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Zwei Drittel der Wiener Kindergartenplätze werden aktuell von privaten Einrichtungen angeboten. Rund 410 Träger werden gefördert. 412 Millionen Euro an Förderungen wurden an die privaten Vereine im Jahr 2022 ausgeschüttet.

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Ein privater Kindergartenverein mit aktuell zwölf Standorten in Wien hat Baufirmen mit der Herstellung und Lieferung von Essensportionen für die betreuten Kinder beauftragt. Drei der vier Baufirmen wurden vom Finanzministerium später als Scheinfirmen klassifiziert. Das hat ein aktueller Bericht des Wiener Stadtrechnungshofs zutage gefördert – DER STANDARD berichtete umfassend. Der Stadtrechnungshof konnte den privaten Verein prüfen, weil dieser auch signifikante Summen an Fördermitteln im Rahmen des Modells "beitragsfreier Kindergarten" erhielt. Zwischen 2019 und 2021 waren es Förderungen in Höhe von insgesamt 15,6 Millionen Euro. 2021 betrieb der Kindergartenverein 47 Gruppen mit rund 800 Kindern. Gegründet wurde dieser laut Vereinsregisterauszug im Jahr 2009.

Die Prüfer stellten aber auch zahlreiche In-sich-Geschäfte zwischen den Familienmitgliedern, die den Verein führen, und dem Verein selbst fest. Im Fuhrpark des Kindergartenvereins befanden sich seit 2017 fünf BMWs und zwei Peugeots, die geleast wurden. Und auch Verkehrsstrafen wurden vom Kindergartenverein übernommen.

MA 10 sind "Auffälligkeiten" bei Kontrollen aufgefallen

Doch wie kam es überhaupt zu diesem Bericht? Immerhin werden von der zuständigen MA 10 (Kindergärten) 410 private Trägerorganisationen gefördert. Laut Stadtrechnungshof wurde die Gebarung des Vereins Kindergarten Minibambini stichprobenweise ab Mitte des Vorjahres geprüft. Die Entscheidung zur Prüfung wurde "in Anwendung der risikoorientierten Prüfungsthemenauswahl des StRH Wien getroffen", wie es im Prüfbericht heißt.

Der Stadt Wien dürften Probleme mit dem Verein Minibambini aber schon im Vorfeld der Prüfung des Stadt-RH bekannt gewesen sein, wie aus einer Stellungnahme von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) zum STANDARD hervorgeht. Demnach wurde dieser Verein dem Stadt-RH im Frühjahr 2022 von der MA 10 zu einer vertieften Prüfung vorgeschlagen, weil Auffälligkeiten bei Kontrollen aufgetreten sind. Der Rechnungshofbericht "hat unsere Befürchtungen leider bestätigt", sagte Wiederkehr.

Die MA 10 führt standardisierte Förderkontrollen durch, um den widmungsgemäßen Einsatz der Fördergelder zu überprüfen. 2022 waren es laut dem Büro Wiederkehr mehr als 1.000 Prüfungen. Bei Auffälligkeiten kann die Abteilung auch externe intensive Prüfungen beauftragen – oder selbst Maßnahmen setzen, die auch einen Förderstopp oder Rückforderungen umfassen.

Offene Rückforderung in Höhe von 125.000 Euro

Der Verein Minibambini hat etwa im Jahr 2021 auch eine Anstoßfinanzierung erhalten, um neue Kindergartenplätze zu schaffen. Da diese Gruppe nicht rechtzeitig eröffnet wurde, bestehe hier eine Rückforderung in Höhe von 125.000 Euro. Diese wurde "bereits eingeleitet". Außerdem wird geprüft, ob auch die vom Verein bezahlten Verkehrsstrafen rückgefordert werden. Die strafrechtlichen Konsequenzen müsse die Staatsanwaltschaft prüfen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte dem STANDARD, dass eine diesbezügliche Sachverhaltsdarstellung eingelangt sei, die derzeit geprüft werde. Laut dem Büro Wiederkehr wurde die Behörde am vergangenen Donnerstag informiert.

Die Kindergartengruppen des Vereins werden derzeit weiterbetrieben. Bei regelmäßigen Kontrollen der MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) seien keine Mängel, was Kinderschutz oder pädagogische Bildungsarbeit betrifft, festgestellt worden, heißt es aus dem Büro Wiederkehr. Kleinere Mängel seien "durch den Betreiber stets umgehend behoben worden". Das betraf demnach auch Vorwürfe einer Ex-Mitarbeiterin im März 2021, wonach etwa Kinder geführt wurden, die den Kindergarten nicht besuchten. Zudem sollen Betreuungsverträge gefälscht und Assistentinnen als Pädagoginnen ausgewiesen worden sein.

Vonseiten der MA 11 gebe es im Hinblick auf die Bereiche Pädagogik, Ausstattung, Sicherheit und Hygiene an jedem Kindergartenstandort mindestens eine Kontrolle pro Jahr – im Anlassfall seien es mehr.

412 Millionen Euro an Kindergartenvereine im Jahr 2022

Zwei Drittel der Wiener Kindergartenplätze werden aktuell von privaten Einrichtungen angeboten. Rund 410 Träger werden gefördert, im Modell "beitragsfreier Kindergarten" werden 54.000 Kinder pro Monat betreut. 412 Millionen Euro an Förderungen wurden an die privaten Vereine im Jahr 2022 ausgeschüttet, heißt es aus dem Büro Wiederkehr auf STANDARD-Anfrage.

Wiener ÖVP für Sondergemeinderat

Die Wiener ÖVP vermutet eine mangelnde Kontrolle der privaten Kindergärten und will einen Sondergemeinderat initiieren, wie Parteichef Karl Mahrer und der türkise Bildungssprecher Harald Zierfuß bekanntgaben. Dabei soll auch ein Misstrauensantrag gegen Vizebürgermeister Wiederkehr Thema sein. Zum aktuellen Fall des Kindergartenvereins Minibambini sagte Zierfuß: "Das ist ein Kontrollversagen sondergleichen." Ein "Familienclan" habe anscheinend einen Kindergarten als Selbstbedienungsladen betrieben.

Für den Verein Minibambini wird ein sofortiger Förderstopp verlangt. Diese Forderung weist Wiederkehr zurück – und bezeichnet einen sofortigen Förderungsstopp mit Verweis auf die knapp 800 zu betreuenden Kinder als als "verantwortungslos. Denn dann würden die Kinder morgen ohne Betreuung sein".

Dieselben handelnden Personen einer Familie scheinen übrigens neben dem Verein "Kindergarten Minibambini" auch in führenden Positionen beim Verein "Kindergarten Dumbo" auf. Dieser wurde 2014 gegründet. Mittlerweile dürfte der Standort dieses Kindergartens aber im Verein Minibambini aufgegangen sein. (David Krutzler, 17.1.2023)