Eine Reihe von Artikeln über den früheren FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein könnte für die "Kronen Zeitung" ziemlich kostspielig werden, wenn ein am Dienstag gefälltes Urteil rechtskräftig würde.

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Wien – Richterin Nicole Baczak ist im vom ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein angestrengten Medienverfahren gegen die "Kronen Zeitung" kurzzeitig einmal baff: "Man könnte auch die Frage stellen: Was war überhaupt richtig in dem Artikel? Ihr Name war richtig geschrieben?", fragt sie den 48-Jährigen, der als Zeuge in eigener Sache vor ihr sitzt. "Ja", bestätigt dieser. Bis auf den Namen stimme aber in insgesamt zwölf gedruckt oder online erschienenen Beiträgen über seinen angeblichen Suizidversuch und dessen Umstände praktisch nichts.

Der von Anwalt Niki Haas vertretene Jenewein hat auch deshalb den "Krone"-Verlag wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches geklagt. Zu Unrecht, argumentiert Alexandra Thurner, die juristische Vertreterin des Mediums: Der Fall habe politische Brisanz gehabt, da in den Tagen davor bekannt geworden sei, dass der Kläger in der Vergangenheit in parteiinterne Intrigen verwickelt gewesen sei und bei einer Hausdurchsuchung bei Jenewein eine Anzeige gegen die eigenen Parteikameraden aus der Wiener FPÖ gefunden worden sei. Da er als enger Vertrauter von FPÖ-Chef Herbert Kickl galt, sei auch dessen Involvierung im Raum gestanden.

Kläger verzichtet auf Ausschluss der Öffentlichkeit

Zu Baczaks Überraschung beantragt Haas die Einvernahme seines Mandanten. Das Angebot der Richterin, die aus der Vertreterin des "Falter" und dem Autor bestehende Öffentlichkeit während der Befragung auszuschließen, lehnt Jenewein ab. Er habe bereits lange vor dem Vorfall an psychischen Problemen gelitten, ausgelöst durch eine schwere Erkrankung in der Familie, führt er aus. Am Tag davor sei eine besonders schlechte medizinische Nachricht gekommen, was seine Schlaflosigkeit noch verstärkt habe.

In der "Krone" las sich das so: Jeneweins Ex-Frau habe ihn samt einem Abschiedsbrief gefunden, er ringe auf der Intensivstation um sein Leben, und der Journalist insinuierte einen Konnex mit den politischen Vorgängen. Der Kläger zerlegt den Artikel Punkt für Punkt: "Ich bin nie auf einer Intensivstation gelegen und war nie in Lebensgefahr", stellt er klar. Er habe auch keine "Ex-Frau", da er noch immer in erster Ehe verheiratet sei, und "auch einen Abschiedsbrief hat es nie gegeben."

Auch die politische Verbindung sei nicht korrekt: Er sei nicht, wie geschrieben, "wenige Tage zuvor" aus der FPÖ ausgetreten, der bei ihm gefundene Anzeigenentwurf sei nicht mit dem schließlich eingebrachten identisch – wer die tatsächliche Anzeige formuliert habe, wisse er nicht, behauptet Jenewein unter Wahrheitspflicht. "Ein Faktum ist völlig ausgespart worden: dass ich seit 2019 kein Mandat mehr habe", hält er auch fest. Er habe zwar noch für den FPÖ-Parlamentsklub gearbeitet, das sei aber sein Beruf gewesen.

Aufgewühlte Mutter

"Wie hat Ihr Umfeld die Berichterstattung aufgenommen?", will sein Rechtsvertreter wissen. Er sei von vielen kontaktiert worden, erläutert Jenewein, seine gebrechliche Mutter habe verzweifelt versucht, herauszufinden, in welchem Spital er auf der Intensivstation liege. Naheliegenderweise ohne Erfolg. Seine Kinder hätten die Nachricht aus anderen Medien, die die "Krone"-Meldung aufgriffen, erfahren. "Ich bin froh, dass meine Kinder das nicht lesen mussten", geißelt Jenewein besonders einen der betreffenden Beiträge, die Kolumne "Post von Jeannée".

Für Anwalt Haas ist damit klar, dass die Berichterstattung "rein zur Befriedigung der Leser und der Erhöhung der Leserzahlen gedient hat", wie er in seinem Schlussplädoyer ausführt. "Krone"-Anwältin Thurner bleibt in ihren Schlussworten bei der Verteidigungslinie: "Suizidberichterstattung ist generell ein heikles Thema. Aber in diesem Fall war ein politischer Hintergrund da", ist sie überzeugt. "Wäre nur berichtet worden: 'Es gab einen Notfall', würden die Leser sich fragen, welchen Notfall – und warum gab es ihn?", ist sie sich sicher.

"Juristische und menschliche Herausforderung"

Baczak sieht das anders. Sie verurteilt das Medium zu einer ungewöhnlich hohen Entschädigung an Jenewein von insgesamt 96.000 Euro für die zwölf Artikel. Der Fall sei eine "juristische und menschliche Herausforderung", begründet sie ihre Entscheidung. Judikatur gebe es zu diesem speziellen Fall noch nicht. Grundsätzlich gelte: "Der Tod ist öffentlich, das Sterben der höchstpersönliche Lebensbereich." Aufgrund der früheren Tätigkeit Jeneweins habe sie aber tatsächlich prüfen müssen, ob "die Veröffentlichung wahr ist und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben steht". Dann wären die Berichte laut Mediengesetz nämlich zulässig.

Für die Richterin ist das nicht der Fall: "Was ist die politische Relevanz, wenn jemand einen Selbstmordversuch unternimmt? Keine", beantwortet sie sich die Frage selbst. Da aber auch der Wahrheitsgehalt der Beiträge überschaubar ist, "ist es eine hohe Entschädigung wert", gibt sie sich überzeugt. Da weder Antragssteller- noch Antragsgegnervertreter eine Erklärung abgeben, ist das Urteil nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 17.1.2023)