Würden Insekten schnarchen, wäre es in der Natur wohl ziemlich laut. Myriaden von Insekten befinden sich derzeit in Winterruhe. Sei es als Ei, als Raupe, als Puppe oder als fertige Imagines, wie die Tiere im finalen Stadium genannt werden. Die meisten Insekten verbringen die kalte Jahreszeit unter der Erde, manche haben sich aber auch geschützte oberirdische Plätzchen, etwa in Mauerritzen, im Gras oder auf Ästen, gesucht. Mir ist unlängst ein Wesen untergekommen, das es sich still und starr in einem verharzten Astloch einer Fichte gemütlich gemacht hatte.
Weitverbreiteter Schmetterling
Dank Insektenführer fand ich schnell heraus, dass es sich um einen verpuppten Großen Kohlweißling (Pieris brassicae) handelte. Die Herbstgeneration dieser weitverbreiteten Schmetterlinge überwintert in der Regel als Puppen. Nur wenige Schmetterlinge, wie etwa die Zitronenfalter, trotzen als adulte Tiere Schnee und Kälte.
Schmetterlinge durchlaufen eine vollkommende Metamorphose, die Raupe und das geflügelte Kunstwerk haben optisch nichts gemein. Die unglaubliche Verwandlung findet im Inneren der Puppe statt. Der Kohlweißling in der Hülle in unserem Garten ist ziemlich sicher schon fertig, er wartet nur mehr auf den Frühling, um sein altes Ich hinter sich zu lassen, in Nektarbars herumzuhängen und sich in Liebesabenteuer zu stürzen. Aber vorerst kann er noch ein wenig mützeln.
Erinnerung an Leben als Raupe?
Könnten Schmetterlinge eine Art Erinnerung an ihr Vorleben als kleine Raupe Nimmersatt haben? Forschende der Georgetown University in Washington, D.C., haben dazu Larven von Tabakschwärmern mit Essiggeruch und leichten Stromimpulsen dazu gebracht, bestimmte Wege zu meiden. Ich will stark hoffen, dass keine Tiere verbrutzelt wurden. Jedenfalls haben sich später auch die vollentwickelten Falter an das seinerzeit verinnerlichte "Betreten verboten" gehalten. Alte Gewohnheiten wird man nur schwer los. (Michael Simoner, 19.1.2023)