Richtig angewendet, genügt erstaunlich wenig Ausrüstung, um kommod durch die kalte Jahreszeit zu radeln.

Foto: Steffen Kanduth

Die Zahl der sogenannten Winterradlerinnen und -radler steigt kontinuierlich. Allein in Wien wurden im Vorjahreswinter – das sind in der Statistik die Monate Dezember, Jänner und Februar – mehr als eine Million Radfahrer und Radfahrerinnen bei den offiziellen Zählstellen registriert. Mit besserer und im Fall von Schnee geräumter Infrastruktur will man österreichweit den Anteil jener, die ganzjährig aufs Rad steigen, weiter erhöhen. Für viele ist aber gar nicht Frau Holle die gefürchtete Wintergegnerin auf dem Radweg, sondern Väterchen Frost. Dabei ist die Kälte einfach in den Griff zu bekommen.

Das Zwiebelprinzip

Ja, es ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, schwingt man sich auch im Winter regelmäßig aufs Fahrrad. Und die alles entscheidende Frage, ob die Ausfahrt zur Zitterpartie wird, ist die nach der richtigen Bekleidung. Einerseits geht es um die Materialien der Kleidung an sich, zugleich ist aber die Reihenfolge, wie diese getragen wird, von ebenso großer Bedeutung. Das berühmte Zwiebelprinzip, das manche aus dem Wintersport kennen, gilt auch fürs Radeln bei Kälte.

Grundsätzlich gilt die Devise "Weniger ist mehr". Statt weniger dicker Schichten greift man auch beim Winterbiken lieber zu mehreren dünnen Lagen, die spezielle Funktionen erfüllen. Denn Radfahren ist Sport, und wer Sport ausübt, braucht Bewegungsfreiheit. Eine dicke Daunenjacke mag zwar warm halten, engt aber ein, und zudem ruiniert man durch Schwitzen das teure Gefieder. Derlei Accessoires sollten daher nur für wenig schweißtreibende Winteraktivitäten wie Spazierengehen oder, sollten Sie aus Kitzbühel sein, zum Schneepolozuschauen getragen werden.

Schicht eins und zwei mitsamt Thermosneakers für die Füße und Wollmütze und/oder Sturmhaube. Das Gilet der dritten Schicht ist optional, je nach Temperatur.
Foto: Steffen Kanduth

Schicht eins: Wohlig und warm

Beginnen wir mit der Basisschicht, also jener, die direkt auf der Haut getragen wird. Die ist besonders wichtig, und daher ist es durchaus ratsam, hier auf Qualität zu setzen. Diese Basisschicht muss angenehm zu tragen sein und wärmen. Zudem soll sie den Schweiß, der bei Anstrengung ausgeschüttet werden kann, vom Körper wegtransportieren, um diesen trocken und warm zu halten. Merinowolle ist in dem Zusammenhang ein wahrer Gamechanger. Daher schwöre ich bei Socken und langer Unterwäsche darauf. Sie kann Feuchtigkeit aufnehmen und hält dennoch warm.

Neben den wärmenden und isolierenden Eigenschaften hat Merinowolle den Vorteil, dass man nicht unangenehm riecht, auch wenn man darin geschwitzt hat. Und sie wärmt auch dann noch, wenn sie nass wird, etwa durch Schwitzen. Wer im Winter zu beruflichen Terminen radelt und dort adrett aussehen will, kann einfach ein Hemd im Rucksack mitnehmen und sich nach der Ankunft schnell umziehen. Auch wenn man gerade eine Bergwertung hinter sich hat, wird es niemand riechen. Und die Haut dankt es einem langfristig, denn Merinowolle ist zwar etwas teurer in der Anschaffung, dafür in der Regel sanfter und verträglicher als synthetische Materialien.

Schicht zwei: Isolieren

Über der Basisschicht folgt nun die zweite Schicht, deren Hauptzweck es ist zu isolieren. Sie soll kalten Wind vom Körper fernhalten, gleichzeitig aber den abgesonderten Schweiß nach außen weiterleiten, um durchnässte Kleidungsschichten zu vermeiden. Hier trumpft synthetisches Fleece wie etwa Polartech mit seinen besonderen Eigenschaften auf. Aus eigenem Fehler habe ich gelernt, dass Baumwolle die schlechteste Wahl für diese Mittelschicht ist. Denn irgendwann hat sich das Leiberl mit Schweiß vollgesogen, ist schwer und kühlt im Fahrtwind zusätzlich ab.

Sowohl die Basisschicht aus Merinowolle als auch die zweite Lage aus synthetischer Faser trocknen schon bei Raumtemperatur rasch. Daher kann man diese Kleidungsstücke nach Ankunft im Büro problemlos lufttrocknen lassen und hat sie so zur Heimfahrt wieder parat. Und sie müssen nicht täglich in die Waschmaschine, auch wenn die Fahrt etwas schweißtreibender war. Gerade Merinowolle kann problemlos mehrmals getragen werden, ohne unangenehm zu riechen oder kratzig zu werden.

