Nach Ansicht von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) stellt auch die massive Covid-Welle in China keine große Bedrohung mehr dar.

Foto: TINGSHU WANG

Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung die Pandemie in Österreich für beendet erklärt – nur um kurze Zeit später wieder zurückzurudern. Nach drei Jahren Corona soll es nun aber so weit sein: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will die Pandemie auf juristischer Ebene zu Grabe tragen, also alle Corona-Maßnahmen und -Verordnungen "im ersten Halbjahr" abschaffen, verkündete dieser am Samstag in der Kronen Zeitung. Corona wäre demnach keine meldepflichtige Erkrankung mehr. Auch die FFP2-Masken-Pflicht bei einer Infektion oder beim Besuch im Krankenhaus würde fallen. Vage blieb er jedoch beim zeitlichen Horizont für das Aus.

Was zunächst nach einem Alleingang des Ministers aussah, soll im Einklang mit dem Koalitionspartner erfolgt sein, wie es am Sonntag von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hieß. Dieser unterstützt das Maßnahmen-Ende und meinte, die Maßnahmen seien "kein Selbstzweck". Doch was sagen Expertinnen und Experten zu dem Ansinnen der Regierung? Ist es Zeit, dass Corona sich in eine Reihe anderer Viruserkrankungen reiht – nicht mehr und nicht weniger?

Von Laer: Schlecht kommuniziert

In einem Punkt gebe die Virologin Dorothee von Laer dem Minister schon recht: "Die Corona-Maßnahmen sind in der Form tatsächlich nicht mehr notwendig", sagt von Laer im STANDARD-Gespräch. Unzufrieden zeigt sie sich aber mit der Art der Kommunikation – und dem, was diese impliziere. "Ich hätte mir gewünscht, dass der Minister darauf verweist, im Umgang mit vulnerablen Menschen weiterhin eine FFP2-Maske zu tragen", sagt von Laer. Auch die Wichtigkeit der Impfung und deren Auffrischung hätte Rauch unterstreichen sollen, kritisiert von Laer. Denn das Virus sei ja nicht weg. "Es wird uns weiterhin begleiten. Und gerade bei der Grippe sehen wir, wie stark es jedes Jahr unser Gesundheitssystem belastet. Da kommt jetzt eben Corona als zweite Erkrankung dazu."

Omnipräsent waren die Corona-Maßnahmen zuletzt nicht mehr. Sie beschränkten sich auf wenige Bereiche des Alltags. Die FFP2-Maske war etwa nur mehr beim Besuch in Spitälern, Pflegeheimen oder Apotheken vorgeschrieben. Auch bei einer Corona-Infektion gilt lediglich, eine FFP2-Maske in Innenräumen und im Freien zu tragen, als sogenannte "Verkehrsbeschränkung". Und: Der Besuch von Kindergärten und Schulen ist Externen noch untersagt.

Wiener Sonderweg unklar

Eine strengere Gangart hat hier noch die Bundeshauptstadt: In den Öffis gilt hier nach wie vor die FFP2-Masken-Pflicht – auch wenn sich in der Praxis viele nicht mehr daran halten. Im Gesundheitsbereich kommt zur FFP2-Maske eine Testpflicht dazu. Dass Wien hier seit jeher diesen Sonderweg wählt und sich noch nicht auf ein Ende der Maskenpflicht festlegen will, wie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Samstag wissen ließ, ist für von Laer nachvollziehbar. "Die Großstädte sind immer gefährdeter." Wien habe immer noch eine der höchsten Inzidenzen. "Letztlich ist das Aus der Maskenpflicht aber eine politische, keine virologische Entscheidung", sagt von Laer.

Politisch gewollt ist auf Bundesebene ein neues Epidemiegesetz. Denn das aktuelle sei "nicht mehr zeitgemäß, da es in der praktischen Umsetzung zahlreiche Schwierigkeiten bereitet", ließ Rauch am Vortag wissen. Das befand auch schon der Rechnungshof im September 2022: Er empfahl, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Dieses Jahr sollen daher nun alle Interessengruppen eingebunden werden, sodass ein Entwurf noch in dieser "Legislaturperiode" in Begutachtung geschickt werden könne, heißt es auf Nachfrage aus dem Ministerium. Bis das Gesetz steht, wird es also noch dauern.

Was allerdings in ganz Österreich weitergeführt werden soll: die Antigen- und PCR-Tests, zumindest für jene, die Symptome haben. Das Gratisangebot von fünf Tests für alle, das soll es künftig – konkret ab Ende Juli – aber nicht mehr geben, hieß es von Rauch im Ö1- Mittagsjournal. Wachsam wolle man aber weiter beim Entstehen neuer Varianten sein. Dafür werde das Abwassermonitoring fortgeführt.

Monitoring zurückgefahren

Kritik kommt hier allerdings vom Molekularbiologen Ulrich Elling, der mit seinem Team einen maßgeblichen Teil des Variantenmonitorings, gerade im Hinblick auf Patientendaten, betreibt. Noch. Denn im März 2023 soll das Monitoring der Patientendaten eingestellt werden, wie dieser im STANDARD-Gespräch erzählt. "Wir können dann nicht mehr sagen, wie sich die Varianten auswirken. Also wie die Verläufe sind und ob diese Varianten etwa besonders zu Spitalsaufenthalten führen", sagt der Molekularbiologe. Die Wahrscheinlichkeit für neue Varianten sieht er bei 100 Prozent.

Durch die hohe Impfquote und nach vier Pandemiewellen verfüge die Bevölkerung hierzulande zwar über eine gute Immunität. "Aber irgendwann wird auch diese wieder abnehmen", sagt Elling. Alles herunterzufahren sei daher nicht zielführend. "Wir brauchen ein Endemie-Management und ein Pandemiegesetz als Vorbereitung, um in Zukunft besser reagieren zu können." Denn Corona würde uns schließlich noch länger begleiten, sagt Elling. (etom, 15.1.2022)