Gute Cocktails, profunde Weinkarte, sehr beachtliche Küche: das neue Schatz Imhof zwischen Haupt-Uni, Rathaus und Landl.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Sass, der legendäre, für seine gepflegt unaufgeregte Atmosphäre weithin gerühmte Club am Karlsplatz, ist mit mehr als 15 Jahren auch schon im fortgeschrittenen Alter. Seine Betreiber sind es auf jeden Fall. So etwas zeitigt irgendwann Konsequenzen. Sebastian Schatz und Gregor Imhof ertappten sich in den vergangenen Jahren immer wieder dabei, an dezidiert gesetzt wirkenden Vergnügungen wie Familienleben, Wochenenden im burgenländischen Kellerstöckl oder einfach gutem Essen mindestens solche Freude zu haben wie am Durchhopsen ganzer Nächte im eigenen Club.

So kam es, wie es musste: Seit Ende vergangenen Sommers haben sie auch ein Restaurant, seit Dezember in einer Form, die ihnen selbst entspricht: mit gepflegter Küche, mit einer Bar, an der durchaus kantige Cocktails gemixt werden, vor allem aber mit einer richtig animierenden Weinkarte.

Ausnahmslos gute Wein-Ware

Das frühere Stadtkind, von Fischer-Bräu-Veteran Sepp Fischer einst opulent gestaltet, wurde leicht umgebaut, mit Max Zechmeister ein Koch mit Filippou- und Do-&-Co-Erfahrung geholt und mit Clemens Dederding ein Sommelier verpflichtet, der zuletzt im grandiosen Pramerl engagiert war. Zu trinken gibt es, was den Chefitäten schmeckt. Und das ist ausnahmslos die gute Ware.

Besonders sympathisch: Die herrlichen Naturweine vom Rebenhof in der Südsteiermark werden bei Tisch aus dem Bag-in-Box-Karton ins Glas gezapft. Macht einiges her, vor allem aber lenkt es den Fokus auf ein weithin verdrängtes Thema der sonst so zukunftsbewusst agierenden Weinszene: die absurde Klimabilanz, die sich aus dem Hin- und Herkarren von Abermillionen Weinflaschen ergibt – gerade bei Naturweinen mit ihrer oft sogar über mehrere Kontinente verstreuten globalen Fangemeinde.

Neben der extravaganten Weinkarte klingt das Essen fast konventionell.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Extravagante Weinkarte

Das meiste ist natürlich auch hier ganz brav in Flaschen zu haben, von Tophäusern der Wachau (Nikolaihof bis Vogelwaide) über das Beste aus dem Kamptal (Arndorfer bis Bründlmayer, samt rarem Orange-Juwel Rawländer), von Moric bis Tement, von Teneriffa (sogar den 100-Punkte-Palo-Blanco von Envinate!) bis Mosel, und durchwegs freundlich kalkuliert noch dazu.

Im Vergleich zur Extravaganz der Weinkarte klingt das Essen fast konventionell. Zechmeister versteht sich aber darauf, auch Beef Tatar oder Backhendlsalat in bemerkenswert komplexe Gerichte zu übersetzen. Letzteren etwa kombiniert er mit funky abgeschmeckter Kimchi-Mayo, so wird er zur tischfeinen Variante von Korean Fried Chicken – kein schlechter Snack zu einem Glas Riesling.

Luftiges Beef Tatar und knackiges Antitoxin

Beef Tatar wird akkurat in Miniwürfelchen geschnitten und mit köstlich würziger Marinade geradezu luftig auf den Teller drapiert, obendrauf gibt es frittierten Rucola – ganz was anderes als der cremig faschierte Puszta-Aufstrich, als der Beef Tatar in Österreich sonst gern missverstanden wird. Tatar von verschiedenen Rüben gelingt sogar noch besser, irrsinnig gut angemacht, mit frischen Walnüssen, cremiger Salsa und Schnittlauchöl, ein knackiges Antitoxin gegen die Winterstarre. Roh marinierte Lachsforelle wird in satte, wächsern schmelzende Tranchen geschnitten, rundherum spielt es sich richtig ab: allerhand Kräuter, knusprige Speckpartikel, Kren und, abermals, eine richtig gute Marinade.

Bei den Hauptspeisen gelingt die Überraschung nicht ganz so gut. Zwar sind die Edelteile, die ausnahmslos langweilig klingen (Saiblingsfilet, Hendlsuprême und Kalbsrücken), wirklich meisterhaft und mit Verve gebraten – dass sie aber allesamt mit dem einen oder anderen Sättigungspüree und Gemüse in Dekoportionen kombiniert werden, wirkt aus der Zeit gefallen. So altmodisch erbtantengerecht wird vielleicht noch in der heimischen Haubengastronomie angerichtet – an diesem sonst so qualitätvollen Ort wirkt es seltsam deplatziert. Dem Vernehmen nach ist man da aber eh schon am Nachbessern. (RONDO, Severin Corti, 20.1.2023)