Im Gastblog zeigt Andreea Kaltenbrunner, wie anhand von zwei literarischen Werken eine eigene Betrachtungsweise der Bauernaufstände möglich wird.

Im Frühling 1907 spielten sich an der östlichen Grenze der Habsburgermonarchie furchtbare Szenen ab: Im benachbarten Königreich Rumänien zündeten Bauern die Gutshöfe der Großgrundbesitzer an, plünderten Geschäfte und leerten die Weinkeller. Überall brannte es, und Flüchtlinge überquerten die Grenze in die Bukowina. Die Furcht, dass die Unruhen sich auch dort ausbreiten würden, veranlasste die habsburgischen Behörden, sofortige Maßnahmen zu treffen. Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung schrieb am 23. März 1907: "Die österreichischen Bauern im Grenzgebiete zeigen nicht übel Lust, die Grenze zu überschreiten und mit den plündernden rumänischen Bauern gemeinsame Sache zu machen. Die Bauern aus der Gegend von Unter-Synoutz rotteten sich vorgestern an der Grenze zusammen und machten Miene, nach Rumänien überzutreten."¹ Die Gendarmerie trieb die Bauern in die Dörfer zurück und überwachte die Gegend. Unter-Synoutz lag direkt an der Grenze, und auf der rumänischen Seite, in Mihăileni, führten die Bauern seit Mitte März schwere Kämpfe gegen die Soldaten.

Die Aufstände hatten von Anfang an auch einen antisemitischen Charakter.
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Was sich in den an die Bukowina angrenzenden Bezirken abspielte, war der Anfang des großen rumänischen Bauernaufstands (rum. Răscoala). Er begann in der Moldau (mit Zentrum Iași, nicht zu verwechseln mit der heutigen Republik Moldau) und war gegen die Großgrundbesitzer und die Pächter gerichtet. In der Moldau lebte der Großteil der jüdischen Bevölkerung des Königreichs Rumänien, und die Unruhen hatten dort von Anfang an antisemitischen Charakter. Die Gewalt betraf die jüdischen Pächter, aber auch die jüdischen Händler und die übrigen jüdischen Kleinstadtbewohner, die in vielen Fällen die Bevölkerungsmehrheit darstellten und der Mittelschicht angehörten. Die meisten Flüchtlinge, welche den Schutz der habsburgischen Behörden suchten, waren jüdisch. Als der Aufstand sich im Süden des Landes – in der Walachei – ausbreitete, verlor er die antisemitische Stoßrichtung, weil es dort keine nennenswerte jüdische Bevölkerung und keine jüdischen Pächter gab. Die Bauern plünderten die Gutshöfe und steckten sie in Brand. Nach langwierigen Kämpfen gelang es der Armee, den Aufstand niederzuschlagen. Schätzungen zufolge wurden etwa 11.000 Bauern von Soldaten getötet, teilweise durch Artilleriebeschuss.

Emigration der jüdischen Bevölkerung

Der Aufstand war eine der schwersten Krisen in der Geschichte des modernen rumänischen Staates. Er ließ ein verwüstetes Land zurück und prägte die Beziehung zwischen Bauern und Staat auf Dauer. Auch in den jüdischen Gemeinden hinterließen die blutigen Ereignisse nachhaltige Spuren. Seit der Entstehung des modernen Rumäniens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine weitverbreitete Tendenz unter der politischen Elite, die Emanzipation der jüdischen Bevölkerung zu erschweren und sie zur Auswanderung zu veranlassen. Die Ereignisse von 1907 beschleunigten diesen Prozess. Von den 266.652 Juden und Jüdinnen, die bei der Volkszählung von 1889 registriert worden waren, verließen bis vor dem Ersten Weltkrieg 70.000 das Land und emigrierten in die USA, nach Palästina und Großbritannien.

