Heinz-Christian Strache wurde im Prikraf-Prozess – nicht rechtskräftig – freigesprochen und beklagt sich über hohe Prozesskosten.

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Der eine ist ein rechter Politiker, den ein politischer Skandal mit Ach und Krach zu Fall brachte. Der andere ein linker Tierschützer, der mit Protestaktionen für Aufsehen sorgt. Heinz-Christian Strache und Martin Balluch könnten unterschiedlicher kaum sein – und doch haben sie eines gemeinsam.

Gegen beide wurde jahrelang ermittelt. Beide wurden vor Gericht freigesprochen. Und beide blieben danach auf einem Berg an Verteidigungskosten sitzen. Balluch, der nach wie vor als Aktivist tätig ist, war nach Abschluss des berüchtigten Tierschützer-Prozesses vor knapp zehn Jahren mit Kosten von rund 400.000 Euro konfrontiert. Strache, dessen Freispruch nicht rechtskräftig ist, bat seine Fans auf Facebook um Unterstützung.

Strache und Balluch sind nur zwei prominente Beispiele und die Spitze eines Eisbergs an Angeklagten, die nach Freisprüchen knapp vor dem finanziellen Ruin standen. Grund dafür sind die hohen Kosten für Gerichtsverfahren – und der vergleichsweise niedrige Geldersatz, der Betroffenen hierzulande zusteht.

Balluch war nach seinem Freispruch im Jahr 2011 sichtlich erleichtert.
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Kostenersatz mit niedrigem Deckel

Freigesprochene bekommen laut Strafprozessordnung einen "Beitrag zu den Kosten der Verteidigung". Allerdings ist dieser Beitrag gedeckelt: Für Geschworenenprozesse – etwa Mordverfahren – steht ein maximaler Ersatz von 10.000 Euro zu. In Schöffenverfahren, wie sie bei vielen Korruptionsdelikten vorgesehen sind, liegt die Obergrenze bei 5000 Euro. Beschuldigte, deren Verfahren eingestellt werden und die damit nie vor Gericht landen, haben gar keinen Anspruch auf Ersatz.

Juristinnen und Politiker fordern deshalb seit jeher eine Reform. Denn egal ob Freigesprochene tatsächlich unschuldig sind oder vor Gericht schlicht die Beweise fehlten: Auf dem Papier sind sie unbescholten. Und warum sollten Unschuldige, die in die Fänge der Justiz geraten, auf den Kosten sitzenbleiben?

Höchstgericht sieht kein Problem

Norbert Wess sieht darin ein grundrechtliches Problem – und hat die Regelung 2017 vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) angefochten. Der Anwalt argumentierte, dass die Rechtslage nicht nur gegen die Eigentumsfreiheit verstoße, sondern auch gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Der VfGH sah das anders: Ein Geldersatz sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sehe keinen allgemeinen Anspruch auf Kostenersatz vor.

"Das heißt aber nicht, dass es nicht trotzdem mehr als fair wäre, die aktuelle Regelung zu ändern", sagt Alexander Stücklberger, Anwalt bei Brandl Talos, dem STANDARD. "Sie führt regelmäßig dazu, dass Unbescholtene finanziell ruiniert sind. Auch in medial weniger bekannten Fällen passiert das laufend."

International ist es durchaus üblich, dass Beschuldigte nach Einstellungen oder Freisprüchen Ersatz für ihre Kosten bekommen. In Deutschland haben Betroffene einen vollen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten. Eine Obergrenze wie in Österreich gibt es nicht. Dasselbe gilt für die Schweiz und für Liechtenstein, schreibt Wess in der "Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht".

Argumente dagegen gibt es kaum – abgesehen davon, dass ein Kostenersatz die Staatskasse belasten würde. "In der Praxis könnte eine Reform theoretisch dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft zweifelhafte Verfahren seltener anklagt und von Testballons absieht", sagt Anwalt Stücklberger. "Das kann man aber auch positiv sehen."

Justizministerium will verhandeln

Armenak Utudjian, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (Örak), betont im STANDARD-Gespräch, dass sich die türkis-grüne Koalition in ihrem Regierungsprogramm auf eine Erhöhung des Kostenersatzes geeinigt hatte. "Wir fordern einen Ersatz, der sich an den Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) der Rechtsanwälte orientiert." Wer sich einen teureren Rechtsanwalt leistet, würde demnach genauso viel bekommen wie jemand, der weniger Geld ausgibt.

Das Justizministerium unter Alma Zadić (Grüne) hält sich auf Anfrage des STANDARD bedeckt. Das Thema Beschuldigtenrechte werde im Zuge der Reform der Staatsanwaltschaft mit der ÖVP verhandelt. Einen genauen Zeitplan dafür gebe es nicht.

Für Tierschützer Balluch käme eine Reform jedenfalls zu spät. Strache könnte noch davon profitieren – vorausgesetzt, er bleibt auch in weiteren Verfahren des Ibiza-Komplexes unbescholten. (Jakob Pflügl, 16.1.2023)