Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation haben am 13. Jänner den Bereich rund um den Wiener Naschmarkt im Bereich der Secession blockiert.

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Ein Finale verlangt gemeinhin eine große Inszenierung. Diese kam Freitagfrüh in der Wiener Innenstadt in Form von Trompeten, Trommeln und einem großen, gelb gestrichenen "X" aus Holzlatten daher. Ebenso zu sehen: wohlbekannte Requisiten wie Kleber, orangefarbene Warnwesten und schwarze Banner mit Klimaschutzparolen.

Mit all dem fanden sich Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe Letzte Generation im Bereich der Secession ein, um ihre "Verzweiflung über das völlige Versagen der Bundesregierung beim Klima- und Zukunftsschutz" kundzutun. Eine der Forderungen der Gruppe: Tempo 100 auf Autobahnen.

Die Gruppe Letzte Generation kündigt eine weitere Aktionswoche in Wien an.
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Zum fünften Mal in dieser Woche klebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Handflächen morgens auf den Fahrbahnen großer Wiener Verkehrsadern fest – diesmal auf jener des Getreidemarkts, der Friedrichstraße und der Rechten Wienzeile. Wie an den vergangenen Tagen hatte die Polizei nach etwa einer Stunde alle so fixierten Personen entfernt, die wartenden Autos konnten weiterfahren.

Doch was bleibt von der Klima-Aktionswoche? Was brachte sie mit sich, welche Entwicklungen stieß sie an?

Anstoß und Mitgliederzulauf

Florian Wagner, Sprecher der Letzten Generation, formuliert sein Resümee im Gespräch mit dem STANDARD so: "Leuten, die schon gewusst haben, wie drastisch und maßlos unterschätzt die Klimakrise ist, ist klar geworden, dass wir radikal werden müssen in unserem Widerstand." Das zeige sich am großen Mitgliederzulauf: "Wir haben seit Montag 150 Anmeldungen für Mitgliedschaften bekommen. Damit verdoppeln wir uns."

Das gelbe Kreuz, das bei der Blockade am Freitag dabei war, ist ein Zeichen der Solidarität mit den Protesten im deutschen Lützerath, das dem Braunkohleabbau weichen soll.
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Dazu komme eine große Spendenbereitschaft. Diese Woche habe die Gruppe so viele Geldzuwendungen bekommen wie im gesamten vergangenen Jahr – in Summe 10.000 Euro. "Das zeigt, dass uns die Menschen unterstützen wollen", sagt Wagner. "Aber wichtig ist: nicht die Hoffnung in uns allein legen. Es müssen alle zusammenhelfen, Leute müssen mit uns in den zivilen Widerstand gehen", appelliert er.

Gelegenheit dazu soll es laut Wagner bald wieder geben. Für Februar sei die nächste Aktionswoche in Wien geplant. Dabei will die Letzte Generation – ermöglicht durch die neuen Mitglieder – doppelt so viele Straßen blockieren wie diese Woche. Lieber wäre es der Gruppe aber, wenn derartige Aktionen gar nicht nötig seien, sagt der Sprecher: "Natürlich wollen wir den Leuten, die zur Arbeit müssen, nicht auf die Nerven gehen. Aber solange die Regierung nicht sieht, dass die Zivilisation auf dem Spiel steht, können wir nicht aufhören." Ziviler Ungehorsam funktioniere eben nur, wenn er unangenehm sei.

52 Festnahmen und mehr als 200 Anzeigen

Auf eine arbeitsame Woche blickt die Wiener Polizei zurück. "Wir waren jeden Tag mit mehr als 100 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich im Einsatz", sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Bei den Verkehrstöraktionen von Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation sind in den vergangenen Tagen in Wien 52 Festnahmen ausgesprochen und mehr als 200 Anzeigen erstattet worden. 850 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, wie das Innenministerium am Samstag bilanzierte. Die Polizei darf die Aktivisten und Aktivistinnen bis zur förmlichen Einvernahme, längstens jedoch 24 Stunden, in Gewahrsam nehmen.

Bei der finalen Blockade der Aktionswoche am Freitag kam es zu zwölf Festnahmen, in der ganzen Aktionswoche waren es 51.
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"Die Anzeigen erfolgten alle nach verwaltungsrechtlichen Bestimmungen, die meisten nach dem Versammlungsgesetz und der Straßenverkehrsordnung, einzelne auch nach dem Sicherheitspolizeigesetz", heißt es vonseiten der Polizei am Freitag.