In diesem Beitrag befasse ich mich mit den Darstellungen des Aufstands in den Romanen des jüdisch-bukowinischen Schriftstellers Leo Katz (1892–1954). Er stammte aus dem erwähnten Grenzort Unter-Synoutz und schrieb zwei Romane über die Ereignisse vom Frühling 1907: Seedtime, veröffentlicht 1947 im amerikanischen Knopf-Verlag, und Brennende Dörfer, veröffentlicht posthum 1993. In diesen schilderte er die Reaktionen der jüdischen Bevölkerung und der Behörden auf beiden Seiten der Grenze und lieferte eine einzigartige Perspektive auf den Verlauf des Aufstands und die antisemitische Gewalt.²

Der Aufstand und die Grenze

Historikerinnen und Historiker nennen als einen der Hauptgründe für den Ausbruch der Gewalt von 1907 das Pachtsystem. Das Königreich Rumänien war um die Jahrhundertwende ein Agrarland, das stark vom Getreideexport abhängig war. 69 Prozent der Anbaufläche befanden sich im Eigentum von Großgrundbesitzern. Anstatt in die Modernisierung der Landwirtschaft zu investieren, ließen sie das Land mit konventionellen Methoden bearbeiteten. Die Verwaltung übergaben sie Pächtern, während sie selbst wenig Kontakt mit der ländlichen Welt hatten. Aufgrund der starken Konkurrenz auf dem internationalen Getreidemarkt war das Land mit sinkenden Getreidepreisen konfrontiert. Dies übte einen zunehmenden Druck auf die Bauern und Bäuerinnen aus, die umso mehr arbeiten und überdies auch höhere Steuern zahlen mussten.

Während vorhandene Studien sich mit dem Wirtschaftssystem, den internationalen Reaktionen und dem Verlauf des Aufstands auseinandergesetzt haben, fehlt eine ausführliche Analyse der antisemitischen Gewalt. Wie ist nun die antisemitische Komponente des Aufstands zu verstehen?

Eine hilfreiche Quelle sind die Berichte der österreichischen Behörden aus der Bukowina. Diese beobachteten als Erste die Leiden der geflüchteten jüdischen Bevölkerung. Außerdem verfügte die Habsburgermonarchie als Nachbarland, das enge wirtschaftliche Beziehungen mit Rumänien unterhielt, über ein breites Netzwerk an Diplomaten. Sie berichteten in Echtzeit über den Verlauf der Revolte.

Flüchtlingswelle und Antisemitismus

Die Bukowina war im Zuge des Aufstands mit zwei Problemen konfrontiert: Auf der einen Seite löste er eine Flüchtlingswelle aus, und auf der anderen Seite wuchs durch die Aufnahme von Flüchtlingen, kombiniert mit teilweise antisemitischen Gerüchten, die Gefahr von Unruhen in diesem österreichischen Kronland. Statistiken sprechen von bis zu 4.000 Flüchtlingen, von 27 besonders schwer betroffenen Orten in der Moldau und von 47 Juden, die ermordet oder schwer verletzt wurden. Die Menschen, die in der Bukowina eintrafen, wurden sofort aufgenommen, Verpflegung und Unterkunft wurden durch jüdische Organisationen bereitgestellt. In der Bukowina lebte eine gut organisierte jüdische Bevölkerung, die auch politisch stark vertreten war. Die Verlegung von österreichisch-ungarischen Truppen an die Grenze zu Rumänien verhinderte eine grenzübergreifende Aktion der Bauernschaft. Bauern aus der Bukowina, die sich an der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung im Königreich Rumänien beteiligten, blieben eine Ausnahme.

In Unter-Synoutz, Leo Katz' Heimatort, verfolgten die Bewohnerinnen und Bewohner besorgt den Verlauf der Kämpfe und richteten Flüchtlingsunterkünfte ein. Das Leben stand für einige Zeit still, denn der Ort lebte vom Handel mit rumänischen Bauern.

Klassenkampf oder Antisemitismus?