Zum Schutz der Beine wähle ich je nach Wetter eine normale Hose aus Polyester und Baumwolle, die ich über die Merinounterwäsche ziehe und die für nassere Verhältnisse einfach gewachst werden kann, um trocken zu halten. Oder an ganz kalten, winterlichen Tagen auch eine Thermohose, wie man sie für Skitouren oder Schneewandern benutzt.

Schicht drei in Form der Regenjacke (die nur bei Nässe zum Einsatz kommt), der Downhill-Goggles zum Schutz der Augen sowie der Thermohose für ganz kalte Tage.
Foto: Steffen Kanduth

Schicht drei: Wind und Wasser abweisen

Bei der dritten Schicht ist im Winter je nach Wetter zu unterscheiden: Gilt es, sich gegen Kälte zu wappnen, oder müssen Kälte und Nässe abgewehrt werden? Oft hat man es im Winter "nur" mit Kälte zu tun, denn Regen ist bei Minusgraden selten. In solchen Fällen genügt eine gut isolierende Schicht, die eine gewisse Luftzirkulation ermöglicht und so Feuchtigkeit nach außen leitet. Winddicht genügt meistens, um den Körper angenehm warm zu halten. Wasserdichte Materialien bedeuten meist auch mehr Schweiß wegen schlechterer Luftzirkulation. Daher wirklich nur bei Regen darauf zurückgreifen.

Erst wenn Nässe mit im Spiel ist, muss die dritte Schicht wirklich wasserdicht sein. Ich selbst habe im Winter meist einfach die Regenjacke vom Sommer mit dabei, um sie notfalls überzuziehen. In der Regel genügt mir aber ein winddichtes Gilet, das ich über der zweiten Schicht trage. So wird der Rumpf warm gehalten, was ein Auskühlen der Extremitäten verhindert. Auch bei leichten Minusgraden reicht diese Dreierkombi aus Unterwäsche, Polartec-Jacke und Gilet völlig aus, um wohlig warm ans Ziel zu kommen. Schließlich betätigt man sich beim Radeln, was für eine gewisse Grundwärme sorgt.

Von Kopf bis Hand und Fuß

Besonderes Augenmerk hinsichtlich Kälte ist beim winterlichen Radfahren auf die Extremitäten sowie den Kopf zu legen. Gerade die Füße kühlen schnell aus, weil die Pedale in der Regel aus Metall sind und die Wärme ableiten. Ein alter und billiger Mountainbike-Trick ist, die Füße zwischen zwei Paar Socken einfach in ein, zwei Lagen Alufolie einzuwickeln, bevor man damit in die Schuhe steigt. Das hilft erstaunlich gut, kann aber nach entsprechend langer Ausfahrt zu einer ziemlichen Sauerei beim Ausziehen führen, weil sich die Alufolie in Myriaden von Einzelteilen auflöst. Praktischer, nicht viel teurer und vor allem wiederverwendbar sind isolierende Schuheinlagen. In Kombination mit den erwähnten Merinosocken werden damit garantiert keine Zehen mehr frieren.

Ich trage im Winter meist gefütterte Turnschuhe, die einerseits die angenehme Bewegungsfreiheit von sommerlichen Skateschuhen bieten, andererseits warm halten wie Moonboots. Diese Turnschuhe haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie hervorragenden Halt auf den Plattformpedalen bieten. Für regnerisches Winterwetter habe ich noch wasserdichte Überschuhe dabei, die sich mit wenigen Handgriffen, und ohne die Schuhe auszuziehen, anlegen lassen. Diese Überschuhe kosten weniger als 20 Euro und lassen sich klein im Rucksack verstauen – sie sind auch im Sommer ideal bei plötzlichen Regenschauern.

Die sogenannten Hummer-Handschuhe – benannt nach der Scherenform des Hummers – sind die wärmste Alternative zu Fäustlingen, und man kann damit problemlos Bremsen bedienen.
Foto: Steffen Kanduth

Fäustling-Regel fürs Biken

Bei den Handschuhen gilt es zu beachten, dass man zum Radfahren den Lenker festhalten, die Bremsen sowie die Schaltung bedienen können sollte. Daher sind Fäustlinge, die besser wärmen, nur bedingt geeignet. Die meines Erachtens beste Lösung für extrem kalte Tage sind sogenannte Hummer-Handschuhe. Sie sind wie ein geteilter Fäustling mit zwei Kammern für je zwei Finger sowie einer für den Daumen. So hat man den Lenker fest im Griff, kann aber dennoch mit zwei Fingern bremsen und mit dem Daumen schalten.

