"Seriöser Journalismus ist ganz wichtig für die Demokratie, und das sagen wir ja immer bei unseren Festreden."
"Diese sogenannten kritischen Journalisten wollen uns ja nur runtermachen oder ihre Ideologie durchbringen. Die gehören einmal ordentlich zurechtgewiesen. Und außerdem sind uns die unseriösen Journalisten und Medien schon lieber, denn die können wir mit Regierungsinseraten gefügig machen."
Zwischen diesen beiden Polen pendelt die Meinung sehr vieler österreichischer Politiker und Politikerinnen. Die von der Kanzlerpartei ÖVP handeln derzeit nach der zweiten Maxime. Besonders, was kritische Zeitungen, Magazine und den ORF angeht.
In schönster Ausprägung war das bei dem Interview von Kanzler Karl Nehammer mit ZiB 2-Moderator Martin Thür zu beobachten. Die Vorgabe für den Kanzler war offensichtlich, dem ORF-Moderator und seinen kritischen Fragen die Legitimität abzusprechen. Wobei das nicht nur für den ORF gilt.
Im Hintergrund läuft aber ein viel massiverer Angriff auf kritische Medien, und zwar über die Finanzierungsschiene. Dass manche Tages- und Wochenzeitungen nicht entsprechend ihrer Bedeutung, sondern nach ihrer Haltung weitgehend von Regierungsinseraten ausgeschlossen werden, ist eine alte Geschichte. Sie haben gelernt, damit umzugehen. Der ORF ist in eine üble Lage geraten, weil sich eine gewaltige Finanzlücke auftut. Das erscheint etlichen in der Regierung, und nicht nur denen in der ÖVP, als die Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Kontrolle zu bringen.
Der Kern der Redaktion
Wobei es ja so ist, dass die ORF-Spitze praktisch immer politisch besetzt wurde. Aber es gibt einen Kern in der Redaktion, der aufgrund seiner Qualifikation und seiner inneren Freiheit in der Lage ist, eine qualitätsvolle öffentlich-rechtliche Berichterstattung aufrechtzuerhalten – überspitzt gesagt, egal wer gerade Chef ist.
Die schlingernde ÖVP möchte das in den Griff kriegen. Der Weg über das Geld erscheint ihr als der wirkungsvollste. Deshalb gibt die formal als Medienministerin agierende Susanne Raab Sparparolen von sich. Gleichzeitig muss die Finanzierung nach einem Urteil des Verfassungsgerichts auf eine neue Basis gestellt werden. Es wird wohl auf eine Haushaltsabgabe hinauslaufen.
Der ORF hat dabei eine immense Verpflichtung, denn er muss seine Gebühren oder die Haushaltsabgabe rechtfertigen, indem er seine Pflicht zur Lieferung eines Programms mit Mehrwert für Demokratie und gesellschaftliche Aufklärung erfüllt. Dass er dabei manchen seriösen privaten Medien, die über keine Zwangseinnahmen verfügen, kräftig Konkurrenz macht, muss erwähnt werden.
Ist es zu viel verlangt von den Parteien, vor allem von der ÖVP, dass sie auf die Erhaltung einer lebendigen, kritischen, seriösen Medienlandschaft Bedacht nehmen sollen, ohne allzu sehr auf den eigenen (kurzfristigen) Vorteil zu achten? Wenn derzeit der Verfall des Vertrauens in die Parteiendemokratie, der Verfall der politischen Umgangsformen, die allgemeine Gereiztheit und Feindseligkeit zu Recht beklagt werden, dann muss die Politik aufhören, üble Hetzorgane zu begünstigen und seriösen, kritischen Journalismus zu unterminieren.
Das mag naiv klingen, aber auch in der jetzigen, herausgeforderten Politikergeneration muss es Politiker(innen) geben, die den Wert unabhängiger Information kennen. (Hans Rauscher, 14.1.2023)