"Lesben sind keine Frauen." Mit diesem Satz schrieb die französische Philosophin Monique Wittig Geschichte und sorgte auch unter Feministinnen für heftige Debatten.

Foto: IMAGO/Martin Müller

"Einladung zum Butler-Lesekreis: Alle interessierten Flinta*s sind herzlich willkommen!" Veranstaltungshinweise wie dieser sind auf feministischen Mailinglisten häufig zu finden. Eingeladen sind somit nicht bloß Frauen, sondern explizit auch Lesben, nonbinäre, Trans-, Inter- und Agender-Personen. Das angehängte Sternchen wiederum repräsentiert alle Geschlechtsidentitäten, die sich im Flinta-Begriff nicht wiederfinden.

Das etwas sperrige Akronym ist ein Ergebnis feministischer Debatten und Kämpfe um Anerkennung. Wenn Räume nur für Flinta*s offen sind, dann sollen sich dort all jene Menschen austauschen können, die im herrschenden Patriarchat marginalisiert werden – und das seien eben nicht nur Frauen.

Kritik an einem Feminismus, der nur die Lebensrealitäten von cis Hetero-Frauen im Fokus hat, formulierten Aktivistinnen bereits in den 1980er-Jahren. Lesben erkämpften sich eigene Räume und forderten auch sprachliche Sichtbarkeit ein: So fand im Jahr 2000 in Hannover etwa eine FrauenLesbenSommerUni statt. Mit ihrem Zitat "Lesben sind keine Frauen" schrieb die französische Philosophin Monique Wittig Geschichte und sorgte auch unter Feministinnen für heftige Debatten. Der Begriff Frau mache nur in heterosexuellen Denkstrukturen einen Sinn – Heterosexualität fasste Wittig als ein politisches System.

Queerfeminismus

An die Geschichte dieser Kämpfe knüpft auch der Flinta-Begriff an. Dementsprechend inkludiert er Lesben, obwohl es sich dabei um keine Geschlechtsidentität handelt. Dass Sex und Gender, also das biologische Geschlecht und die Geschlechtsidentität, ein gesellschaftliches Konstrukt seien, brachten schließlich queerfeministische Denkerinnen aufs Tapet: Zu Männern und Frauen mache uns die Gesellschaft, Geschlecht sei vielfältig und veränderbar.

Aus Frauen wurden auf feministischen Veranstaltungen häufig Frauen*, das Sternchen sollte sowohl die Konstruiertheit von Geschlecht sichtbar machen als auch Frauen inkludieren, die bei der Geburt keinen weiblichen Geschlechtseintrag erhalten haben.

Der Frauen*-Begriff diente aber auch dazu, sich von feministischen Gruppen abzugrenzen, die Transfrauen aus ihren Frauenräumen ausschließen. Wer nicht als Frau aufgewachsen und sozialisiert wurde, teile nicht dieselben Erfahrungen und könne so auch nicht Teil von (cis) Frauenräumen sein, so das Argument jener Gruppen.

Das Sternchen hinter den Frauen wurde aber nicht nur von transexklusiven Feministinnen kritisiert, auch Queerfeministinnen konnten sich immer weniger damit anfreunden. Transfrauen seien schließlich ebenso Frauen und müssten nicht durch einen Stern ausgewiesen werden. Dieser trage vielmehr dazu bei, Transfrauen als die "anderen" zu markieren, als jene, die keine "richtigen" Frauen seien.

Heftige Debatten

Der Flinta*-Begriff hob diese Debatte auf eine neue Ebene. Es mache kaum Sinn, nonbinäre Personen oder Transmänner, die ebenso Diskriminierung erfahren, aus Räumen der Frauenpolitik auszuschließen – sie wurden inkludiert. Gegen die immer differenziertere Sprachpolitik formierte sich aber auch immer breitere Kritik: Kommentator:innen quer durch alle politischen Lager laufen Sturm gegen eine "Verhunzung" der Sprache, und auch eine elitäre Attitüde wird Feministinnen regelmäßig unterstellt. Denn wer von "Flinta" noch nie gehört habe oder gerade erst Deutsch lerne, könne Debatten schnell nicht mehr folgen.

Unsichtbar gemacht oder gar ausgelöscht wiederum fühlen sich so manche Feministinnen, die sich auf das biologische Geschlecht berufen und den Frauenbegriff unter Beschuss sehen.

Aber auch queere Kritik am Flinta-Begriff existiert. Dieser schreibe Identitäten fest, statt konkret zu benennen – wer Teil einer Flinta*-Veranstaltung sein wolle, stehe wiederum vor einem Zwangsouting.

Flinta-Politik steht auch vor praktischen Problemen: Behörden oder Unternehmen kennen oft nur zwei Geschlechter, noch immer kämpfen Trans- und Interpersonen gegen rechtliche Diskriminierung. Mit den politischen Kämpfen bleiben auch deren Begriffe im Fluss – von Flinta*s könnte bald schon keine Rede mehr sein. (Brigitte Theißl, 18.1.2023)