Die Corona-Pandemie wuchs sich auf gesetzlicher Ebene zu einem Zettelwerk aus.

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Die gefährlichste Phase der Pandemie sei offenbar vorbei, damit seien die noch bestehenden Corona-Regeln mittelfristig verzichtbar. Mit dieser Aussage in einem Kronen Zeitungs-Interview am Samstag erregte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) größeres Aufsehen. Dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) diese Einschätzung am Sonntag bestätigte, steigerte die Aufmerksamkeit.

Konkret will Rauch die noch existierenden Präventionsmaßnahmen gegen den durch die Atemluft übertragbaren Covid-Erreger im Lauf des Jahres 2023 außer Kraft setzen. Neben Masken- und Testpflichten würde das etwa die nach dem Ende der Corona-Quarantäne eingeführte Verkehrsbeschränkung für Corona-Infizierte betreffen. Detto das Recht auf Sonderbetreuungszeit für Eltern, wenn ein Kind eine Bildungseinrichtung wegen einer Covid-Erkrankung nicht besuchen kann.

Zur Disposition würden zudem Corona-Sonderregelungen in der Verwaltung stehen, etwa dass bei Staatsbürgerschaftsverleihungen das Gelöbnis schriftlich abgegeben werden kann, ebenso Einschränkungen beim Parteienverkehr, sollte es die Situation erfordern. Auch die Möglichkeit für Apotheken, sogenannte Fernrezepte zu nutzen, würde gekippt. Detto wäre die Freistellung vom Job für Personen mit extremem Erkrankungsrisiko durch Corona dann eine Abschaffungskandidatin.

Impfen und Paxlovid gratis

Sein Ziel sei, die Corona-Impfung und Covid-Medikamente wie etwa Paxlovid auch nach dem Ende der bis dato vereinbarten Finanzierung durch die öffentliche Hand am 30. Juni kostenlos zu halten, sagte Rauch. Auch Tests für symptomlose Menschen sollten für manche Personengruppe weiterhin gratis sein.

Das Ende der Corona-Regeln samt dem Covid-19-Maßnahmengesetz ist laut dem Minister aber auch deshalb nötig, weil es eine völlig neue rechtliche Grundlage für Maßnahmen im Seuchenfall brauche. "Das Epidemiegesetz in seiner jetzigen Form ist nicht mehr zeitgemäß", sagt der Minister. Das Ziel sei es, noch in dieser Legislaturperiode einen Entwurf in Begutachtung zu schicken.

Aber wie könnte ein modernes Epidemiegesetz aussehen? Und welche Schwierigkeit gibt es mit der aktuellen Fassung mit Ursprung im Jahr 1913? "Aus meiner Sicht war das Hauptproblem, dass das alte Gesetz eben ein Epidemie- und kein Pandemiegesetz war", sagt der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger. "Man ist einst rechtlich von einzelnen Ortsteilen ausgegangen, in denen eine ansteckende Krankheit ausgebrochen ist, und diese zu isolieren waren – damit war die Sache erledigt."

Für eine weltweite Pandemie sei man in den Augen Bußjägers hierzulande "nicht gerüstet" gewesen. Mit solch großflächige Ausgeh- und Verkehrsbeschränkungen samt Abriegelungen von ganzen Landesteilen habe man rechtlich völliges Neuland betreten. Es dürfe nicht mehr passieren, dass Legisten innerhalb weniger Tage ein noch nie dagewesenes Gesetz basteln müssen, sagt Bußjäger, "mit allen bekannten rechtlichen Unzulänglichkeiten", wie das speziell zu Beginn der Corona-Pandemie der Fall gewesen sei.

Die "üblichen Verdächtigen"

Ein modernes Gesetz müsse daher beide Stufen kennen, die der Epidemie und jene der Pandemie. Und laut Bußjäger solle künftig so gut wie alles in einem neuen Regelwerk stehen, was in den vergangenen drei Jahren angelehnt an den Kenntnisstand der Wissenschaft erst mühsam in das Covid-19-Maßnahmengesetz geklopft worden sei. Voraussetzungen für Ausgangsbeschränkungen bis hin zu Quarantäneregeln und einem Modus, wann landesweite oder bundesweite Maßnahmen erforderlich sind, müssen darin festgelegt werden. "Dass das rechtlich nur in flexibler Form geht, ist eh klar", sagt Bußjäger.

Der Verfassungsjurist spricht sich auch dafür aus, dass sich eine allfällige Impfpflicht in diesem Gesetzesrahmen wiederfinden müsse. "Das wird zwar wieder ein Knackpunkt sein", sagt Bußjäger. "Aber es wäre schon gut, sie aktivieren zu können, wenn man sie braucht."

Grundsätzlich glaubt der Jurist, dass "die üblichen Verdächtigen" aufschreien werden, sollte sich der Staat ein solches Maßnahmengesetz verschaffen. "Aber es ist nun einmal ein Krisengesetz", sagt Bußjäger. "Man mag die Corona-Maßnahmen als überschießend empfunden haben oder nicht, und Gesetz- und Verordnungsgeber haben nicht alles richtig gemacht, dass aber Maßnahmen in der Pandemie notwendig waren, darüber gibt es am Ende keinen Zweifel." (Irene Brickner, Jan Michael Marchart, 17.1.2023)