Seit 2022 ist auf jeder E-Card ein Foto Pflicht, außer bei unter 14-jährigen Kindern, über 70-Jährigen und Menschen mit Pflegestufe vier.

Foto: SV & Austriacard

Christoph Klein will die Ungleichbehandlung nicht auf sich sitzenlassen. Als EU-Bürger sei er den Hiesigen gleichgestellt, sagt der in Salzburg lebende, selbstständig tätige und hierzulande sozialversicherte Deutsche.

Daher verstehe er absolut nicht, warum er – anders als jeder österreichische Staatsbürger – Anfang Jänner zur Fremdenpolizei habe pilgern müssen, um ein Foto für seine E-Card registrieren zu lassen. "Auf den Termin musste ich vier Wochen warten, dann gab es dort Sicherheitsvorkehrungen wie in Fort Knox", schildert er. Drinnen habe er sein Foto einfach abgegeben. Er werde die E-Card mit Bild nun in drei bis vier Wochen zugeschickt bekommen, habe ihm die Polizeibeamtin angekündigt.

Beschwerdeführer ortet Vertragsverletzung

Dass EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ihr Konterfei bei der Polizei einreichen müssen, sei eine "offenkundige Vertragsverletzung gegen geltendes Unions- und Primärrecht", sagt Klein. Er hat bei Solvit, einer Rechtsberatungseinrichtung der Europäischen Kommission, eine Beschwerde gegen die Republik eingereicht.

Besagter Gang zur Fremdenpolizei ist aber nicht nur EU-Staatsangehörigen vorgeschrieben. Tatsächlich gilt diese Regel für sämtliche Ausländerinnen und Ausländer, die in Österreich eine E-Card haben – egal ob sie aus einem Unionsstaat oder aus einem Drittland kommen. Österreicherinnen und Österreicher hingegen können ihr Foto bei der Sozialversicherung abgeben.

Haben die heimischen Behörden bereits ein Foto im System, so wird dieses für die E-Card genommen. Bei österreichischen Staatsbürgern ist das in der Regel der Fall, bei Nichtösterreichern in abertausenden Fällen nicht.

Türkis-blaue Regelung

Eingeführt wurde die Bestimmung unter Türkis-Blau, im Rahmen einer ASVG-Novelle im Jahr 2019. Diese begründet die Fotopflicht für alle E-Cards ab 2022, egal ob sie Inländern oder Ausländern gehören. Damit sollte dem sogenannten Sozialbetrug per Versicherungskarte Einhalt geboten werden, wie damals auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger betonte.

Die FPÖ wiederum ortete dieses Delikt vor allem bei nichtösterreichischen Staatsangehörigen. Viele Ausländerinnen und Ausländer würden mit einer fremden E-Card zum Arzt gehen und sich so Leistungen erschleichen, behaupteten die Blauen. Der österreichische Staat werde dadurch jährlich um 30 Millionen Euro geschädigt. Die Summe hielt einem Realitätstest nicht stand: Nur knapp 9.900 Euro seien ihr durch E-Card-Betrug 2016 entgangen, rechnete die damalige Wiener Gebietskrankenkasse vor.

FPÖ machte mit "Ali-Video" Stimmung

Mit dem Sozialbetrugsthema machten die Freiheitlichen gegen Einwanderer Stimmung. Ein Video aus dem Jahr 2018 zeigt einen "Ali", der mit "Mustafas" Karte zum Zahnarzt geht. Der Clip sticht durch einen höhnischen Ton heraus und wurde vielfach als rassistisch kritisiert. 2022 urteilte der Verfassungsgerichtshof, die Aufnahme sei "diskriminierend" und daher "gesetzeswidrig".

Von diesen Hintergründen habe er nichts gewusst, als er seine EU-Beschwerde einlegte, sagt der Deutsche Christoph Klein. Seines Erachtens verstoße die geltende Foto-Ungleichbehandlung gegen die EU-Grundrechtecharta. Der für E-Card-Fragen politisch zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigt Verständnis für die Kritik: "Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Regelungen gerade für Nichtösterreicher:innen oft umständlich und aufwendig sein können", sagte ein Sprecher.

Das Gesundheitsministerium arbeite "gemeinsam mit dem Innenministerium" an "neuen, einfacheren Möglichkeiten". Aus dem Innenministerium hieß es auf Anfrage des STANDARD, nicht nur Polizeidienststellen, sondern auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stehe für die Fotoeinreichung von Nichtösterreichern zur Verfügung. Es fänden zudem Gespräche statt, den Kreis der Einreichstellen zusätzlich auszuweiten. (Irene Brickner, 18.1.2023)