Es ist halb acht Uhr in der Früh, als einer der beiden junge Bundesheerler, die am Grenzübergang in Schattendorf Dienst haben, einen Pkw durchwinkt. An sich ist das nicht ungewöhnlich, wäre es nicht um diese Uhrzeit verboten, die Grenze an dieser Stelle zu überqueren. Auf der Gemeindestraße, die Schattendorf mit Ödenburg und Agendorf verbindet, gilt an den typischen Pendlerzeiten ein Fahrverbot – also wochentags von fünf bis acht und von 16 bis 19 Uhr. Nur daran halten sich nicht alle. Und das Bundesheer, das an der Grenze stationiert ist, hat keine Befugnis, die Übertretungen zu sanktionieren.

Nicht alle Lenker halten sich an das Fahrverbot am Grenzübergang in Schattendorf. Die Polizei ist nur selten vor Ort, um es zu kontrollieren.
Foto: Guido Gluschitsch

Eingeführt hat das Fahrverbot Bürgermeister Thomas Hoffmann (SPÖ) 2015, um den Verkehr im Ort zu reduzieren. Weil das nur schlecht gelingt – der ORF spricht von 4.000 Fahrzeugen, die jeden Tag über die Grenze kommen –, wollte der Bürgermeister den Grenzübergang mit einem Schranken und einer Kamera versehen. Die Kamera würde die Kennzeichen auslesen und der Schranken nur mehr öffnen, wenn ein Fahrzeug mit Berechtigung an die Grenze kommt.

Anrainer-Grenzübergang

Nach den Plänen von Thomas Hoffmann wären das die Einwohner von Schattendorf und Agendorf. Über weitere Ausnahmen für Menschen, die aus Ungarn kommen und in Schattendorf arbeiten, lasse er mit sich reden. Doch den Grenzverkehr zwischen Ödenburg und Baden, Wiener Neustadt und Mattersburg, den möchte er unterbinden.

Vom Innenministerium scheint er für sein Vorhaben eine Ablehnung zu bekommen. Am 20. Jänner folgt noch ein Gespräch. Vor diesem droht Hoffmann damit, den Grenzübergang ab 1. März mit Betonblöcken oder Pollern komplett zu schließen, wenn der Schranken nicht bewilligt werde. Das gehe, weil die Straße eine Gemeindestraße sei, sagt er, auf der er Maßnahmen zum Schutz der Fußgängerinnen und Fußgänger treffen müsse, wenn das notwendig sei.

Manche Menschen gehen während des Fahrverbots zu Fuß über die Grenze.
Foto: Guido Gluschitsch

"Die Straße führt durch das Herz unserer Gemeinde", sagt Thomas Hoffman und verweist auf den Kindergarten, die Krippe, das Pflegezentrum, den Friedhof, das Freibad und die Volksschule, die entlang der "meistfrequentierten Nebengasse des Landes" liegen.

Eine Verkehrszählung habe er zwar nicht gemacht, aber "angeblich soll jetzt eine kommen", nicht gerade zur Freude des Bürgermeisters. Denn gerade jetzt, wo die Gastro leide und im Winter das Baugewerbe zurückgefahren ist, würde man nicht das volle Ausmaß des Problems sehen.

Unfälle mit Pendlern

"Was muss noch alles passieren?", wiederholt er mehrmals. "Wir hatten in den letzten Wochen zwei Verkehrsunfälle. Einmal ist ein Radfahrer, der dann mehrere Tage im Spital lag, von einem Pkw erfasst worden, einmal ein 90-jähriger Fußgänger, der immer noch um sein Leben bangt." Darum will Thomas Hoffmann zur Not die Straße blockieren, um die Durchfahrt zu verhindern. Doch sein Wunsch wäre ein anderer: "Die Straße dem Grundgedanken nach zu nützen."

Demnach ist die Straße ein grenzübergreifender Verbindungsweg – "im Sinne des Zusammenwachsens der Regionen". Zur Pendlerroute wurde sie erst, nachdem sie mit EU-Fördergeld asphaltiert wurde. Doch man erhielt den Charakter eines Weges – die Straße ist nicht breit genug für zwei Fahrspuren.

Eine halbe Stunde vor 8 Uhr ist es am Montag in der Früh ruhig am Grenzübergang.
Foto: Guido Gluschitsch

Um das Fahrverbot zu umgehen, haben einige Pendler schon jetzt eine Alternative gefunden, sicher straffrei in die Arbeit zu kommen. Man reist mit dem Privatauto bis zur Grenze, stellt es dort auf dem Parkplatz ab, geht zu Fuß nach Österreich, wo man am Vortag das Firmenauto abgestellt hat, und fährt mit diesem weiter. Um auch das künftig zu unterbinden, will Thomas Hoffmann die Kurzparkzone ausweiten. Aus dem Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) heißt es, man unterstütze die "ambitionierte Idee des Bürgermeisters, um den Anrainerverkehr aufrechtzuerhalten".

Verständnis, aber langer Umweg

Kurz vor acht Uhr morgens hat sich auf der ungarischen Seite eine Autokolonne gebildet. Die meisten Menschen warten, bis die Grenze offiziell offen ist. Nur wenige Autos fahren an den stehenden Autos vorbei und passieren die Grenze. Auf österreichischer Seite stehen zwei Pkws. "Wir fahren nach Ungarn die Messer holen, die wir dort schleifen haben lassen", erzählt ein Fahrer. Er kommt aus einer Nachbargemeinde, und ihn würde die Sperre der Grenze treffen. Er fährt öfter nach Ungarn und müsste dann einen Umweg von rund einer halben Stunde in Kauf nehmen. "Das ist zwar ungut, aber ich verstehe die Schattendorfer." Er nimmt es, wie es kommt.

Pünktlich um 8 Uhr starten die Fahrzeuge, die das Ende des Fahrverbots abgewartet haben, los.
Foto: Guido Gluschitsch

"Ich bin im Oktober mit 81,9 Prozent der Stimmen gewählt worden", sagt Thomas Hoffmann, "und ich habe schon vor der Wahl gesagt, dass ich mich dieser Sache annehmen werde. Hätte die Bevölkerung das nicht gewollt, hätte ich das Ergebnis nicht erzielt", ist er überzeugt. Gegner seiner Idee kennt er nicht. Vielleicht ein paar Ungarn, die in Schattendorf wohnen. Aber selbst im ungarischen Agendorf würde man seine Idee unterstützen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.

Stoßzeit in Schattendorf, zwischen Pflegeheim und Friedhof.
Foto: Guido Gluschitsch

Pünktlich um acht Uhr setzt sich die Kolonne auf ungarischer Seite in Bewegung. Kurz wird es am Grenzübergang eng, weil auch die Pkws aus Österreich losfahren. Da muss das Bankett herhalten. Sieben Minuten später ist der Verkehr abgeflossen. Am Grenzübergang und im Ort kehrt wieder Ruhe ein. (Guido Gluschitsch, 17.1.2023)