Die Ära Kurz hinterließ für Justizministerin Alma Zadić (Grüne, rechts) und Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP, links) genug Aufgaben – Greco fügt denen in ihrem neuesten Bericht weitere hinzu.

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In mehreren österreichischen Ministerien wartet derzeit ein Bericht des Europarats auf seine Veröffentlichung, der für die türkis-grüne Regierung unangenehm ausgefallen ist. Österreich werden in der 67-seitigen Bestandsaufnahme der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) grobe Mängel bei der Bekämpfung und Prävention von Korruption bescheinigt. Der Bericht, der dem STANDARD vorliegt, basiert unter anderem auf einem Besuch von Greco-Mitarbeitern in Österreich im Juni 2022, bei dem Gespräche mit Vertretern mehrerer Ministerien und Behörden wie der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) oder dem Rechnungshof geführt wurden.

Österreich ist seit 2006 Mitglied der Staatengruppe gegen Korruption, der weitere 48 europäische Länder sowie die USA angehören. Greco evaluiert regelmäßig die Anstrengungen seiner Mitgliedsstaaten im Kampf gegen Korruption. Der jetzige Bericht ist Ergebnis der fünften Evaluierungsrunde, er befasst sich vor allem mit der Bundesregierung, der Polizei und dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK).

Vertrauensverlust in Politik

Schon zu Beginn seiner Zusammenfassung merkt Greco an, dass die jüngsten Skandale das Vertrauen der Bevölkerung in Politiker stark erschüttert haben, und erwähnt, dass die Korruptionsermittlungen gegen den einstigen Bundeskanzler, also Sebastian Kurz (ÖVP), Zweifel an der Pressefreiheit ausgelöst haben. Und zwar wegen "fragwürdiger Verbindungen" zwischen Politikern, Umfrageinstituten und Medien.

Greco moniert, dass zentrale Gesetzesvorhaben wie das Transparenzgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll, oder die Reform des Korruptionsstrafrechts auf sich warten lassen – wobei Letztere nun ja beschlossen werden soll. Die Prävention von Interessenkonflikten sei eine besondere Herausforderung, die erhöhter Aufmerksamkeit bedürfe. Dasselbe gelte für die Analyse von Risikofaktoren für Korruption rund um die höchsten politischen Funktionäre wie Kanzler, Vizekanzler, Minister, Staats- und Generalsekretäre und Kabinettsmitarbeiter.

Zudem gebe es bei dieser Personengruppe zu wenige Informationen über deren finanzielle Interessen – Greco empfiehlt sogar, die finanziellen Verhältnisse von Verwandten und Partnerinnen und Partnern offenzulegen, wobei dies "nicht zwingend öffentlich gemacht werden" müsse.

Warum auch Kabinettsmitarbeiter zu dieser Gruppe ressortieren sollen: Die hätten zwar kein Weisungsrecht, von ihnen deponierten Wünschen würde aber praktisch immer entsprochen. Zudem merken die Autoren kritisch an, dass man sich in Österreich beim rechtlichen Status von Generalsekretären in einer "Grauzone" bewege; sie sprechen sich in diesem Zusammenhang für einen transparenten Bestellungsvorgang aus. Dabei müsse es um den Nachweis von Qualität und Integrität der bestellten Generalsekretäre gehen.

Berichtspflichten lähmen WKStA

Die Verfasser des Berichts beschäftigen sich auch mit der Arbeit der WKStA: Zwar seien deren Berichtspflichten (an Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium, Anm.) reduziert worden, dennoch stellten sie immer noch eine hohe zeitliche Belastung dar. Zudem seien diese Berichte bei clamorosen Korruptionscausen ein Risiko im Zusammenhang mit Vertraulichkeit, Effektivität und Unabhängigkeit der Ermittlungen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Arbeit der WKStA nicht durch "unangemessene" Interventionen behindert werde.