Leo Katz' Romane werden in der Forschung meistens als historische Quelle verwendet, als eine Art Zeitzeugenbericht. Sie enthalten autobiografische Elemente und sind von seinen politischen Überzeugungen und seiner wechselvollen Biografie geprägt. Neben vielen Ähnlichkeiten auf der narrativen Ebene weisen die beiden Romane auch wesentliche Unterschiede auf: Brennende Dörfer ist aus der Perspektive eines Jugendlichen verfasst, der sich zum Kommunismus bekennt, während in Seedtime Katz den Fokus auf die Reaktionen der jüdischen Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze legt. Diese Darstellungen sind von Katz' politischer Tätigkeit, von seiner Flucht vor den Nazis und von seinem Exil während des Zweiten Weltkrieges in Mexiko beeinflusst. Danach emigrierte Katz für kurze Zeit nach Israel, von wo er wieder nach Wien zurückkehrte, wo er bis zu seinem Tod 1954 lebte.

Katz hatte Unter-Synoutz 1914 verlassen, um Geschichte und Philosophie an der Universität Wien zu studieren. 1920 dissertierte er mit einer Arbeit über die Judenverfolgung im Deutschen Reich zur Zeit der Pest im 14. Jahrhundert. Während des Studiums schloss er sich der KPÖ an und begann, für verschiedene kommunistische Zeitungen zu schreiben. Brennende Dörfer entstand Ende der 1930er beziehungsweise Anfang der 1940er-Jahre und ist noch stark von seiner marxistischen Denkweise geprägt. Es geht um Klassenkampf, um klassenbewusste Arbeiter, die sich solidarisch mit den Bauern zeigen und sie im Kampf gegen rumänische Bourgeois unterstützen. Dass Antisemitismus hier nur ein Randthema ist, entspricht der Position deutschsprachiger Marxisten in der Zwischenkriegszeit. Sie gingen davon aus, dass er nur eine Ablenkung vom Klassenkampf darstellen und mit dem Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft verschwinden würde.

Überarbeitung: Neue Gewichtung des Antisemitismus

Es ist bekannt, dass Katz mit der literarischen Qualität von Brennende Dörfer nicht zufrieden war. Er überarbeitete das Buch und veröffentlichte kurze Zeit später den Roman Seedtime, der auch sein größter literarischer Erfolg wurde. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den Versionen besteht darin, dass Katz nunmehr dem Antisemitismus mehr Bedeutung zuwies. Er beschreibt, wie rumänische Großgrundbesitzer mit Hilfe eines deutschen Geschäftsmanns den Antisemitismus instrumentalisierten und den Aufstand anstachelten. Dass ein Deutscher nun als führender Antisemit dargestellt wurde, war naheliegend. In Mexiko, wo sich Katz seit 1940 aufhielt, hatten ihn Nachrichten über die Gräueltaten der Nazis mit großer Genauigkeit erreicht. Er war auch über die Beteiligung Rumäniens am Holocaust informiert und schrieb in dieser Zeit mehrere Artikel zur Geschichte des Antisemitismus. Seedtime enthält jedoch keine vollständige Darstellung des Aufstands, denn – wie ein Rezensent richtig bemerkte – die Bauern im Roman waren nicht antisemitisch. Während die antisemitischen Hetzer klar porträtiert und ihre Motive genau beschrieben wurden, wurde die Zusammenarbeit zwischen Antisemiten und Bauern nicht thematisiert.

Dennoch lieferte Katz eine wertvolle Schilderung des Aufstands. In Rumänien sind die Romane von Panait Istrati, Die Disteln des Bărăgan (rum. Ciulinii Bărăganului, erschienen 1921 auf Französisch, Les chardons du Baragan), und Liviu Rebreanu, Der Aufstand (rum. Răscoala, 1932) die ebenfalls die Ereignisse vom 1907 zum Thema haben, bekannt. Beide Autoren waren politisch linksgerichtet und konzentrierten sich auf das Schicksal der Bauern. Katz, ein politisch Gleichgesinnter, interpretierte den Aufstand als Klassenkampf zwischen Arbeiterschaft und Bauern einerseits und der rumänischen Bourgeoisie andererseits. Dieses Narrativ hinderte ihn daran, auf den Antisemitismus der Bauern einzugehen. Im Unterschied zu den übrigen literarischen Darstellungen des Aufstands zeichnet sich Katz dadurch aus, dass er die Folgen der Ereignisse vom Frühling 1907 für die jüdischen Gemeinschaften auf beiden Seiten der Grenze verarbeitet. (Andreea Kaltenbrunner, 17.1.2023)