Warum die Darstellung der weiblichen Figuren zum Teil so ist, wie sie ist, darf man 2023 durchaus fragen.

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Der Beginn des Zweiten Golfkrieges, Jahr eins nach der deutschen Wiedervereinigung, und in Österreich war die meiste Zeit Matthias Reim mit "Verdammt, ich lieb dich" Nummer eins in den Musik-Charts. Ja, wir reden vom Jahr 1990. Warum wir das tun, ist schnell erklärt. In diesem Jahr wurde auch die Strategie-Rollenspiel-Serie "Fire Emblem" erstmals auf Videospielerinnen losgelassen.

Nach vielen Höhen und Tiefen erscheint 33 Jahre später, genauer gesagt am 20. Jänner 2023, der neueste Teil mit dem Untertitel "Engage". Revolution darf man sich keine erwarten, aber unterhaltsame 20 bis 30 Stunden kann man mit diesem Titel in jedem Fall einplanen.

Die Kämpfe werden immer komplexer und fordern mit zahlreichen taktischen Entscheidungen.
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Irgendwas mit Ringen

Einerseits ist es mir aus Embargo-Gründen untersagt, viel über die Story zu erzählen, andererseits habe ich die meisten Textboxen, die größtenteils mit englischer Sprachausgabe versehen sind, weggeklickt. Im Großen und Ganzen geht es um den Kontinent Elyos, der von einer bösen Macht bedroht wird. Die Rettung soll die Spielerin beziehungsweise der Spieler in Form eines nach sehr vielen Jahren wiedererwachten Wyrmgottes bringen.

Auch wenn es einige Storywendungen gibt, Innovationspreis erhält "Engage" mit seinen kindlich geschriebenen Texten und überzeichneten Charakteren mit Sicherheit nicht. Vor allem die Darstellung der Figuren ist diesmal besonders jung ausgefallen. Kaum eine Figur wirkt, als wäre sie älter als 20 Jahre alt, was speziell bei den aufreizenden und ausladenden Kostümen so mancher weiblicher Kämpferin negativ auffällt. Warum man im Jahr 2023 hier noch immer mit solchen Mitteln arbeitet, auch wenn die Zielgruppe aufgrund der Plattform durchaus jung ausfallen kann, bleibt eine offene Frage, die in diesem Text nicht beantwortet werden kann. Widmen wir uns aber den erfreulichen Dingen des Spiels, und davon gibt es zahlreiche.

Ausrüstung und Zusammenstellung des Teams sollten vor jedem Kampf geprüft werden.
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Vertrautes Neues

Kenner der Serie werden sich schnell zurechtfinden. Grundsätzlich teilt sich das Spiel noch immer in zwei große inhaltliche Blöcke. Da wären natürlich zum einen die rundenbasierten Kämpfe, die man mit einer ausgewählten Gruppe an Figuren in Angriff nimmt. Im Idealfall gut ausgerüstet, zieht man seine Magier, Bogenschützen, berittenen Kämpfer und Heiler sicher über das Spielfeld, um dort entweder einen bestimmten Punkt zu erreichen oder aber gezielt Gegner auszuschalten.

Das Terrain – etwa Büsche oder Treibsand – sollte dabei genauso berücksichtigt werden wie die Stärken und Schwächen der eigenen und feindlichen Einheiten. Nach dem bekannten Stein-Schere-Papier-System sind manche Waffen stärker gegen andere beziehungsweise ignoriert Magie etwa dicke Rüstungen. Die Zusammenstellung der bis zu einem Dutzend steuerbaren Figuren ist deshalb eine Überlegung wert. Auch Heiltränke, Zweitwaffen oder ähnlich sinnvolle Gegenstände sollte man als Kampf-Party mit sich tragen.

Als neues Element präsentieren sich diesmal die Emblem-Rings, die Heldinnen und Helden der 30-jährigen Serien-Geschichte an unsere Seite stellen. Damit ergeben sich Superfähigkeiten wie ein Teleport an eine beliebte Stelle der Karte oder auch besonders effektive Doppelangriffe aus zwei unterschiedlichen Waffen.

