Sri Lanka verkündete im vergangenen Frühjahr die Staatspleite – das Land konnte seine hohen Auslandsschulden vorerst nicht mehr bedienen. Weitere Staaten, die ebenfalls kurz vor dem Bankrott stehen, könnten folgen.

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Kooperation in einer zersplitterten Welt: Unter diesem Motto tagt noch bis Freitag die globale Elite in den Schweizer Bergen. Dort, beim Weltwirtschaftsforum in Davos, beraten viele der einflussreichsten Menschen der Welt über ihre Strategien für die Zukunft.

Für diese Zukunft prognostiziert das Wirtschaftsforum nichts Gutes, ganz im Gegenteil. Im diesjährigen Global Risk Report, den die Organisatoren zum Beginn der Konferenz veröffentlichten, warnen sie vor turbulenten Zeiten, die auf die Welt in den nächsten Jahren zukommen. Eine Wirtschaftsära gehe zu Ende, heißt es dort. Die nächste bringe deutlich größere Risiken für die Menschheit mit sich.

In den kommenden zwei Jahren werde die Krise der Lebenshaltungskosten dominieren, so der Bericht – steigende Preise für Lebensmittel, Wohnraum und Energie, deutlich mehr Menschen, die unter die Armutsgrenze fallen. Auf die nächsten zehn Jahre gesehen sei dann das Versagen bei dem Versuch, die Erderhitzung abzufedern, das größte Risiko, gefolgt vom Kollaps der Ökosysteme.

Wirtschaftskriege würden in diesem Umfeld zur Norm werden, prognostiziert der Bericht. Bereits in den nächsten beiden Jahren werde die Welt mehr Zusammenstöße zwischen globalen Akteuren sehen – wie auch zunehmende Markteingriffe durch Staaten. In Davos soll es unter anderem darum gehen, Wege zu finden, um mit diesen Risiken fertigzuwerden und die schlimmsten Folgen zu vermeiden.

Marshallplan für den Planeten

Neben den vielen Versprechen von Unternehmen, die in diesem Rahmen gemacht werden, werden auch Forderungen nach strukturellen Veränderungen laut. Unter anderem: die Schaffung einer neuen Schuldenarchitektur für die einkommensschwächsten Staaten, die zunehmend in die Bredouille geraten.

Knapp 60 Prozent der ärmsten Staaten waren laut Weltbank bereits vor Russlands Krieg überschuldet – die seither gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel verschlimmern die Lage. Für Investitionen in die Anpassung an die Erderhitzung und den Umgang mit Klimaschäden bleibt kaum Spielraum in den Budgets vieler Länder.

Eine neue Initiative will das Debakel lösen: die "Brigetown Agenda", die die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, im vergangenen Juli vorgeschlagen hat. Entwicklungsbanken, so will es die Initiative, sollen einkommensschwache Staaten besser dabei unterstützen, auf die Erderhitzung zu reagieren und gleichzeitig die Entwicklungsziele zu erreichen. Derzeit versage das Finanzsystem, ist die Politikerin des Karibikstaats überzeugt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg spricht bereits vom "Marshallplan für den Planeten".

Langzeitinstrumente für die Klimafinanzierung

Die Initiative, benannt nach der Hauptstadt von Barbados, fordert unter anderem, die Kreditvergabe durch den Internationalen Währungsfonds umzustrukturieren – so soll etwa Geld auf mindestens 30 Jahre vergeben werden, um Ländern die Möglichkeit zu geben, langfristig zu planen. Außerdem sollen die Mittel nicht nur dann zur Verfügung stehen, wenn eine Naturkatastrophe bereits passiert ist, sondern schon davor – um die schlimmsten Folgen zu vermeiden.

Ein zweiter Punkt auf Mottleys Agenda ist, die Höhe der Kredite, die multilaterale Banken für Klimaprojekte an Entwicklungsstaaten vergeben, deutlich auszuweiten. Außerdem sollen Langzeitinstrumente entwickelt werden, mit denen einerseits drei bis vier Billionen Dollar an Klimafinanzierung mobilisiert werden können und andererseits Zuschüsse für den Wiederaufbau nach Desastern vergeben werden.

Einerseits soll damit eine weitreichende Schuldenkrise im Globalen Süden vermieden werden und gleichzeitig die immer größer werdende Lücke zwischen den verfügbaren Geldern und dem notwendigen Volumen für die Klimafinanzierung geschlossen werden.

Reform bekommt mehr Aufmerksamkeit

Sowohl die G20 als auch viele Staaten auf der Weltklimakonferenz in Ägypten signalisierten bereits, den Vorschlägen grundsätzlich offen gegenüberzustehen. In Davos wird die Initiative nun weiterdiskutiert. So fordert etwa UN-Generalsekretär António Guterres: "Multilaterale Entwicklungsbanken müssen ihr Geschäftsmodell verändern." Es brauche eine neue Schuldenarchitektur.

Im Juli wird die Idee im Rahmen eines Finanzgipfels diskutiert, den die Premierministerin von Barbados zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron veranstaltet. "Der Druck für eine tiefgreifende Reform der Weltbank und neue Kreditvergaben beim IWF wächst, trotz des politischen Gegenwinds aus Washington", sagt Franklin Stevens vom Thinktank E3G.

Schon bei der UN-Generalversammlung in New York war die Agenda besprochen worden, bei den Treffen der G20 und auf der COP 27 sei es in vielen Debatten das dominante Thema gewesen. "Davos ist also wichtig, um diesen Schwung aufrechtzuerhalten", so Stevens. (Alicia Prager, 19.1.2023)