So oft fotografiert worden wie am Donnerstag ist das Parlament schon lange nicht mehr: Ein Schnappschuss hier, ein Selfie da. Das lag daran, dass sich wohl auch schon lange nicht mehr so viele Personen gleichzeitig in das geschichtsträchtige Gebäude drängten. Mehr als 1000 Anwesende vermeldete die Parlamentsdirektion beim Festakt zur Wiedereröffnung nach fünfjähriger Sanierung.

Der Festakt fand im historischen Sitzungssaal statt.
Foto: Heribert Corn

Das Gebäude war zu diesem Anlass herausgeputzt – am Dach wehten rot-weiß-rote Flaggen im Wind, Blumenschmuck zierte den historischen Sitzungssaal. In diesem war fast die gesamte Polit-Prominenz des Landes versammelt.

Auf dem Balkon die türkis-grüne Bundesregierung – der Selfie-Versuchung ebenfalls nachgebend und von Vorgängerinnen und Vorgängern umgeben: der früheren Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, den Altkanzlern Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Franz Vranitzky (SPÖ), Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) oder der einstigen Ministerin Maria Fekter (ÖVP).

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit Vizekanler Werner Kogler (Grüne) und Ministerinnen und Ministern an Balkon.
Foto: Heribert Corn

Daneben: Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Darunter, im Parterre: Die Abgeordneten von Bundes- und Nationalrat – exklusive des erkrankten FPÖ-Klubchefs Herbert Kickl – sowie Landeshauptleute.

Sobotka wirbt für Respekt

Die Ehre, die erste Rede im sanierten Hohen Haus zu halten, kam Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu. "Wir sind wieder daheim", freute er sich – um dann sein Versprechen von Anfang der Woche zu wiederholen: Die Wiederöffnung solle Ausgangspunkt einer "neuen Ära des Parlamentarismus" sein, beteuerte er. Sobotka warb für gegenseitigen Respekt und Wertschätzung in Denken, Reden und Handeln. "Lassen wir uns leiten von der Würde dieses Hauses."

Die musikalsiche Untermalung kam von den Wiener Sängerknaben, den Wiener Chormädchen und den Wiener Philharmonikern.
Foto: Heribert Corn

Mit einem Plädoyer für Demokratie, Parlamentarismus und Zutrauen in die Politik schlossen sich Bundesratspräsident Günter Kovacs, die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (beide SPÖ) und der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) an. Angesichts des Vertrauensverlusts brauche es nach der Sanierung des Haus eine "Sanierung des Vertrauens in die Demokratie", betonte etwa Bures.

Erste Pause nach 130 Jahren

Restaurierung und Umbau des von 1874 bis 1883 errichteten Gebäudes waren nötig geworden, weil dieses am Ende seiner technischen Lebensdauer angelangt war. Die Sanierungsphase war die erste Pause nach 130 Jahren ununterbrochenem Betrieb.

Die Sanierung dauerte fünf Jahre. Zur Feier der Eröffnung wurden die Flaggen gehisst.
Foto: Heribert Corn

2017 übersiedelten die Büros und Abgeordneten in die Ausweichquartiere Hofburg und mobile Container am Heldenplatz. Kurz darauf begannen die Arbeiten. Ende 2022 war es dann so weit: Die Rückübersiedlung begann.

Welch kompliziertes Unterfangen eine Parlamentssanierung sein kann, merkte Festredner Wolfgang Schäuble an: "Wir haben in Berlin auch unsere Erfahrungen damit", sagte der langjährige Präsident des deutschen Bundestags und CDU-Politiker in Anspielung auf den langwierigen Umbau des Reichstagsgebäudes.

Bundespräsident Van der Bellens Aussicht: Der langjährige deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ).
Foto: Heribert Corn

Die vielleicht gefährlichste Krise in einer Zeit multipler Krisen sei jene der rechtsstaatlichen Demokratie selbst, warnte Schäuble. Jedenfalls erreicht werden müsse, dass die Bevölkerung sich im demokratischen Prozess wiederfände.

Ein Schritt in diese Richtung sind die Tage der offenen Tür am 14. und 15. Jänner. Interessierte können dabei das Ergebnis des Umbaus begutachten und mit Abgeordneten ins Gespräch kommen. (Stefanie Rachbauer, 12.1.2023)