In der Regel genügen aber weitaus dünnere Handschuhe. Ich wurde bei den Langläufern fündig und habe mir dort für knapp 30 Euro Polartec-Handschuhe gekauft. Sie halten auch leichten Regen gut aus, ohne ihre schützende Wirkung zu verlieren. Und sie bieten genug Feinfühligkeit, um alles gut im Griff zu haben. Im vergangenen Winter habe ich ein Paar Neoprenhandschuhe zum Preis von knapp 20 Euro ausprobiert, die gerade bei Nässe sehr überzeugt haben. Allerdings hatte dieses Modell einen schlecht verarbeiteten Reißverschluss, weshalb ich wieder zu den Polartec-Handschuhen zurückgekehrt bin, die ohne einen solchen auskommen.

Face it: Winter kann eiskalt sein

Grundsätzlich ist zum Thema Winterradeln zu sagen, dass Kälteempfinden eine sehr individuelle Sache ist, daher sind die hier angeführten Tipps als subjektive, persönliche Erfahrungswerte aus zahlreichen Wintersaisonen auf dem Rad anzusehen und sicher nicht auf jede und jeden übertragbar. Meine kältetechnische Achillesferse ist zum Beispiel das Gesicht. Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen einer zugluftbedingten Gesichtsnerventzündung hatte, weiß, wovon ich spreche. Daher muss ich diesen Bereich immer besonders gut vor Kälte und Zugluft schützen.

Die sogenannten Schlauchtücher, die man oft im Sporthandel oder Tourismus als Werbegeschenke abstauben kann, sind ideal und vielseitig, um Kopf und Gesicht einzupacken. Richtig angelegt schützen sie den Hals, das Gesicht und dienen als Basisschicht unter der Haube. Vor allem hinsichtlich der Ohrstöpsel zum Musikhören sind Schlauchtücher optimal, weil sie helfen, die kleinen Dinger an ihrem zugedachten Platz, dem Ohr, zu halten. Und sie verhindern unangenehme Zugluft, die entstehen kann, wenn die unteren Enden der Kopfhörerstöpsel unter der Haube hervorlugen und sie so undicht machen. Eines der schlimmsten Frostgefühle für mich.

Keine Tränen vergießen

An ganz kalten Tagen schwöre ich auf die gute, alte Sturmhaube, die nichts als die Augenpartie ungeschützt lässt. Sie passt, wie auch Schlauchtücher, problemlos unter den Helm. Mittlerweile gibt es eigene Sturmhauben fürs Radeln, die praktische Atmungsschlitze beim Mund und unter der Nase bieten, damit die Brille weniger anläuft beim Ausatmen. Überhaupt sollten die Augen nicht vergessen werden, wenn es ums Winterradeln geht. Denn der kalte Fahrtwind kann empfindlichen Äuglein ordentlich zusetzen. Und die Tränen, die dabei entstehen, verstärken in der Folge das Kältegefühl auf der Gesichtshaut. Daher setze ich an solchen Extremtagen auf die Goggles vom sommerlichen Downhillen oder eine herkömmliche Skibrille. Hält den Wind ab und sorgt für Durchblick.

Auch beim Kopfschutz gibt es eigene Winterhelme, die Zugluft verhindern helfen. Sie sind, anders als die herkömmlichen Fahrradhelme, meist geschlossen. Im Grunde ähneln sie den Produkten für den Wintersport, und wer auch im Winter beim Radeln auf Helm setzt, kann dafür einfach den vom Skifahren nutzen.

Abschließend sei noch das Thema Licht erwähnt, weil gerade im Winter die Sichtbarkeit von Radlerinnen und Radlern überlebenswichtig sein kann. Achten Sie daher auch bei der Bekleidung darauf, möglichst helle und reflektierende Elemente zu nutzen oder einzubauen, die Ihre Sichtbarkeit erhöhen. Das macht Autofahrerinnen und -fahrern das Leben leichter, weil diese Sie besser und schneller als Verkehrsteilnehmer erkennen können.

Wie radeln Sie durch den Winter?

Wie bereits erwähnt basieren die angeführten Tipps auf persönlichen Erfahrungen und mögen in der Form nicht universell gelten. Eine meiner Faustregeln ist zum Beispiel, immer eine Fahrradtasche zu benutzen statt eines Rucksacks. Denn am Rücken getragen sorgt ein Rucksack beim Radeln schnell für einen nasse, weil durchgeschwitzte Kleidung in der empfindlichen Nierenregion. Und sich dort zu verkühlen kann besonders schmerzhaft wie auch langwierig sein.

Wie halten Sie sich im Winter auf dem Fahrrad warm? Oder zählen Sie zu jenen, die es bislang nicht erwogen haben, auch im Jänner in die Pedale zu treten? Einen Versuch ist es jedenfalls wert, denn Radfahren macht bei Minusgraden ebenso viel Spaß wie im Sommer. Und wer sich regelmäßig an der frischen Luft bewegt, stärkt sein Immunsystem. (Steffen Kanduth, 22.1.2023)