Derzeit gehörig unter Druck: Veronica Kaup-Hasler

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Kaum ein Tag vergeht, an dem Veronica Kaup-Haslers Personalentscheidungen nicht medial zerzaust werden: Christophe Slagmuylder habe bei den Festwochen das Publikum vertrieben – im Oktober erklärte dieser schließlich, nach Brüssel zu wechseln. Das Zagreber Leitungstrio WHW setze in der Kunsthalle auf ein Nischenprogramm – im Dezember wurde sein Vertrag nicht verlängert. Dazu kommt das Dauerfeuer gegen den Volkstheater-Direktor Kay Voges, an dem die Kulturstadträtin (parteifrei, aber auf einem SPÖ-Ticket) allerdings unbeirrt festhält. Medial gezündelt wird von Krone, Kurier und News, die derzeit eine regelrechte Kampagne gegen den kolportierten neuen Festwochen-Intendanten fahren. Die Intention dahinter ist klar: Ein Kandidat soll sturmreif geschossen und damit verhindert werden. Kaup-Haslers Personalentscheidungen sind aber auch bei den Genossen umstritten.

STANDARD: Ob Kunsthalle oder Festwochen: Sie haben derzeit keinen guten Lauf: Warum funktioniert Ihre Personalwahl nicht?

Kaup-Hasler: Da widerspreche ich entschieden. Alle meine Entscheidungen fußen auf Empfehlungen von Expertinnenjurys, ob Barbara Staudinger für das Jüdische Museum, Felix Hoffmann für das Foto-Arsenal oder Christine Dollhofer für den Filmfonds. Das war auch 2019 so, als ich das Zagreber Kollektiv WHW als neue Leitung der Kunsthalle bestellt habe. Es war im Dreiervorschlag erstgereiht. WHW hat wichtige Impulse für die Stadt gesetzt und wird das auch bis Sommer 2024 tun.

STANDARD: Das Publikum blieb allerdings aus, und auch die Ausstellungskritiken waren durchwachsen.

Kaup-Hasler: Zur Erinnerung: Gesetzlich waren wir verpflichtet, die Kunsthalle neu auszuschreiben. Diesmal kam die Jury zum Befund, dass die vorgelegten Konzepte nicht ausreichend waren, und plädierte für eine Neuausschreibung. Dem bin ich gefolgt.

STANDARD: So weit die Fakten. Was Sie unterschlagen, ist, dass im Vorfeld massiv Stimmung gegen WHW gemacht wurde, auch von roten Kulturproponenten. Ist man Ihnen in den Rücken gefallen?

Kaup-Hasler: Davon kann keine Rede sein. Die Jury kam zur Überzeugung, dass das von WHW präsentierte Konzept nicht in ausreichendem Maße für eine städtische Kunsthalle geeignet ist. Das habe ich zur Kenntnis genommen.

STANDARD: Aber es wird Sie alles andere als gefreut haben.

Kaup-Hasler: Bei der Leitung einer Institution dieser Größe geht es auch darum, eine Öffentlichkeit abseits des eigenen Umfelds zu gewinnen. Im Konzept von WHW hat die Jury hier offensichtlich zu wenige Ansätze gefunden. Das nehme ich ernst. Meine Befindlichkeit spielt keine Rolle.

STANDARD: Bei der Neubesetzung des Kunst Haus wurden Sie bloßgestellt, weil Sie nicht in die Entscheidung der Wien-Holding eingebunden waren. Als Parteifreie: Werden Sie von den Genossen torpediert?

Kaup-Hasler: Ich lasse mich von keiner Seite torpedieren. Die Herausforderung besteht darin, den eigenen Weg der Entscheidungsfindung konsequent zu gehen. Rund um die Besetzung des Kunst Haus Wien gab es Gespräche, das Haus zukünftig anders zu positionieren und zugleich einen neuen Ort für Fotografie zu schaffen. Dieser wird im Arsenal etabliert.

STANDARD: Das passierte allerdings erst, nachdem Sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden waren.

Kaup-Hasler: Das Kunst Haus war für die Präsentation von Fotografie denkbar ungeeignet. Da waren und sind sich alle Akteure einig.

STANDARD: Sie stehen persönlich für einen offenen, experimentierfreudigen Kulturbegriff, siehe etwa die Besetzung des Volkstheaters mit Kay Voges. Resultieren die derzeitigen personellen Probleme aus dem Umstand, dass Sie das Traditionelle, das Breitenwirksame vernachlässigen?

