"Job is done": Das twitterte Thomas Schnöll, damals Österreichs Botschafter bei der OECD, am 15. März 2021, als der Australier Mathias Cormann die nötigen Stimmen für die Wahl zum Generalsekretär der internationalen Organisation beisammenhatte. Seit Montag hat Schnöll selbst einen neuen Job, und zwar bei Cormann: Der langjährige Außenministeriumssprecher, der fast drei Jahre für Sebastian Kurz (ÖVP) Rede und Antwort stand, wird Cormanns stellvertretender Kabinettschef.

Thomas Schnöll wechselt vom Außenministerium zur OECD.
Foto: Herve Cortinat/OECD

Die Berufung kann als Erfolg der österreichischen Diplomatie gelten und als Ausweis erfolgreicher Arbeit. Immerhin wird Schnöll eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Generalsekretär und den 39 Delegationen bilden. Zudem wird er seinen Chef auch außenpolitisch beraten. In manchen diplomatischen Kreisen gibt es allerdings auch Kritik, weil Schnöll als Österreichs Botschafter bei der OECD an der Wahl Cormanns mitgewirkt hatte.

Dieser hatte sich damals ein enges Duell mit der linksliberalen Cecilia Malmström geliefert: Die Schwedin galt mit einer Karriere als Europaministerin ihres Landes sowie zwei einflussreichen Jobs als Innen- und Handelskommissarin der EU als prädestiniert für das Amt der OECD-Generalsekretärin. Noch dazu war die OECD noch nie von einer Frau angeführt worden, die europäischen Staaten – die 25 von damals 37 OECD-Mitgliedern (heute: 38) stellen – hatten seit einem Vierteljahrhundert nicht den Vorsitz innegehabt. Und Cormann war aufgrund seiner Vergangenheit als Finanzminister Australiens als alles andere als ein Beschützer des Klimas bekannt. Auch gegen die Ehe für alle ist er.

Brücke zu den USA?

Cormann jedenfalls war in den Monaten vor seiner Wahl auf einen diplomatischen Streifzug ausgezogen, bei dem er nicht nur die Nichteuropäer hinter sich vereinen konnte, sondern es auch vermochte, die Europäer mit viel diplomatischem Feingefühl – er spricht Deutsch, Französisch und Holländisch – zu spalten oder, je nach Standpunkt, für sich einzunehmen. Alle 37 OECD-Staaten soll er besucht, zahlreiche Telefonnummern eingesammelt und viel Überzeugungsarbeit in eigener Funktion geleistet haben, wie der "Sydney Morning Herald" 2021 berichtete. Die Unterstützung für Malmström brach schließlich weg. Ein Argument war auch, dass Cormann über das bessere Standing in den USA verfüge.

Mathias Cormann setzte sich 2021 gegen Cecilia Malmström im Kampf um den Job als Generalsekretär der OECD durch.
Foto: EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Welche Rolle spielten dabei Schnöll und türkise Regierungsmitglieder? Offenbar soll es sich bei Österreichs Entscheidung, Cormann zu unterstützen, um einen ÖVP-Alleingang gehandelt haben, was für Unmut bei den Grünen sorgte. Man sei bei der Entscheidung außen vor gelassen worden, bestätigen Grüne. Insgesamt soll der Australier erst Tage vor der Wahl eine knappe Mehrheit hinter sich gehabt haben, die letztlich zur konsensualen Entscheidung des OECD-Rats führte. Außenminister Alexander Schallenberg verteidigte und bestätigte die österreichische Stimme für Cormann später in einer schriftlichen Anfragebeantwortung an die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr.

Schnöll verweist auf Erfahrung

Dem STANDARD gegenüber betont das Außenministerium, dass die Entscheidung im Haus gefallen und nicht bei Botschafter Schnöll gelegen sei. Selbiges sagt auch Schnöll selbst, angesprochen auf den Sachverhalt. Als Botschafter habe er "vor Ort die Entscheidung der Zentralstellen umgesetzt." Mit "Job done" habe er nur zum Ausdruck bringen wollen, "dass die OECD-Gremien die wichtige Aufgabe der Auswahl eines neuen Generalsekretärs erfolgreich abgeschlossen haben", so Schnöll zum STANDARD. Schnöll betont außerdem, das Auswahlverfahren habe schon vor zwei Jahren stattgefunden, seine Funktion bei der OECD sei dann vor zwölf Monaten zu Ende gegangen.

