Gab ab 2013 in Matthias Hartmanns Festspiel-Inszenierung von "Lumpazivagabundus" den Leim: der Voralpen-Melancholiker Florian Teichtmeister.

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Rolle als Kaiser von Österreich-Ungarn: Florian Teichtmeister im vergangenen November beim 19. Filmfest von Marrakesch.

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War er erst in seine Paraderolle geschlüpft, konnte man dem Wiener Charakterschauspieler Florian Teichtmeister (43) kaum jemals gram sein. In der gewinnenden Art dieses ewigen Jünglings war bereits die Eignung zum Musterschwiegersohn in spe enthalten. Nun wird sich Teichtmeister als geständiger Inhaber von kinderpornographischem Material demnächst vor Gericht verantworten.

Mit der Karriere eines vermeintlich von Fortuna begünstigten Charmeurs ist es vorbei. Teichtmeister gibt an, während 13 Jahren rund 58.000 Mediendaten kinderpornografischen Inhalts angesammelt zu haben. Die Illegalität habe ihm "einen Kick gegeben", so wird in Ö1 aus den Ermittlungsakten zitiert. An Drehorten habe Teichtmeister eigenhändig minderjährige Darsteller fotografiert.

Die Freude über das Lausbübische ist einem Gefühl tiefer Bedrückung gewichen. Bis dato hatte man sich gewundert, dass dieser Strahlemann eigentlich niemals den Stani in Hofmannsthals Der Schwierige verkörpert hat: den törichten Erben der überkommenen, aus tausenderlei Gewohnheiten bestehenden kakanischen Kultur. Mag die letztere auch verblasst sein: Ihre Kinder und Kindeskinder folgen dennoch brav den vielen Vorgaben ihres ungeschriebenen Regelbuchs. Und erhalten somit symbolisch etwas am Leben, was es im beschwerlichen Alltag der republikanischen Wirklichkeit nicht mehr gibt.

Als Mime bewegte sich Teichtmeister in der gesunden Voralpenluft, in den gemäßigten Benimmzonen Ostösterreichs, wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Er schimmerte bis vor kurzem ebenso verlässlich wie goldig. Der ehemalige Karlheinz-Hackl- und Samy-Molcho-Schüler war in der inneralpinen Dramatik zuhause: Als er 2013 den Leim in Nestroys Lumpazivagabundus spielte, stach er, der aus der Josefstadt Erborgte, die Burgtheater-Kollegen kurzerhand aus.

Er war womöglich noch österreichischer als die anderen: lauernder, abwartender, den eigenen Vorbehalt gegenüber einer gebrechlichen Welt wie eine womöglich gezinkte Spielkarte einsetzend. Dabei wollte man ihn, als notorisches Stiefkind des Schicksals, vorsorglich ins Herz und in die Arme schließen.

Lauter doppelte Böden

Jeder Schritt dieses Schauspielers hallte wider wie auf doppeltem Boden. Dabei blieb Florian Teichtmeister, der Absolvent des ruhmreichen Max-Reinhardt-Seminars, der ewige Hoffnungsträger: mit allen Wassern Raimunds, Nestroys und auch Schnitzlers gewaschen, marschierte er über den Umweg des Josefstadt-Theaters zielsicher auf die Wiener Burg zu.

Ein weiterer Triumph: sein "Dr. Jura" 2015 in Hermann Bahrs Ehebruchkomödie Das Konzert. Wie er da, im Ambiente des (künstlichen) Alpenvorlands, den moussierenden Dialog mit ein paar Tropfen aus dem Säurebecher Oscar Wildes aufbesserte, rettete er stellvertretend die Ehre: aller unter das Ehejoch Gespannnten. Und war doch selbst unübersehbar ein ewiger, unverbesserlicher Filou.

Ob solcher Qualitäten durfte man Teichtmeister als glücklichen, vielbeschäftigten Mimen ansehen. Im persönlichen Umgang von gewinnender Jovialität, buchte man den Karl-Skraup-Preisträger (2002) und überschnappenden "Wolferl" (in Shaffers unverwüstlichem Amadeus) ab der Jahrtausendwende vermehrt auch als Film- und Fernsehdarsteller.

Man erhielt verlässlich Proben bestrickenden Charmes: einer augenzwinkernden Allianz mit allen jenen, die sich gegen die Übermacht von Verhältnissen, die unleidlich sind, zwar andauernd, aber nicht unbedingt offen zur Wehr setzen.

Darin – und in den Proben einer "grundlosen", den Anlagen einer schönen Seele entspringenden Melancholie – liegt das himmelhoch jauchzende, dabei zu Tode betrübte Österreichertum des bedeutenden Schauspielers Teichtmeister. Als Wiedergänger unserer besten wie unserer "schlechtesten" heimischen Anlagen fand er spielend Raum für Betätigung: vornehmlich in den Schablonen-Schneiderwerkstätten der TV-Unterhaltung.

Von Säure angefressen

So spielte er etwa als "Major Palfinger" in der Krimi-Serie Die Toten von Salzburg den in seiner Mobilität behinderten Meisterdetektiv: eine von Säure angefressene Figur, die mehr mit Thomas Bernhards Die Ursache zu tun hatte als mit den gewöhnlichen Hochglanzprospekten der Festspielstadt. Und gerade wegen solcher Zeugnisse einer schlecht zu verschmerzenden Gebrochenheit taugte Teichtmeister gleich zu mehrerlei: zur Darstellung von SS-Offizieren ebenso wie zu Kaisern mit Backenbart (in Marie Kreutzers Corsage).

Der Fachwechsel Florian Teichtmeisters in die Lade der untröstlich Gealterten wäre erst bevorgestanden. Zu einem solchen wird es nicht mehr kommen. (Ronald Pohl, 14.1.2023)