Dazu kam eine Anzeige wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem Aktivisten. Ein Passant hatte am Mittwoch bei der Blockade des Gürtels beim Westbahnhof einen auf dem Boden sitzenden Aktivisten angegriffen und von der Straße gezogen. Die Polizei konnte den zuerst unbekannten mutmaßlichen Täter mittlerweile ausforschen. Ermittelt werde gegen einen 40-jährigen bosnischen Staatsbürger wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung und Verhinderung oder Störung einer Versammlung, teilt die Polizei mit. Weitere derartige Vorkommnisse seien nicht bekannt.

Futter für den Wahlkampf

Auf politischer Ebene hat die Aktionswoche lautstarke Rufe nach einer Verschärfung der Handhabe gegen Verkehrsblockaden provoziert. Angestoßen hat dies die wahlkämpfende niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Auch ihr Tiroler Amts- und Parteikollege Anton Mattle sprach sich für rechtliche Nachbesserungen aus, die türkise Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm bezeichnete die Klebeaktionen als "daneben".

Unmittelbar nach Beginn der Aktion am Freitag begann die Polizei, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Fahrbahn loszulösen.
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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte am Freitag eine Prüfung in Aussicht: "Ich habe heute Innenminister Gerhard Karner beauftragt, mir einen Bericht zu liefern, wie der Einsatz der Exekutive in dieser Woche im Umgang mit den Klimakleber-Aktionen funktioniert hat. Und zu prüfen, ob die bestehenden rechtlichen und operativen Regelungen ausreichen oder ob es darüber hinaus gehende Verschärfungen braucht", sagte er. Parallel dazu ist der Verfassungsdienst des Landes Niederösterreich damit beauftragt, in den kommenden Tagen einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Konkret steht eine Strafverschärfung nach deutschem Vorbild im Raum. Wer Straßen blockiere und damit Menschenleben gefährde, solle strafrechtlich belangt werden und nicht nur verwaltungsrechtlich, wie das derzeit der Fall sei, forderte Mikl-Leitner – in deren Bundesland bisher übrigens noch keine Klebeaktion stattgefunden hat. Zum Tragen kommen könnte eine derartige Verschärfung etwa, wenn Krankenwagen wegen einer Blockade aufgehalten werden.

Rettung distanziert sich

Potenzial, in der Bevölkerung auf Wohlwollen zu stoßen, hat der Vorstoß. Laut einer Market-Umfrage von November fühlen sich 49 Prozent der Befragten durch Klebeblockaden auf Straßen persönlich gefährdet – etwa weil Rettungsfahrzeuge nicht durchkommen könnten. Die Letzte Generation betont stets, bei ihren Aktionen ohnehin Platz für Krankenwagen zu lassen.

Das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) hatte bisher jedenfalls keine Probleme mit dem Durchkommen bei Blockaden durch Klimaaktivisten. "Bis jetzt sind uns keine Meldungen aus den Landesverbänden bekannt, dass durch die Aktionen ein Menschenleben gefährdet wurde", wird das ÖRK in der "Tiroler Tageszeitung" zitiert.

Scharfe Worte wählte vor diesem Hintergrund Bundesrettungskommandant Gerry Foitik: "Werte Politiker:innen, instrumentalisieren Sie uns & medizinische Notfälle bitte nicht weiter für die Kriminalisierung jener, die für einen starken Klimaschutz einstehen und dafür Bestimmungen der StVO verletzen", schrieb er am Donnerstag auf Twitter.

ÖVP uneins, Grüne reserviert

Aus der Sicht mehrerer renommierter Strafrechtsprofessoren reichen die bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen aus. Diese Auffassung teilen selbst einige türkise Politiker, etwa der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer.

Reserviert äußerte sich grünes Spitzenpersonal zu den Klebeaktionen. Vizekanzler Werner Kogler und Klimaministerin Leonore Gewessler teilen zwar die Ziele und Anliegen der Aktivistinnen und Aktivisten. Was die Form des Protests angehe, sei eine Beurteilung aber nicht so einfach, ließ etwa Gewessler wissen. Deutlicher wurde Kogler: "Das geht nach hinten los", befand er zuletzt.

Große Solidarität erfuhr die Letzte Generation hingegen von Forschenden – darunter der Wissenschafter des Jahres 2022, Franz Essl, "Science Buster" Florian Freistetter und die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Sie kamen am Dienstag sogar zu einer Blockade. (Stefanie Rachbauer, 14.1.2023)