Die Turbulenzen am Kryptomarkt waren besonders nach der FTX-Pleite gewaltig. Der sogenannte Winter glich einer Eiszeit, doch seit dem Jahreswechsel geht es leicht bergauf.

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Rückschläge ist man in der Kryptowelt gewohnt, Kursschwankungen sowieso. Das vergangene Jahr setzte jedoch neue Maßstäbe und gipfelte in der überraschenden Pleite der einst drittgrößten Kryptobörse FTX. Wie viel dem bis dahin gefeierten Sam Bankman-Fried anzulasten ist, muss nun ein Gericht klären, im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 115 Jahre Haft.

Wie viel Geld wirklich weg ist, wird sich noch zeigen. Eines steht allerdings fest: Die Kryptobranche kämpft mit einem veritablen Vertrauensschaden, der so leicht nicht zu reparieren sein wird. Der viel zitierte Kryptowinter entwickelte sich zur Kryptoeiszeit. Darüber hinaus erschweren sowohl die hohe Inflation als auch die Zinswende der US-Notenbank Fed sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) das Umfeld für derart riskante Assets.

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DER STANDARD

Kaffeesudlesen

Prognosen zu erstellen gleicht ein bisschen dem Lesen im Kaffeesud. Expertenmeinungen divergieren stark. Die einen gehen davon aus, dass das Kryptoflaggschiff Bitcoin sogar unter die 10.000-Dollar-Marke rutschen könnte, andere erwarten ein gutes Jahr, wieder andere gehen von einem starken Abfall im ersten Halbjahr und einem ordentlichen Anstieg im zweiten aus. "Einerseits sprechen charttechnische Analysen dafür, dass es mit den Kursen nach oben gehen dürfte", sagt Marcus Sotiriou vom Vermögensverwalter Global Block. "Andererseits sehen die Konjunkturprognosen mager aus, das heißt, Menschen haben weniger Geld für volatile Investments." Festlegen kann und will sich niemand.

Milliardenschwere Verluste

Auf das Jahr gerechnet verlor der Bitcoin rund 64 Prozent; die Nummer zwei am Markt, Ether, brach um 67 Prozent ein. Während der ersten zwei Wochen 2023 war die Stimmung jedenfalls eher positiv, am Wochenende stieg der Kurs vorübergehend sogar auf über 20.000 Dollar – eine seit Monaten nicht erreichte Marke. In Anbetracht der Summen, um die es in dem Markt geht, ist das aber nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Zum Höhepunkt betrug die Marktkapitalisierung mehr als drei Billionen Dollar, aktuell steht sie bei etwa einer Milliarde. Ebenfalls ein Aufwärtstrend.

Zuletzt ging es wertmäßig steil bergab mit Kryptowährungen. Auch in Zukunft ist Vorsicht geboten, sagen Experten.
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Vor allem nach der FTX-Pleite haben Kunden massig Geld abgezogen. Und doch waren es nicht die großen Kursverluste, die den Anlegern Angst machten. Plattformen wie FTX, Voyager oder Celsius – alle bankrott – sperrten kurz vor ihrem Zusammenbruch den Zugang zu Konten. Vertrauensaufbau sieht anders aus. Zudem tauchen regelmäßig andere Meldungen auf, die am Ansehen der Branche kratzen. Etwa, dass den Kryptofirmen Genesis und Gemini millionenschwere Strafen drohen. Die Kryptobank und die Handelsplattform hätten laut US-Börsenaufsicht SEC illegale Wertpapiere an hunderttausende Kunden verkauft.

Regulierung

"Wenn Vertrauen im Markt schwindet, sieht es der Regulator üblicherweise als seine Pflicht, mit strengeren Regeln das Vertrauen wiederherzustellen", sagt Berthold Baurek-Karlic im STANDARD-Gespräch. Er hat mit seinem Unternehmen Venionaire Capital einen Kryptofonds namens Tigris Web3 aufgelegt. Forderungen nach Regulierungen gab es stets, spätestens seit der FTX-Pleite sind sie wieder hochaktuell. Europa hat sich mit der bevorstehenden "Markets in Crypto Assets (Mica)"-Verordnung bereits bewegt, gelten wird diese vermutlich ab 2024. Baurek-Karlic zufolge hätten Behörden in Europa mit Mica und auch der Steuerrichtlinie DAC8 viel richtig gemacht, seinem regulierten Fonds gebe das zusätzliche Sicherheit. In den USA stehe so etwas noch aus.

Coins der Zentralbanken

"Der nächste große Trigger für einen Bullrun werden digitale Währungen von Zentralbanken sein", sagt Baurek-Karlic. "Der aktuelle Kryptowinter wurde durch den Zusammenbruch des Stablecoins Luna ausgelöst."

Stablecoins sind Kryptowährungen, die den Wert einer Fiat-Währung auf der Blockchain abbilden. "Sobald es den digitalen Euro der EZB gibt, weiß die ganze Welt, dass diese Assetklasse tatsächlich angekommen ist. Mit der Zentralbank als Vertrauenspartner haben dezentrale Finanzsysteme plötzlich einen stabilen Anker im Markt, um den sich schnell viel entwickeln kann", sagt Baurek-Karlic. Für heuer erwartet er noch weitere Konsolidierungen im Markt, blickt der Zukunft aber grundsätzlich optimistisch entgegen. (Andreas Danzer, 16.1.2023)