Informationen und Hintergründe zu den einzelnen Figuren können jederzeit nachgelesen werden.
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Multiplayer

Auch einen Multiplayer-Modus hat das Spiel spendiert bekommen. Im Turm der Prüfungen kann man sich an zwei Spielmodi versuchen. In der sogenannten Staffelprüfung kann man sich gemeinsam mit anderen Mitspielerinnen durch verschiedene Karten kämpfen. In Dimensionsprüfungen können Kämpfe gegen andere Spieler auf eigens erstellten oder vorgefertigten Karten geführt werden. Ein netter Bonus, der für zusätzliche Stunden im Spiel sorgen kann.

Romanzen und Technik

Zwischen den komplexer und schwieriger werdenden Auseinandersetzungen wird serientypisch die Story weitererzählt. Selten in eindrucksvollen Zwischensequenzen, dafür sehr zahlreich in Dialogen zwischen den Protagonisten werden so neue Charaktere eingeführt, Beziehungen mit Mitstreiterinnen vertieft oder auch in diversen Shops Ausrüstung gekauft oder verbessert. Das artet zum Teil aus, erfordert aber nicht mehr so lange Laufwege, wie das zuletzt in "Three Houses" 2019 der Fall war. Wer also mehr Hintergrund zu den Figuren haben möchte beziehungsweise deren Verbindungen vertiefen will, der kann hier zahlreiche Stunden versenken – aber auch meine Spielweise, mit dem primären Weiterklicken und Ignorieren menschlicher Beziehungen, ist ein gangbarer Weg, um stark genug durch das Spiel zu kommen.

Technisch kann man dem Spiel wenig vorwerfen, Lob kassieren allerdings maximal die schicken Kampfanimationen, wenn man zusammen mit einem Ring-Charakter auf den Gegner zustürmt. Ansonsten gestalten sich die Hintergründe minimalistisch, die Figuren geben sich, wie bereits angesprochen, sehr jugendlich und klischeehaft. Soundtechnisch wartet so manch schöne Melodie auf die Spielerin, und auch die englische Sprachausgabe weiß mit Emotionen zu überraschen.

Der Umfang des Spiels hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen wird jeder Spieler unterschiedlich viel Zeit mit Gesprächen und dem Verfeinern des Inventars verbringen. Außerdem ist man auf den einfacheren Schwierigkeitsgraden nicht nur vielen Widersachern überlegen, gefallene Mitstreiterinnen können dort auch nach einem Kampf erneut in die Party mitaufgenommen werden. Auf härteren Stufen ist das nicht möglich, aber auch nicht so frustrierend wie in so manch anderem Teil, da immer wieder neue Figuren dazustoßen, die ebenfalls wertvolle Wegbegleiter sein können.

"Fire Emblem Engage" erscheint am 20. Jänner 2023 für Nintendo Switch. Das Testmuster wurde dem STANDARD von Nintendo Österreich zur Verfügung gestellt.

Auch die Widersacherinnen präsentieren sich sehr freizügig in ihren Outfits.
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Fazit

Wo "Fire Emblem" draufsteht, ist "Fire Emblem" drin. Zumindest im Falle von "Engage" darf man das mit Fug und Recht behaupten. Der Fokus liegt ganz klar auf den immer komplexer werdenden Kämpfen, die aufgrund der unterschiedlichen Figuren und Fähigkeiten auch 33 Jahre nach dem ersten rundenbasierten Kampf auf dem NES für viele Stunden unterhalten können. Die optische Präsentation ist gelungen, allerdings mit nur wenigen Highlights gesegnet.

Die zum Teil "pubertierenden" Dialoge beziehungsweise die überzeichnete Gestik der kindlichen Figuren muss man mögen – oder wie ich einfach ausblenden. Spielerisch hat man sich mit den Ringen einen neuen Kniff überlegt, wirklich bahnbrechende Veränderungen am Spielkonzept braucht man deshalb aber weder zu erhoffen noch zu befürchten. Fans von rundenbasierten Kämpfen, die dazwischen auch mit einem dicken roten Faden verknüpft sind, finden in "Fire Emblem: Engage" ein frühes Highlight in diesem noch so jungen Spielejahr. Persönlich würde ich mir wünschen, dass die Entwickler anerkennen, dass auch ihr Publikum 33 Jahre älter ist, und vielleicht in den nächsten Jahren einmal mit einer erwachsenen Interpretation ihres Spielkonzepts überraschen. (Alexander Amon, 17.1.2023)