"Tragödie in Browary", heißt es am Mittwochmorgen im Telegram-Kanal von Oleksiy Kuleba, dem Gouverneur der Region Kiew. Ein Hubschrauber ist demnach in der Nähe eines Kindergartens in der an Kiew angrenzenden Stadt abgestürzt.

Wenig später klären Polizei und das ukrainische Parlament über das Ausmaß der Tragödie auf. Unter den Toten befindet sich demnach die Spitze des ukrainischen Innenressorts: Innenminister Denys Monastyrskyj, sein Stellvertreter Jewhenij Jenin und Staatssekretär Juri Lubkowitsch.

VIDEO: Laut dem Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko brauche es weitere Untersuchungen, um herauszufinden, warum der Helikopter abgestürzt war. Der Absturz sei "eine große Tragödie".
DER STANDARD

Sie waren unter den neun Helikopterinsassen, die offenbar auf dem Weg in die Region Charkiw zu einem der Frontabschnitte im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen waren und allesamt den Absturz nicht überlebt haben. Laut dem ukrainischen Notdienst wurden bei dem Absturz 14 Menschen getötet. Unter den Toten befindet sich demnach ein Kind. Es gab im Laufe des Tages bereits unterschiedliche Angaben zu den Opferzahlen.

Ursache unklar

Zudem seien 29 Verletzte in ein Krankenhaus gebracht worden – darunter zahlreiche Kinder. Alle anderen Überlebenden seien evakuiert worden. Unter den Trümmern werde weiterhin nach Opfern gesucht, hieß es in einem Update von Gouverneur Kuleba.

Bestätigt: Innenminister Monastyrskyj befindet sich unter den Toten.
Foto: APA/AFP/GENYA SAVILOV

Zuvor lagen mehrere verhüllte Leichen nach einem Reuters-Bericht in einem Hof in der Nähe des beschädigten Kindergartens. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "schwarzen Morgen", einer "schrecklichen Tragödie" und "unaussprechlichem Schmerz" und ordnete umfassende Ermittlungen und die Kooperation aller Sicherheitsdienste an.

Die Absturzursache ist aktuell weiterhin unklar. Die zuständigen Behörden haben die Ermittlungen allerdings bereits aufgenommen. Derzeit werden die Wrackteile des Hubschraubers untersucht und laut Inlandsgeheimdienst SBU drei mögliche Ursachen in Betracht gezogen: ein Flugfehler des Piloten, eine technische Störung oder aber Sabotage.

Hubschraubermodell mit Vorgeschichte

Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, handelte es sich um einen Hubschrauber des Typs Airbus H225, auch als "Super Puma" bekannt. Eine Kommission werde die Ursachen untersuchen. "Das wird nicht nur ein bis zwei Tage dauern, denn die Untersuchung einer Flugkatastrophe braucht eine gewisse Zeit." Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (Easa) hatte 2016 gegen den französischen H225 wegen Sicherheitsbedenken ein vorläufiges Flugverbot verhängt. Schon das Vorgängermodell AS332 war in mehrere Flugunfälle verwickelt.

Die abgestürzte Maschine gehörte offenbar zum Notfalldienst der Regierung in Kiew und lag somit im Verantwortungsbereich des Innenministeriums. Der 42-jährige Monastyrskyj war im Jahr 2021 zum Innenminister ernannt worden. Er war in diesem Amt für die Polizei und die innere Sicherheit zuständig und ist der ranghöchste ukrainische Staatsvertreter, der seit Beginn des Krieges ums Leben gekommen ist.

Ort der Tragödie: Browary bei Kiew.

Nachfolger verkündigt

Browary liegt rund 20 Kilometer vom Stadtzentrum Kiews entfernt. In den ersten Tagen des im Februar 2022 begonnenen russischen Angriffskrieges hatte es in der Stadt heftige Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Kräften gegeben. Von ukrainischer Seite gab es bisher keine Angaben dazu, ob es zu dem Zeitpunkt des Absturzes russische Angriffe in dem Gebiet gegeben habe. Russland äußerte sich zunächst nicht zu dem Absturz.

Neuer amtierender Innenminister wird der bisherige nationale Polizeichef Ihor Klymenko. Klymenko sei zum Vize-Innenminister ernannt worden, teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal wenige Stunden nach dem Absturz mit. In dieser Funktion werde er aber die Pflichten des Ministers erfüllen.

Europa kondoliert

Aus Brüssel kamen derweil erste Kondolenzmeldungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach den Familien der Opfer, Selenskyj sowie der gesamten Ukraine ihr tiefes Beileid aus: "Wir trauern mit Ihnen." Ähnlich äußerte sich EU-Rats-Chef Charles Michel: Monastyrskyj sei ein guter Freund der EU gewesen.

Österreich kondolierte ebenfalls: Tief betroffen reagierte etwa Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): "Mein Amtskollege Denys Monastyrskyj hat uns bei den EU-Räten, aber auch mich persönlich immer wieder über die dramatische Situation in der Ukraine informiert. Mein tiefstes Beileid an die betroffenen Familien und Angehörigen."

"Unser Gedanken und unser tiefes Mitgefühl sind in diesen schweren Stunden bei den Familien der Opfer", twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer. Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) zeigte sich "tief betrübt über die Opfer des tragischen Hubschrauberabsturzes in der Nähe eines Kindergartens". "Zutiefst erschüttert von dieser traurigen Nachricht" zeigte sich auch Ewa Ernst-Dziedzic, Außenpolitik-Sprecherin der Grünen. (fmo, APA, Reuters, 18.11.2023)