Bewegende Worte gab Olena Selenska in Davos von sich.

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Das Ukraine-Haus in Davos.

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Auf der Promenade von Davos, wo im Rahmen des Weltwirtschaftsforums (WEF) wie üblich große Firmen wie Amazon, Meta oder auch Palantir neben Vertretungen der USA, Saudi-Arabiens oder der Vereinigten Arabischen Emirate für ihre Sache werben, steht in diesem Jahr inmitten des Schweizer Skiortes das Ukraine-Haus. Die Ukraine ist auch zentrales Thema bei den Veranstaltungen, die sich der Solidarität mit dem kriegsgeplagten Land verschrieben haben. Russische Vertreter wurden gar nicht eingeladen.

Star- und Überraschungsgast der WEF-Eröffnung war am Dienstag First Lady Olena Selenska. In einer bewegenden Rede warb sie dafür, dass das Jahr 2023 jenes sein soll, in dem der ukrainische Plan für den Frieden umgesetzt werde: "Wir müssen diesen Angriffskrieg beenden und dieses Ende so schnell wie möglich herbeiführen."

Kein zweites Tschernobyl

Selenska warnte vor einem neuen Tschernobyl und sprach besonders die prekäre Situation der Kinder an. Es könne nicht sein, dass diese ihre Hausaufgaben bei Kerzenschein oder mit Taschenlampen erledigen müssen, wie das im Moment in ihrem Land passiere. Sie sprach auch die Situation ukrainischer Gefangener in Russland an. Dort habe man nun ukrainische Kinder zur Adoption freigegeben. Die Russen würden versuchen, deren Leben auszulöschen.

Jeder Mensch, der in der Ukraine lebe, müsse täglich um sein Leben fürchten, in Angst vor dem russischen Regime. Die Kriegsverbrechen dürften nicht weiter zugelassen werden. "Wenn wir zusammenstehen, dann können wir Frieden herbeiführen", meinte Selenska abschließend und übermittelte einen Brief ihres Ehemanns, Präsident Wolodymyr Selenskyj, zur Unterstützung dies Friedensplans.

Beistand erhielt Selenska in Davos gleich im Anschluss von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie bekräftigte einmal mehr, dass die EU hinter der Ukraine stünde, solange dies nötig sei. Die Deutsche kündigte auch einen neuen Kredit über drei Milliarden Euro unter Auflagen von der EU an. Dies sei der erste Teilbetrag eines bis zu 18 Milliarden Euro umfassenden Darlehensprogramms, das von den EU-Mitgliedsländern im Vorjahr beschlossen wurde.

Die Gelder sollen den Wiederaufbau der Infrastruktur, etwa Straßen, Brücken, Stromleitungen oder Wasserversorgung, ermöglichen. Auch der Betrieb von Spitälern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen soll damit garantiert werden. Es müssen 20 Reformzusagen und Berichtspflichten eingehalten werden. Die Rückzahlung des zinsfreien Kredits ist ab 2033 im Laufe von 35 Jahren geplant.

Bei einer weiteren Diskussion in Davos mit dem Titel "Verteidigung Europas" übte der polnische Präsident Andrzej Duda Druck auf den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in der Frage der Lieferung von Panzern an die Ukraine aus. Duda, der schon im Vorfeld angekündigt hatte, dass sein Land Leopard-Panzer für eine ukrainische Kompanie liefern möchte, verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass nun auch Berlin folgen werde. Warum? "Weil sich in Deutschland die politische wie auch die öffentliche Meinung geändert hat", so Duda.

Scholz wird am Mittwoch in Davos erwartet. Deutschland spielt in der Debatte eine Schlüsselrolle, weil die Weitergabe dort entwickelter Ausrüstung eine Genehmigung Berlins braucht. Scholz hatte bisher die Meinung vertreten, dass er sich nicht von "aufgeregten Stellungnahmen" unter Druck setzen wolle. Auch Nato-Mitglied Estland und Beitrittskandidat Finnland haben Deutschland bereits auf eine positive Entscheidung in der Panzerfrage gedrängt.

Treffen in Ramstein

Scholz’ Vize, Wirtschaftsminister Robert Habeck, war schon am Dienstag in Davos. Er drängte auf eine schnelle Entscheidung der Panzerfrage "im Gleitflug der Bündnispartner", wobei der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius eine entscheidende Rolle spielen werde. Spätestens am Freitag wird es zumindest eine Vorentscheidung zu den Panzern geben, wenn in Ramstein auf Einladung der USA die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt zusammenkommt. (Rainer Schüller aus Davos, 18.1.2023)