Den Schwerpunkt ihrer Untersuchungen hat Greco für diesen Bericht auf die Arbeit der Polizei gelegt, da vor allem auf jene des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK). Alltagskorruption im Bereich der Polizei scheint laut Greco in Österreich kein Thema zu sein. Allerdings sei von mehreren Gesprächspartnern der Greco-Arbeitsgruppe angemerkt worden, dass besonders die Vergabe von Spitzenjobs in der Polizei unter starkem politischen Einfluss erfolge. Diese "unzulässige" Einflussnahme bei Postenvergaben gehöre abgestellt. Als problematisch sieht Greco, dass das BAK selbst zwei Jahre lang ohne formal bestellten Direktor agiert hat, zumal es in Österreich einen "plötzlichen Anstieg" von Korruptionsfällen gegeben habe. Insgesamt habe das BAK zwischen 2007 und November 2021 über 3.400 Ermittlungen in Korruptionsfällen geführt – den allergrößten Teil davon wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch.

Cooling-off fehlt

Allerdings vermisst Greco Statistiken, wie oft Polizistinnen und Polizisten von Korruptionsvorwürfen betroffen seien. Angesprochen wird auch die von Österreich noch immer nicht umgesetzte EU-Whistleblower-Richtlinie, die Hinweisgeber besser schützen soll. Da ist Österreich über einen Gesetzesentwurf noch immer nicht hinausgekommen.

Insgesamt gibt Greco in seinem Bericht neunzehn Empfehlungen ab. Neben bereits erwähnten Gesetzesvorhaben wie einem Informationsfreiheitspaket wird etwa eine Cooling-off-Phase für Spitzenfunktionäre, die die Politik verlassen, angesprochen. Hier gab es zuletzt neben Kurz mehrere andere türkise Ex-Politiker wie den früheren Finanzminister Gernot Blümel oder die einstige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die beide rasch in die Privatwirtschaft gewechselt waren. Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter wechselte hingegen direkt von der Politik in den Verfassungsgerichtshof (VfGH), was er mittlerweile selbst als nicht ideal ansieht.

Kontakte in Wirtschaft offenlegen

Während der Regierungstätigkeit sollen Spitzenfunktionäre nach der Ansicht von Greco alle Kontakte mit Lobbyisten und anderen Personen offenlegen, die die Gesetzgebung beeinflussen wollen. Ebenso sollten Namen, Funktionen und Gehaltsschema aller Kabinettsmitarbeiterinnen und Kabinettsmitarbeiter und Generalsekretäre veröffentlicht werden. Außerdem solle ein Verhaltenskodex für Minister und andere Spitzenpolitiker erstellt und publik gemacht werden.

Greco empfiehlt der Regierung, den noch vertraulichen Bericht so bald wie möglich zu übersetzen und zu veröffentlichen. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass das noch bis Ende Februar dauern werde – dem STANDARD liegt die englischsprachige Version des Berichts vor, der Ende November im Plenum des Europarats angenommen wurde. Zu langsam geht die Übersetzung der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper: Sie fordert in einer parlamentarischen Anfrage die Veröffentlichung des Berichts und möchte von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wissen, welche Greco-Empfehlungen sich bereits in Umsetzung befinden.

"Posten-, Inseraten- und strukturelle Korruption – alle diese Selbstbedienung an unserem Land wird korrupten Politiker:innen und den ihren weiterhin fast überall möglich sein, wenn sich die Regierung nicht über die von Greco eingemahnten echten Reformen drübertraut", sagt Krisper.

Aus dem Justizministerium heißt es, die aktuelle Reform des Korruptionsstrafrechts sei ein "wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr sauberer Politik in Österreich, den wir mit dem Parteienfinanzierungsgesetz und dem Medientransparenzgesetz begonnen haben". Den Greco-Bericht nehme man "als Ansporn", weitere Reformen voranzutreiben.

Greco selbst will von der österreichischen Regierung bis Ende Juni 2024 einen Bericht darüber erhalten, welche der empfohlenen Maßnahmen implementiert wurden. Danach wird, wie immer, eine neuerliche Evaluierung stattfinden. (Renate Graber, Fabian Schmid, 13.1.2023)