Auch wenn man es manchmal vergisst: Es gab ein Leben vor dem Kind. Eins, in dem man sich vielleicht vor Partner, Familie oder Freundeskreis ab und zu verbal gehen ließ, um großem Ärger Ausdruck zu verleihen. Eins, in dem man womöglich als unfähig empfundene Verkehrsteilnehmende wüst beschimpfte oder eigene oder fremde Missgeschicke lautstark mit Fäkalwörtern kommentierte.

"#%&!"§$?!"
Foto: Getty Images/iStockphoto/Elisaveta Ivanova

Schimpfwörter vor Kindern: Ein No-go?

Diese Zeiten sind für so manche vorbei. Vor dem nun vorhandenen Nachwuchs sind viele Eltern für gewöhnlich bemüht, als Vorbild zu agieren, wozu es auch gehört, nicht jedes Schimpfwort, das einem im Affekt durch den Kopf schießt, zu äußern. Zudem ist man irritiert, wenn die Kinder aus Kindergarten oder Schule Kraftausdrücke mit nach Hause bringen. Natürlich kann man die Kinder nicht vor allem abschotten – kaum sind sie mit Fernsehen, Hörbüchern und Co konfrontiert, schnappen sie verbal das eine oder andere auf, das man sich selbst verkneift. Auch kinderlose Erwachsene, mit denen man zu tun hat, können im Zuge aufgeregter Erzählungen darauf vergessen, dass Kinder mit im Raum sind, und schon ist ein spannendes neues Wort gefallen, das der Nachwuchs mit Begeisterung in den eigenen Wortschatz aufnimmt.

Im öffentlichen Raum ist man dem gegenüber überhaupt machtlos – fährt man etwa mit dem Kind Bus, U-Bahn oder Bim, braucht nur jemand aufgebracht zu telefonieren, und schon kann man den Impuls verspüren, Sohn oder Tochter vor lauter Unflätigkeiten die Ohren zuzuhalten. Gekrönt wird so ein Erlebnis noch davon, wenn das Kind dabei ein Wort zu hören bekommt, das es nicht versteht, und im vollbesetzten Verkehrsmittel lautstark einfordert, die Bedeutung von "Hurenkind" und Co erläutert zu bekommen.

Fluchen gehört zum Leben dazu

Und auch selbst ist man ja, nur weil man Kinder hat, nicht vor Situationen gefeit, in denen der Mund das Gehirn überholt. Schüttet man sich etwa versehentlich ein Heißgetränk über den Schoß, kann einem schon einmal ein scharfer Kommentar dazu auskommen, daneben stehendes Kind hin oder her. Vielleicht hat man aber auch andere, kindgerechtere Strategien gefunden, seinem Ärger als Elternteil Ausdruck zu verleihen – sich etwa angewöhnt, harmlosere Worte zu benutzen oder auf Englisch zu fluchen, sodass es das Kind nicht versteht.

Bei aller elterlichen Zurückhaltung in Sachen Schimpfen ist man bei diesem Thema bis zu einem gewissen Grad aber machtlos. Kinder merken für gewöhnlich schnell, welche Wörter für rasche Reaktionen gut sind und einem die Aufmerksamkeit der Eltern umgehend sichern. Die Lust am Schimpfen hat viel mit dem Austesten von Grenzen zu tun, das für die kindliche Entwicklung bekanntlich wichtig ist. Und letztlich will man Kindern ja kein unrealistisches Bild der Welt vermitteln – dass Wut und Ärger menschlich sind und dass es zum Leben dazugehört, dass man sich manchmal lautstark Luft machen muss, ist auch ein wichtiger Lernprozess.

Wie handhaben Sie das?

Hat sich Ihr Fluchverhalten verändert, seit Sie Vater oder Mutter sind? Welche Schimpfwörter benutzen Sie, welche nicht (mehr)? Wie reagieren Sie, wenn Ihr Kind einen Kraftausdruck äußert – und wie, wenn es jemand anderer vor ihm tut? Und ab welchem Kindesalter haben Sie diesen Kampf aufgegeben und resigniert? Berichten Sie im Forum! (Daniela Herger, 18.1.2023)