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Erleichtert oder frustriert? Eine Kündigung kann die unterschiedlichsten Reaktionen auslösen.
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Für Anja Fischer (Name geändert) saß der Schock tief, als sie plötzlich die Kündigung erteilt bekam und im Anschluss direkt freigestellt wurde. Gerechnet hatte sie mit dem Sinneswandel ihrer Führungskräfte nicht, denn sie hatte aus ihrer Sicht alles versucht, um die internen Streitigkeiten im Team zu beheben.

Die frühere Vertrieblerin erzählt, dass sie nach anderthalb Jahren in einem Unternehmen schlechte Stimmung in ihrem Team spürte und der Druck durch ihre Aufgaben immer größer wurde. Mit Kollegen und der Geschäftsführung fand sie sich vor etwa zwei Monaten in einem Meeting wieder, um die Probleme zu besprechen. In der Folge wurde sie jedoch gekündigt. "Erst war ich maßlos enttäuscht", berichtet Fischer, "aber nach vier Wochen kann ich sagen, ich bin froh, nicht mehr dort zu arbeiten."

Das subjektive Erlebnis der früheren Arbeitnehmerin gehört eher nicht zu den üblichen Kündigungsprozedere – keine Vorwarnung, ein Ende im Streit und die Freistellung obendrauf. Abseits von dem vorherrschenden Arbeitermangel, Personalnot bei Pflege, Medizin und Gastronomie haben aber auch zahlreiche Firmen im letzten Jahr ihren Mitarbeitern gekündigt.

Zahlreiche Massenkündigungen

Bei vielen Technologiekonzernen standen zuletzt Massenkündigungen an. Beim Kurznachrichtendienst Twitter gab es nach der Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk massenhaft spontane Kündigungen, auch in der obersten Belegschaft. Meta (Facebook) kündigte ebenfalls einen Personalabbau an.

Snapchat und Microsoft haben eine Kündigungswelle hinter sich. Schnell gewachsene, große Start-ups wie der Bezahldienst Klarna oder die amerikanische Plattform für Hypothekenvergabe Better.com kündigten bereits Anfang 2022 tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch österreichische große Firmen wie Bitpanda, Swarovski oder die Kleine Zeitung kündigten zahlreiche Mitarbeiter.

Für viele Menschen kann der Verlust des Arbeitsplatzes, eine plötzliche Kündigung oder die Beendigung der Anstellung wegen eines Streits so belastend sein wie das Ende einer Partnerschaft oder der Verlust eines lieben Menschen.

Drastische Auswirkungen

Andreas Maercker, Mediziner und Psychologe sowie Professor für Psychologie an der Universität Zürich, forscht unter anderem zu menschlichen Traumata. In einer Studie von 2019 untersuchte er mit zwei weiteren Forscherinnen die Diagnostik von Anpassungsstörungen nach unfreiwilligem Arbeitsplatzverlust.

In der Psychiatrie spricht man von einer Anpassungsstörung bei Menschen, die nach belastenden Lebensveränderungen, etwa Problemen in der Familie, Trennung, Tod von Angehörigen oder Jobverlust, depressive Verstimmung entwickeln oder starke Ängste spüren. Maercker und seine Kolleginnen kamen zu dem Ergebnis, dass diese Symptomatik bei Menschen, die unfreiwillig ihren Arbeitsplatz verlieren, zu mehr als zwei Drittel vorkommt.

Bestärkt können negative Emotionen nach einer Kündigung werden, hatte man schon zuvor Probleme beim Erkennen des eigenen Wertes in der Arbeit. Wer schon während seines Jobs etwa vom Hochstaplersyndrom betroffen war – Schätzungen zufolge 70 Prozent der Arbeitenden –, scheint in der Kündigung einen Beweis für seine Unfähigkeit zu sehen. Und gerade so eine negative Selbstkritik kann Körper und Geist negativ beeinflussen, sagte etwa Richard Davidson, Direktor des Center for Healthy Minds der Universität Wisconsin-Madison, der New York Times.

Das Grübeln darüber, warum man vielleicht nicht gut genug für den Job war, könne unproduktiver machen und sogar Entzündungsreaktionen im Körper auslösen sowie den Alterungsprozess beschleunigen. Eine Studie der Universität Manchester ergab zudem, dass gekündigte Menschen bis zu ein Jahrzehnt lang Probleme entwickeln können, anderen Menschen zu vertrauen.

Situation erleichtern

Nun muss nicht jeder stark unter einem Jobverlust leiden, und mancher kann sich gut selbst helfen, die Trennung zu verarbeiten. Zudem hängt die Gefühlswelt davon ab, wie zufrieden man im Job war oder aus welchem Grund man gehen muss. In einem Blog der Psychotherapie-App Openup.com erklärt eine Psychologin, wie Arbeitnehmer am besten mit ihren Emotionen umgehen, wenn sie gekündigt oder entlassen wurden. Sie empfiehlt einerseits, den Gefühlen Platz einzuräumen. Sich mit den Emotionen auseinanderzusetzen helfe dabei, mit der Situation und den Folgen besser umgehen zu können.

Dabei ist es egal, ob man ihnen bei einem Spaziergang, beim Gespräch mit Freunden oder einfach allein im Sitzen freien Lauf lässt. Wenn es die finanzielle Situation zulässt, rät sie, sich einige Wochen Zeit zu geben, bevor man einen neuen Job antritt. Hilfreich ist auch, sich mit den eigenen Stärken und Wünschen zur beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen, so visualisiert man positive Aussichten. Zumeist empfehlen Therapeutinnen, eine Routine beizubehalten, wenn die Arbeitslosigkeit länger dauert.

Sei es eine Sportroutine, ein neues Hobby oder gesundes Kochen. So bleiben eine persönliche Sinnhaftigkeit, Struktur und Sozialkontakte erhalten. Auch Anja Fischer hat sich letztendlich vom ersten Schock erholt. Mit Selbstfürsorge und dem Fokus auf ihre Stärken habe sie sich ihre Lage in der Freistellung erleichtert. Auch Maerckers Studie birgt Optimismus für Gekündigte: Die Anpassungsstörungen verringerten sich bei den Probanden der Studie nach einigen Monaten deutlich. (Melanie Raidl, 16.1.2023)