der Anfangsmoderation vorgelesen. Die FPÖ hat geschrieben, dass es sich um einen Bundesparteitag handle und sie ausschließlich Nachrichtenformate akkreditieren würden. Vielen Dank für Ihr Interesse. Ich bin dann mit dem Ausdruck des Mails hingefahren, habe das vorgelesen und gesagt: Ich freue mich, dass ich reinkommen kann, weil wir ja ein satirisches Nachrichtenformat sind. Das ist nicht durchgegangen.

STANDARD: Welcher Interviewpartner war bis jetzt der Schwierigste?

Klien: Die Schwierigsten sind jene, die glauben, dass sie lustig sind, aber sehr langweilig bleiben.

STANDARD: Wer ist das?

Klien: Sie werden nicht von mir erwarten, dass ich Namen nenne (lacht). Das kann ich leider nicht machen, aber das ist tatsächlich das Schwierigste. Wenn jemand nicht mit mir reden möchte, gibt es Potenzial für Konflikt, und Konflikt ist vor der Kamera immer interessant. Wenn jemand mit dem Schmäh umgehen kann und auf eine lustige, intelligente Art mitspielt, dann ist das fürs Publikum unterhaltsam. Sonst nicht.

STANDARD: Beim Innenminister Karner hat man das Gefühl, er ist Ihnen gegenüber ein bisschen wortkarg und distanziert. Wird er noch auftauen?

Klien: Der Herr Karner hat es, nachdem ich ihn dreimal versucht habe für ein Interview zu gewinnen, gut auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat: Machen wir es so wie immer, Herr Klien. Sie fragen etwas, und ich antworte nicht. Dann habe ich ihn gefragt, er hat gelächelt, und ich habe mich bedankt, dass er nichts gesagt hat. Er hat dann gelacht. Das könnte eine schöne Zukunft für uns geben.

STANDARD: Wen interviewen Sie am liebsten? Man hat zum Beispiel das Gefühl, dass Sie Kanzler Nehammer mit offenen Armen empfängt.

Klien: Ja, man hat das Gefühl, dass er einen gewissen sportlichen Ehrgeiz entwickelt, was für mich eine schöne Abwechslung ist gegenüber seinem Vorvorgänger, der mir nur aus dem Weg gegangen ist. Aber es ist nicht so, dass ich einen Lieblingsinterviewpartner habe. Mir sind alle Opfer gleich lieb. Ich freue mich über alles, was sich ergibt. Ob ich sie zum ersten Mal treffe oder zum zehnten Mal.

STANDARD: Vermissen Sie aus satirischer Sicht manche Politiker wie Kurz, Strache oder Laura Sachslehner, die sich von der Bundespolitik verabschiedet hat?

Klien: Ja, die haben aus satirischer Sicht natürlich ein großes Potenzial. Da könnte man traurig sein, aber umgekehrt aus Staatsbürgersicht muss ich sagen: Es ist nicht so, dass ich in erster Linie den Applaus haben möchte und in einem kaputten Land leben will. Deswegen bin ich als Satiriker auch Staatsbürger, und aus dieser Sicht habe ich nichts dagegen, wenn es nur langweilige Sachpolitik gibt. Für Satire gibt es unabhängig davon genug Ziele. Ich habe nichts dagegen, wenn einfach ein paar Jahre gearbeitet wird. Und nicht ein Feuerwerk nach dem anderen zündet und ein Stern nach dem anderen verglüht. Das muss auch nicht sein.

STANDARD: Das heißt, Sie sehnen nicht den nächsten Politikskandal herbei?

Klien: Ich glaube, der wird sowieso kommen. Es werden noch ein paar Chats auftauchen, die Sprengkraft haben. Wir haben genug in den Schreibtischladen liegen, was uns in den nächsten Monaten beschäftigen wird. Es muss nicht mehr viel dazukommen. Ich brauche es nicht unbedingt.

STANDARD: Die Medienbranche gibt ja auch einiges her.