Kaup-Hasler: Ich mache dann meinen Job gut, wenn ich auf die kulturelle Vielfalt in der Stadt schaue. Das ist etwa beim Volkstheater gelungen, das sich sehr mutig als jung und offen neu positioniert und ein diverses Publikum anspricht. Die Auslastung wird auch hier immer besser. Ich setze bezüglich Breitenwirksamkeit permanent Signale. Nichts ist zum Beispiel breiter und niederschwelliger als der Kultursommer. Zwei Drittel der Besucherinnen und Besucher haben angegeben, dass sie ein Haushaltseinkommen unter 2500 Euro haben. Oder das neue Netz an kulturellen Ankerzentren in den Bezirken, die kulturelle Nahversorgung anbieten. Und vergessen Sie nicht das Theater in der Josefstadt: Es wurde mit einem populären wie anspruchsvollen Programm stets stark von der Stadt unterstützt und letztes Jahr entschuldet.

STANDARD: Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger wurde allerdings nicht von Ihnen besetzt, Christophe Slagmuylder bei den Festwochen sehr wohl. Die Strahlkraft der Festwochen war zuletzt sehr eingeschränkt: Diese wurden sehr kleinteilig programmiert, große, breite Publikumsschichten ansprechende Produktionen fehlten.

Kaup-Hasler: Hier wird vernachlässigt, wie massiv die Pandemie Planungen und Formate beeinflusst hat. Dennoch wurden mit Susanne Kennedy, Romeo Castellucci oder Tiago Rodriguez Großproduktionen gezeigt. Ein gutes Festival braucht eine Mischung aus größeren und kleineren Setzungen. In diese Richtung soll es in Zukunft verstärkt wieder gehen.

STANDARD: Was genau soll der oder die Festwochen-Intendantin können?

Kaup-Hasler: Er oder sie sollte es schaffen, Wien kulturell ein Programm zu bieten, das von anderen Institutionen nicht bereits abgedeckt ist, eine Art künstlerisches Fenster zur Welt. Das ist heute ungleich schwieriger als vor etwa 30 Jahren, als das Angebot noch viel eingeschränkter war. Ich würde mir auf Wien zugeschnittene Leuchtturmprojekte wünschen, die lokal wie international Strahlkraft entwickeln. Wichtig ist mir dabei die Kooperation mit anderen Akteuren der Stadt.

STANDARD: Gerüchte sagen, dass die Festwochen-Nachfolge schon entschieden sei. Der Theatermacher Matthias Lilienthal soll es werden.

Kaup-Hasler: An dem Gerücht stimmt kein Wort, der Prozess läuft. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich finde es allerdings problematisch, welcher mediale Wind hier erzeugt wird. Ich wünsche mir mehr journalistische Professionalität und keine Beschädigung von kolportierten Kandidaten, wie wir es jetzt erleben.

STANDARD: Man liest, dass Lilienthal bereits einen Termin bei der Geschäftsführerin der Festwochen hatte.

Kaup-Hasler: Das weiß ich nicht. Klar ist aber: Jeder, der sich im Bewerberkreis befindet, darf, soll und kann sich Informationen bei der Geschäftsführung holen. Das ist ein normaler Vorgang, der dazu dient, valide, auch ökonomisch tragfähige Konzepte in den Hearings diskutieren zu können.

STANDARD: Würden Sie die Festwochen-Intendanz Regisseuren wie Milo Rau oder Barrie Kosky zutrauen?

Kaup-Hasler: Es gibt einige Akteure und Akteurinnen, denen ich das zutrauen würde.

STANDARD: Letztes Thema: Sie sind mit dem Anspruch angetreten, Kultur verstärkt in die Flächenbezirke zu bringen. Warum ist da so wenig passiert?

Kaup-Hasler: Im Gegenteil: So viel wie in den vergangenen Jahren wurde noch nie für die Bezirke kulturell geleistet. Angefangen von den Ankerzentren über die Bezirksmuseen und das Foto-Arsenal bis hin zum DÖW, das zur Gänze in einen Pavillon im Otto-Wagner-Areal kommt.

STANDARD: Es gibt viele kleine Projekte, aber keines mit einer größeren Außenwirkung.

Kaup-Hasler: In den vergangenen vier Jahren ging es in der Kultur schlichtweg ums Überleben. Aber ich kann Sie beruhigen: Wir arbeiten an einem Großprojekt in einem Flächenbezirk. Näheres kann ich dazu noch nicht sagen. (Stephan Hilpold, 14.1.2023)