Laut Anfragebeantwortung ist Cormann am 25. November 2020 zwar nach Österreich gereist. Treffen Schallenbergs mit ihm habe es aber keines gegeben. Der Ständige Vertreter Österreichs bei der OECD, also Schnöll, sei jedoch wiederholt mit allen Kandidaten und Kandidatinnen in Kontakt gewesen, so Schallenberg – was auch dessen Aufgabe ist. Ein Treffen zwischen Sebastian Kurz, Schnölls vormaligem Chef, und Cormann, Schnölls nunmehrigem Chef, gab es jedenfalls anlässlich des Salzburg-Summits, vier Monate nach der Bestellung Cormanns zum Generalsekretär im Juli 2021, wie Fotos in einem Tweet Schnölls zeigen.

Mit dem Angebot für seinen neuen Posten sei Cormann direkt an ihn herangetreten: "Der Generalsekretär hat mir gesagt, dass ich seiner Meinung nach in besonderer Weise für diese Aufgaben qualifiziert bin." Cormann habe dabei auf Schnölls 25-jährige Erfahrung im diplomatischen Dienst hingewiesen und auf dessen Arbeit an einer OECD-Strategie für globale Beziehungen und ein verstärktes Engagement mit China. Laut Cormann verfüge Schnöll über "die richtige Kombination von Fähigkeiten, Erfahrung und Beziehungen", die Ernennung Schnölls ermögliche ihm allerdings auch,"die nationalen Profile" in seinem Büro "weiter zu diversifizieren". Erfahrene Diplomaten sagen hinter vorgehaltener Hand, dass die OECD "intransparent" agiere, vor allem im Vergleich zu anderen internationalen Organisationen.

Ex-Sprecher in Top-Jobs

Cormann jedenfalls kann laut den Regularien der OECD die Posten seines Kabinettschefs und von dessen Vize tatsächlich selbstständig und ohne offizielle Ausschreibung vergeben. Er muss sich dabei aber an die generellen Vergaberegeln der Organisation halten, die zum Beispiel "höchstmögliche Kompetenz und Integrität" der Kandidatinnen und Kandidaten vorschreiben. Zu beachten ist, dass zwischen Tätigkeiten als OECD-Botschafter und Anstellungen bei der OECD zwingend eine Abkühlperiode von mindestens zwölf Monaten liegen muss. Schnöll erfüllt dies, wenn auch knapp: Seine Tätigkeit als OECD-Botschafter endete, wie er auch selbst festhält, vor zwölf Monaten mit Antritt seines Dienstes an der Botschaft in Paris. Dem STANDARD per anonymen Briefkasten zugespielte Kritik, wonach die Bestellung intern nicht nach dem Leistungsprinzip argumentiert wurde, wollte man bei der OECD nicht kommentieren. Cormann freue sich, den "erfahrenen Diplomaten für diese wichtige Aufgabe gewonnen zu haben".

Schnöll gilt als Mitglied des erweiterten Vertrautenkreises rund um Kurz. Er hatte nach einem Rechtsstudium in Linz und einem Besuch der Diplomatischen Akademie in Wien eine Ausbildung an der Nationalen Hochschule für Verwaltung in Straßburg absolviert und war dann schon 1997 im Außenministerium gelandet. Danach machte Schnöll eine Karriere in der Diplomatie, bevor er ab 2015 für den damaligen Minister Kurz und, wenige Monate lang, für Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sprach. Anschließend trat Thomas Schnöll, der auch Onkel des Kurz-Vertrauten und einstigen JVP-Chefs Stefan Schnöll ist, den erwähnten Botschafterposten bei der OECD an, bevor er im Jahr 2022 Botschafter in Paris und dann bei der Unesco wurde.

Schnöll reiht sich damit in die Liste an Kurz-Vertrauten ein, die nach dem Abgang des ÖVP-Chefs mit diplomatischen Spitzenposten betraut wurden. Der langjährige Kanzlersprecher Etienne Berchtold wurde zu Österreichs Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten ernannt, die wichtigste außenpolitische Beraterin der letzten ÖVP-Kanzler, Barbara Kaudel-Jensen, wurde nun Botschafterin in Paris. Sie folgt dort Schnöll. Ein früherer Spitzendiplomat formuliert es so: Das Problem sei wohl weniger die Entscheidung der OECD an sich, sondern die Art und Weise, wie Kurz-Getreue nach dem Abgang des Kanzlers neue Spitzenjobs erhielten. (Fabian Sommavilla, Manuel Escher, Fabian Schmid, 18.1.2023)