Klien: Unentwegt – oder die kleineren Sachen wie Landtagswahlen, die werfen auch schon ihre goldenen Schatten voraus. Österreich ist ein unglaublich faszinierendes Gebilde. Mit der Struktur der Bundesländer, die wichtig sind, aus historischer Sicht und für die Identität der Menschen. Da denkt man sich zunächst, es ist reine Geldverschwendung, sich die Bundesländer zu leisten, aber zugleich gibt es diese Unterschiede, und es ist faszinierend, die verschiedenen Ecken von Österreich auszuleuchten. Zu merken, wie dieses vertrackte Gebilde, wo vieles so windschief herumsteht, trotzdem irgendwo eine gewisse Balance findet.

STANDARD: "Gute Nacht Österreich" läuft seit einem Jahr auf dem neuen Sendeplatz am Freitag spätabends. Den alten Sendeplatz am Mittwoch parallel zur "ZiB 2" hatten Sie quasi als Selbstmord bezeichnet. Sind Sie jetzt zufrieden und angekommen?

Klien: Ich bin sehr zufrieden. Wir sind genau dort, wo wir hingehören. Übers ganze Jahr gesehen haben wir eine schöne Zuseherbasis gefunden, die verlässlich den Fernseher aufdreht und sich von "Gute Nacht Österreich" retrospektiv durch die Woche begleiten lässt. Es könnte auch 22.30 Uhr sein, aber 23 Uhr ist für ein Late-Night-Format die richtige Uhrzeit. Im Zeitalter des Internets ist es kein Problem, die Sendung am Samstag nachzuschauen. "Gute Nacht Österreich" ist angekommen, sowohl beim Publikum als auch bei sich selbst. Eine Sendung braucht Zeit zum Wachsen, um die Dosis und Frequenz für die richtigen Bestandteile zu finden.

STANDARD: Nach der Neuauflage sind Sie auch inhaltlich schon dort, wo Sie sein wollen?

Klien: Ich bin nicht unzufrieden. Man möchte sich immer neue Ziele stecken und Dinge weiterentwickeln. Manches ist auch limitiert, weil man nicht dieselben budgetären Mittel zur Verfügung hat wie andere Late-Night-Shows, aber ich sehe uns auf einem guten Weg.

STANDARD: Weil Sie die budgetären Mittel erwähnen: Blicken Sie mit Neid nach Deutschland, wo Jan Böhmermann im ZDF zur gleichen Sendezeit wie Sie mit Investigativgeschichten fast jede Woche für Aufregung sorgt?

Klien: Ich bin weit weg von Neid, weil ich einen großen Spaß mit dem habe, was ich selbst mache. Mir bereitet die Investigativarbeit auch viel Freude, das hat man an der Erstausgabe von "Gute Nacht Österreich" gesehen. Umgekehrt ist es so, dass wir jetzt viel höhere Quoten haben als früher. Der ORF wünscht sich eine Sendung, die im linearen genauso funktioniert wie im digitalen Bereich. Ein zu monothematischer Zugang erscheint für das lineare Fernsehen nicht so passend. Da ist eine schnellere Abfolge, ein bunterer Mix erfolgversprechender. Die "Heute Show" hat in Deutschland auch viel mehr TV-Zuseher als Böhmermanns "ZDF Magazin". Das ist wiederum digital sehr stark, wo wir auch zufriedenstellend präsent sind. Deswegen bin ich mit der Sendung, so wie sie sich in der Neuauflage entwickelt hat, durchaus zufrieden.

STANDARD: Weil sie jetzt besser funktioniert als die alte Sendung?

