ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle lädt die gesamte Bevölkerung ein, "sich ein eigenes Kraftwerk auf dem Dach zu errichten".

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Die Tiroler Energiewende ist auf Gewässer gebaut. Mehr als 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammt aus der Wasserkraft. Nun will die Politik einen Solar-Fokus setzen. "Tirol soll beim Ausbau von Photovoltaik österreichweit nicht mehr Schlusslicht sein", rief ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle vor Vertreterinnen und Vertretern der Presse im Anschluss an ein zweitägiges Arbeitstreffen seiner Regierung in St. Leonhard im Pitztal die Devise aus. Es gelte, sich "Schritt für Schritt an die Spitze" zu arbeiten.

Acht Millionen Euro für PV-Großanlagen

Gelingen soll dies mit einer großzügigen zusätzlichen Förderung für PV-Großanlagen auf versiegelten Flächen: acht Millionen Euro, allein in diesem Jahr. Davon profitieren sollen etwa Seilbahnen, Supermärkte oder Einkaufszentren, die ihre Großparkplätze mit PV-Paneelen überdachen sollen. Das Geld solle auch in teure Unterkonstruktionen fließen, führte Mattle aus. Die Regierung will Photovoltaik damit "in die Höhe bringen" – aufgrund der Topografie und der begrenzten Bodenressourcen, die möglichst nicht versiegelt werden sollten.

Ferner lade er "die gesamte Bevölkerung ein, sich ein eigenes Kraftwerk auf dem Dach zu errichten", so der Landeshauptmann mit einer plakativen Aufforderung. Engpässe in der Vergabe von Zählpunkten seien überwunden, die Anlagen könnten schnell errichtet werden. "Ich bin überzeugt, dass die Tiroler Unternehmen das nötige Material und die Fachkräfte zur Verfügung stellen können."

Windkraftstudie soll aktualisiert werden

Viel Geld fließt auch aus dem Schoße der Tiwag – des landeseigenen Energieversorgers – in die Energiewende. Das Investitionsvolumen für die Planjahre 2023 bis 2027 bezifferte Mattle auf 2,1 Milliarden Euro. Größter Kostenpunkt: der Ausbau des Kraftwerks Sellrain-Silz, der mit 720 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Neben Wasser und Sonne zeigt sich die Tiroler Landespolitik auch offen für Windkraft. Eine Windkraftstudie aus dem Jahr 2014 soll aktualisiert werden und als Basis für die Erstellung eines Raumordnungsplans dienen. Zeitgleich sollen von der Anfang des Jahres fusionierten Energieagentur Tirol die in der Studie zum Ressourcen- und Technologieeinsatz definierten Energieszenarien überarbeitet werden.

Forderung nach schnelleren Verfahren

"Die Zeit drängt – nicht nur im Sinne der Unabhängigkeit, sondern auch im Sinne des Klimawandels", hielt Mattle fest und erneuerte seine Forderung nach schnelleren Verfahren bei Projekten im Bereich erneuerbare Energien auch in jenen Fällen, in denen sie aufgrund von Beschwerden vor Gerichten landen. Es brauche dort eine Priorisierung bzw. eine "fast lane", wiederholte der Landeschef seinen kürzlich getätigten Vorstoß. Natürlich sollten die Verfahren dennoch sauber und rechtsstaatlich abgearbeitet werden.

Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ), der auch verantwortlich für die Landesliegenschaften zeichnet, unterstrich indes die Vorbildfunktion des Landes. PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 963 Kilowattpeak seien bereits errichtet und in Betrieb genommen worden. Weitere befänden sich in Umsetzung oder Planung. Zudem soll das bestehende Energiemonitoring in der Landesverwaltung weiter ausgebaut und die Dekarbonisierung des Landesfuhrparks vorangetrieben werden.

Dornauer, selbst ehemals Bürgermeister der Gemeinde Sellrain, unterstrich wiederum die wichtige Rolle der Gemeinden. Diese würden durch die neu fusionierte Energieagentur Tirol in Energie- und Ressourcenfragen unterstützt. Mehr Unterstützung sollen die Kommunen im Ausbau von PV-Anlagen bekommen.

Energie soll leistbar bleiben

Tirols oberster Roter ging dann auch auf den "gesellschaftspolitischen Auftrag" in Bezug auf die Teuerung ein. "Es ist uns wichtig, dass Energie leistbar ist und bleibt." Auch in diesem Jahr sollen "umfassende Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen für die Tirolerinnen und Tiroler" greifen, versprach er. Die Fortführung des Energiekosten- und Heizkostenzuschusses sei bereits beschlossen. Ferner sollen auch Lücken im bestehenden Fördersystems geschlossen werden. So sollen Nachteile für Mehrgenerationenhaushalte mit nur einem Stromzähler ausgeglichen werden. Familien, welche den zur Verfügung stehenden Raum bestmöglich nutzen und somit gleichzeitig Leerstand vermeiden, dürfen im Förderregime nicht benachteiligt werden. Zudem sollen für Haushalte, welche in der Energieerzeugung auf Wärmepumpen setzen, keine Nachteile durch einen höheren Strombedarf entstehen.

Bundesregierung bei Strompreis unter Zugzwang

Apropos Kosten: In puncto Strompreis ortete Mattle einen "enormen Handlungsbedarf" und sah die Bundesregierung unter Zugzwang. Netzverlustkosten führten zu einem "enormen Preisanstieg", der mit Jahresbeginn zu Buche schlage. Die Steigerung der Netzverlustkosten für Tiroler Kundinnen und Kunden liege bei rund 600 Prozent. In der bundesweiten Strompreisbremse seien diese aber nicht berücksichtigt. (Maria Retter, 17.1.2023)