Sie sind die Stars der Straßenküchen von Marrakesch: die Schneckenköche am Djemaa el Fna.

Foto: Thomas Neuhold

Marrakesch ist ein Tohuwabohu: Tausende Mofas und Mopeds, überwiegend aus chinesischer Produktion, flitzen mit lautem Geknatter und blauem Zweitakterdunst durch die Straßen der Medina, dazwischen Autos, Eselgespanne und Fußgänger. Verzagte Reisende aus Mitteleuropa können in dem Gewirr an Gassen und Gässchen leicht die Orientierung verlieren. Touristen und Touristinnen mit Blick aufs Handy und die Landkarten-App gehören zum Stadtbild.

Marrakesch ist ein Tourismus-Hotspot. Die prunkvollen Paläste verschiedenster Epochen, das orientalische Flair und bunte Treiben in den Souks, der zentrale Platz Djemaa el Fna (Platz der Gehenkten), der Heller-Garten Anima und nicht zuletzt die Kulinarik des Landes machen die Berbermetropole zu einer der Top-Destinationen im internationalen Städtetourismus.

Nüsse und getrocknete Früchte auf einem Marktstand in den Souks von Marrakesch.
Foto: Thomas Neuhold

Wobei sich die Kulinarik des Landes nicht für jeden sofort erschließt. Natürlich kann man auch in Restaurants essen gehen, das wirkliche Leben spielt sich freilich in den kleinen Straßenküchen ab. Dazu muss man aber die Reisegruppe verlassen. Ein Holzkohlegrill oder zwei Pfannen mit heißem Öl für frittierten Fisch, eine Feuerstelle für das Nationalgericht Tajine (ein im Tongeschirr langsam geschmorter Eintopf), frisches Brot aus der Bäckerei von Nebenan und Süßigkeiten, die im Wesentlichen aus Nüssen und Honig bestehen, das reicht fürs Erste.

Riesiges Straßenbeisl

Gegessen wird auf bunt zusammengewürfelten Plastiksesseln und Tischen, die entweder vor der Küche auf der Straße oder im zweiten Stock auf der Dachterrasse stehen. Wer sich einigermaßen an den Grundsatz "peel it, boil it, cook it or forget it" hält, kann alles völlig bedenkenlos essen und wird auch mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Beschwerden durch den Urlaub kommen.

Frittierter Fisch direkt von der Straße – hier am nördlichen Rand der Souks.
Foto: Thomas Neuhold

Auch der Djemaa el Fna verwandelt sich jeden Abend in ein riesiges Straßenbeisl mit unzähligen Ständen. Hier gibt es alles: von Schnecken bis zum gefüllten Schafskopf. Die Loblieder auf die Küche von Marrakesch sind Legende. Der britische Koch Jamie Oliver beispielsweise rät von einem Besuch der Nobelhotels und Restaurants definitiv ab: "Glauben Sie mir, gutes, wenn nicht sogar besseres Essen bekommt man auf der Straße", schreibt er in einem 2010 erschienenen Kochbuch über die Küche von Marrakesch.

Es gibt tausende Variationen, aber eines bleibt immer gleich: Die Zutaten zur Tajine werden kunstvoll aufgeschichtet, dann kommt ein Tondeckel drauf, und das Ganze wird über Stunden leise geschmort.
Foto: Thomas Neuhold

Dass die lukullische Seite für viele Reisende ein Grund ist, immer wieder nach Marrakesch zu kommen, hat sich inzwischen in einem eigenen Museum manifestiert. Das Moroccan Culinary Arts Museum (MCAM) liegt ganz prominent unmittelbar neben dem Bahia-Palast – eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Trotzdem wird es von den meisten Besuchern und Besucherinnen eher nur zufällig entdeckt. Das Museum ist kaum drei Jahre alt, einen großen Teil davon musste es eine Corona-bedingte Zwangspause einlegen. Bis heute wird es in den meisten Reiseführern nicht beschrieben.

Gewürzregal im Kulinarikmuseum von Marrakesch.
Foto: Thomas Neuhold

Das Museum ist in einem ehemaligen Palast aus dem 19. Jahrhundert untergebracht und erstreckt sich über rund 5.000 Quadratmeter. In didaktisch kluger Weise werden dem Besucher und der Besucherin themenzentriert die wichtigsten Bausteine der marokkanischen Küche näher gebracht: Salat, Vorspeise, Hauptgericht, Grundzutaten und Desserts oder auch Tee lauten die einzelnen Kapiteln. Und so erfährt man, beispielsweise was in der legendären Gewürzmischung Ras el Hanout drinnen ist: Zumindest 37 verschiedene Gewürze in hunderten Varianten. Dazu gibt es historisch-aktuelle Abstecher in die jüdische Küche oder die Küche der Berber.

Moderne Schau- und Lernküche für Kurse und Seminare im Kulinarikmuseum von Marrakesch.
Foto: Thomas Neuhold

Wer will, kann zusätzlich zum Eintritt von umgerechnet sechs Euro auch ein kleines Degustations-Menü um noch einmal sechs Euro buchen. Wer das Museum ohne Verkostung besucht, sollte einen Abstecher auf die Dachterrasse machen. Im dortigen Museumscafé kann man das verkosten, was im Museum erklärt wird. Und wer marokkanisch kochen lernen will, kann dies ebenfalls buchen: Das Museum verfügt über eine modernst ausgestattete Schau- und Lernküche. (Thomas Neuhold, 18.1.2023)

Einschenken als Zeremonie: Minztee auf der Dachterrasse des Moroccan Culinary Arts Museum.
Foto: Thomas Neuhold