Klien: Die alte Sendung mit dem längeren Investigativteil hat mir aber auch viel Spaß gemacht. Wir haben jetzt ein Thema der Woche, das einen investigativen Anspruch stellt und viel Interesse hervorruft, aber manchmal auch nur neue Aspekte zeigt. Unser Thema der Woche zu Bosnien-Herzegowina ist bis heute sehr nachgefragt, weil sich damit niemand beschäftigt, aber für Europa tatsächlich von großer Bedeutung ist. Oder Taiwan. Wir wollen den Fokus auch auf Dinge legen, die nicht so präsent sind. Wir müssen mit den Mitteln umgehen, die wir haben, ich bin aber der Letzte, der sich beklagen möchte.

STANDARD: Sie haben unter Alexander Wrabetz mit Ihrer Sendung angefangen, jetzt steht Roland Weißmann an der Spitze des ORF. Merken Sie einen Unterschied?

Klien: Nein. Ich habe es erlebt, dass die Nähe zwischen Politik und ORF ein Problem ist. Das liegt in der Natur der Sache, weil die Politik um möglichst viel Einfluss kämpft in einem eminent wichtigen Medium. In den letzten Wochen war das ja auch Gesprächsthema. Stichwort Landesstudio Niederösterreich. Zu meiner konkreten Arbeit muss ich sagen, dass sich nichts verschlechtert hat. Der ORF ist sich dessen bewusst, dass Politsatire zu seinen Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Rundfunk gehört. Wir können frei arbeiten.

STANDARD: Sie hatten in Ihrer Sendung ja den Appell, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder zum Publikum zurückzuholen. Gab es da Reaktionen seitens des ORF?

Klien: Nein, hat es nicht gegeben. Der Redakteursrat fordert das ja auch. Es gibt innerhalb des ORF starke Stimmen, die für diese Anliegen eintreten.

STANDARD: Glauben Sie, dass sich in Sachen Entpolitisierung des ORF etwas zum Positiven verändern wird? Stichwort Stiftungsrat.

Klien: Na ja, da wird man auch auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Beschwerde des Landes Burgenland warten. Betreffend die Besetzung des Stiftungsrates, wo die Beschwerde ja dahingehend ist, dass das ORF-Gesetz nicht richtig umgesetzt ist, weil die politische Unabhängigkeit aufgrund der realpolitischen Besetzung des Stiftungsrats nicht garantiert ist. Wenn der Beschwerde recht gegeben wird, dann muss es Konsequenzen geben. Ich bin sehr gespannt auf das Urteil.

STANDARD: Im Regierungsprogramm ist eine ORF-Gremienreform ja nicht vorgesehen, weil die ÖVP mit ihrer soliden Mehrheit kein Interesse daran hat, etwas zu ändern.

Klien: Das ist immer das Gleiche. Die Partei, die an der Macht ist, möchte nichts ändern, weil für sie alles in Ordnung ist.

STANDARD: Was bald kommen muss, ist die Regelung der ORF-Finanzierung, da der Verfassungsgerichtshof* entschieden hat, dass Ausnahmen für ORF-Streaming nicht gehen. Die Möglichkeiten sind Budgetfinanzierung, GIS-Ausweitung oder eine Haushaltsabgabe. Welches Modell präferieren Sie?

Klien: Da bin ich überfragt, weil das eine komplexe Materie ist. Was ich aber nicht verstehe: wieso so ein großer Anteil der GIS an die Bundesländer geht und nicht etwa in irgendeiner Form gebündelt ist und Medien zugutekommt. Das Geld wird zweckentfremdet. Das würde ich intuitiv nicht verstehen. Dass die GIS nicht erhöht werden soll, das kann man schon so sagen. Die ist ja relativ hoch in meinem Empfinden. Da würde es eher um Einsparungspotenziale gehen. Das sind schwierige Fragen, aber dafür haben wir ja fähige Politikerinnen und Politiker, damit sie diese kniffligen Aufgaben lösen können. Da braucht es Engagement. Etwa wenn man an die Digitalnovelle denkt, die seit Jahren versprochen wird. Das ist für den ORF überlebenswichtig, sonst bleibt er am internationalen Parkett nicht überlebensfähig. (Oliver Mark, 13.1.2023)